Freund Farbe

Hell, freundlich, angenehm ? der Empfangsbereich
Angst vor dem Zahnarztbesuch? Muss nicht sein. Professor Mag. art. Karl Albert Fischer, Institutsleiter des Österreichischen Instituts für Licht und Farbe, erzählt im exklusiven Interview über die wichtige Beziehung zwischen Mensch, Licht und Farbe und die positive Art, wie diese gestalterisch auf die Arztpraxis umgesetzt werden kann.

Herr Professor Fischer: wie groß ist der tatsächliche Einfluss der Farben auf die Psyche?
Intensive Auswirkungen auf den ganzen Organismus sind wissenschaftlich erwiesen. Die grundlegendste und tragendste ist die Schaukel zwischen und Sympathicus-Nervensystem - erregend - und dem Parasympathicus - entspannend. Die Farbanteile, die erregend und ergotrop sind, also Leistungen anregen, liegen im Rot-Gelb-Orange-Bereich. Jene im Blau-Grün-Bereich wirken aufnehmend, kühl und histotrop, also beruhigend. Das ist die biologische Grundachse. Beim Menschen als denkendes, reflektierendes Wesen tritt zusätzlich eine Archetypik auf, das heißt, dass wir mit bunten Farbtönen bestimmte Urbilder verbinden. Sie bleiben meist unbewusst, steuern aber Wohlbefinden, Konzentration, Aufnahme- und Kommunikationsfähigkeit. Wenn in der umgebenden Farbwelt Harmonie herrscht, wird alles, was zum Leben dazugehört, spürbar gefördert.

Futuristisch und heimelig: der Wartebereich

Nach welcher Methodik arbeiten Sie?
Zunächst betrachte ich das Objekt vom Tageslicht her. Naturlicht ist das beste Licht und kann durch Lichtlenkung noch verstärkt werden. Der zweite Schritt ist: Wie kann man mit Kunstlicht ein Beleuchtungsniveau schaffen, das uns energetisch eine helle, freundliche Umgebung erzeugt. Das gelingt vor allem dann, wenn das Kunstlicht naturähnlich ist - Licht mit dem gesamten Spektralanteil des Sonnenlichtes. Dafür kommen nur zwei Leuchtmittel in Frage: Die Glühlampe und die Halogenglühlampe, beide haben das gesamte Spektrum und sind darüber hinaus auch deshalb unverzichtbar für die Gesundheit, weil ihr hoher Rotanteil die altersbedingten Netzhautschäden repariert. Der dritte Punkt ist die Farbe, und zwar dort, wo sie nicht Lichtstrahlung, sondern Objekt und Oberfläche ist. Moderne Farbenpsychologie arbeitet nicht nur nach dem Grundprinzip anregend-beruhigend, sondern nach Farbsymbolik und Archetypen bis hin zu den Moden und Trends. Harmonische Farbkombinationen, die richtigen Stoffe, Hölzer, Accessoires machen das Flair eines angenehmen Ambientes.

Und angewandt auf die Arztpraxis?
Was uns konkret für die Arztpraxis interessiert, ist ein warmes, freundliches Licht aus echten Vollspektrumlampen. Sowohl im Empfangsbereich wie in Warteräumen benötigt man angenehme Beleuchtung für den „Sehkomfort" durch Licht, das mit seinen Farbanteilen auf die Psyche und auf das Nervensystem wirkt. Es zu planen ist nicht einfach, da man die einzelnen Komponenten der Licht- und Farbgesetze kennen muss. Weshalb dringend zu empfehlen ist, für repräsentative Räume kompetente Lichtplaner einzusetzen. Jeder Arzt erkennt, wenn er gutes Licht in seiner Praxis anwendet, dass seine Kunden angenehm, ruhig und ausgeglichen gestimmt sind.

Wie würde idealerweise ein Farbkonzept aussehen?
Es gibt grundsätzlich Farben, die sich für den Arzt- und Behandlungsbereich gut eignen. Es kommt darauf an, wie die Farben gesamtheitlich im Raum miteinander wirken. Farben planen und Räume einrichten geht nicht ohne ein gewisses künstlerisches Auge, welches zwei Dinge im Fokus hält: die Farbgesetze und die psychische Stimmung. So kann ein Vorraum empfangsbereit werden mit heller, freundlicher Ausstrahlung, ein Warteraum gemütlich stimmen und Angst abbauen mit warmem Licht, das nicht blendet, aber das Lesen angenehm macht. Im Behandlungsraum geht es um Licht und Farben für den behandelnden Arzt und dessen Sehkomfort und Sehleistung sowie um Beruhigungslicht für den Patienten, der meist liegend zur Decke blickt und nicht unbedingt ein psychisch herabstimmendes Leuchtstoff-Arrangement sehen will, das ihn energetisch unterversorgt, sondern zum Beispiel ein interessantes Lichtpaneel oder eine Farbwechselleuchte.

Welche Farben sollte man unbedingt einsetzen und warum?
Für eine Arztpraxis wird man den Bereich der warmen, angenehmen, Farben wählen. Ein zartes Pastellgelb bis Pastellorange, genannt Aprikose, kann selten falsch sein. Schreiende, zu gesättigte Buntfarben sollten trotz ihrer energetischen Qualität vermieden werden oder nur als kleinen Farbspot platziert sein. Zusätzlich setzt man vorteilhaft einige Grüns und Blaus. Somit sind immer zwei Farbpole gegenwärtig: beruhigende und erregende. Das Auge sucht sich dann selbst die richtigen Impulse: Aufmunterung, Mut, Stärke bei den warmen Farben, und Ruhe, Entspannung, Angstabbau, Regeneration im kühleren Bereich.

Welche Farben wirken angsthemmend?
Ähnlich einem Arzt oder Therapeuten kann man zwei „Medikamente" verordnen, um Angst zu behandeln: Stimmungsaufbauende und antidepressive Warmfarben - sie hemmen die Angst, weil sie positive Stimmung aufbauen - und als zweite Komponente ein Sedativum, einen Ton aus dem Blaubereich. Hier wird Energie weggenommen, Ruhe und Überlegung gefördert. Zu viel Blau lässt allerdings die Lebenskräfte absacken, und zu viel Warmfarbe regt nicht mehr an, sondern regt ausgesprochen auf.

Sie würden also die Kombination dieser beiden empfehlen...
Ja. Und zwar würde ich dabei den warmen Farbtönen den Vorrang geben und die Blautöne etwas zurücktreten lassen.

Von welchen Farben sollte man unbedingt Abstand nehmen?
Schreiende Farben sind nicht sehr opportun. Was aber ausgesprochen ungünstig ist, sind alle unbunten Farben: Schwarz, Grau und Weiß werden auch als „avital" bezeichnet. Unglücklicherweise sind genau das die Farben, die die Architekten häufig einsetzen. Aus Sorge, zu viel vorzugeben, bleiben sie lieber im undefinierten Bereich und übersehen, dass auch hier Wirkungen entstehen: Große Weißflächen lösen auf, es entsteht ein gewisses Verlorenheitsgefühl. Zuviel Schwarz oder dunkles Anthrazit ist negativ, aggressiv und ruft Protest hervor, nebst einer gewissen Todessymbolik. Grau verschleiert, versteckt, kehrt unter den Teppich und zieht Lebenskräfte ab.

Wie wichtig sind Kontraste?
Sehr wichtig, aber mit Maß und Ziel. Kontraste sind Lebenselemente. Überall im Leben begegnen wir Polaritäten, Rhythmen, wie der Herzschlag, das Temperaturregelsystem, der tägliche Wechsel von Hell und Dunkel. Der Kontrast ist nichts anderes als ein abwechselnder Rhythmus von Leuchtdichten oder Farbqualitäten. Wenn man eine helle Wand mit einem roten Bild betrachtet, so erlebt man nicht nur einen Wechsel der Helligkeit, sondern auch den der Farbe. Der Körper braucht diese Abwechslung im Sinne von Regelfunktionen und „arousal reactions".

Welche Farben sollen den Patienten demnach begrüßen?
Wenn man die Tür öffnet, möchte man sicher keine dunkle Höhle sehen, sondern freundliche, entgegenkommende Farben und Helle, die nicht blendet. Dazu wenige belebende Starkfarben. Wichtig sind Oberflächen, da können Textilien und Holz gut mitspielen.

Wie soll der Wartebereich gestaltet sein?
Eine angenehme, heimelige Atmosphäre. Viel mehr „Wohnen" als „Klinik".

Und der Behandlungsraum selbst?
Ähnliches - zu den mitunter gefährlich aussehenden Geräten wird ein warmer, schöner Lichtschein und eine feine, angenehme Warmfarbigkeit die perfekte Entspannung schaffen. Man kann vom „auflösenden" Weiß ausgehen und in feine kühle oder warme Pastelltöne überleiten.

Welche Vorgangsweise würden Sie für die Gestaltung der Praxis empfehlen?
Ein kompetentes Licht-Farb-Consulting mit folgenden Schritten: Erstens die Bestimmung der Lage des Objektes in Hinblick auf Stockwerk, Himmelsrichtung, Milieu und Stadtteil, inklusive soziales Umfeld und Infrastruktur. Zweitens das Corporate Design, wie sich die Ordination nach außen hin präsentieren möchte in Zusammenhang mit Farben, bestimmten Farbkombinationen, Schrift und Bild. Die Eingangssituation, Türe, Empfangspult und die Fortsetzung im Wartebereich. Und schließlich das Zentrum des Geschehens mit allen farb- und lichtbiologischen Chancen, die ich angeführt habe. Annehmlichkeit schafft das Gefühl, menschlich ernst genommen zu werden und wird sich in der Frequenz der Besucher und in der Folge auch im Umsatz widerspiegeln.

Danke für das Gespräch.

Das Gespräch führte DI Barbara Jahn.

ÖSTERREICHISCHES INSTITUT FÜR LICHT UND FARBE
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