Ein Blick hinter die Kulissen – ein Blick in die Zukunft!

Der Personalmangel ist in aller Munde. Quer durch alle Branchen und Berufe. Die offizielle Liste der Mangelberufe beinhaltet mittlerweile 139 Berufsgruppen. Jeder dieser Gruppen besteht aus zahlreichen Einzelberufen. Es erübrigt sich darauf hinzuweisen, dass auch die zahnärztlichen Assistentinnen dazu zählen. Viele Ordinationen arbeiten nicht mehr auf 100 Prozent ihrer Leistung, wegen Personalmangels. So weit, so schlecht!

Es köchelt aber eine weiteres, weit größeres Problem unter der Oberfläche: In den nächsten fünf Jahren erreichen 40 Prozent der und -ärztinnen das Pensionsalter! Schon jetzt können österreichweit ca. 10% der zahnärztlichen Kassenplanstellen nicht mehr nachbesetzt werden. Die Attraktivität der Kassenordination hat in den letzten Jahren sehr gelitten. Dies ist angesichts der aktuellen Tarife kein Wunder. Bei Betrachtung der Honorare für die einzelnen Positionen des ist der größte Teil defizitär. Die Betriebsstunde einer durchschnittlichen Ordination kostet derzeit etwa € 250,-. Man dürfte somit bei einzelnen Behandlungen nur wenige Minuten benötigen, selbstverständlich inklusive Aufklärung, hygienische Vorbereitung des Arbeitsplatzes, und Aufbereitung der Instrumente. (Die Kosten für einen Patientenwechsel liegen derzeit bei etwa € 8,-). Man muss kein besonderer Wirtschaftsexperte sein, um zu bemerken, dass sich das nicht rechnen kann. Man kann also eigentlich nur durch hohe Patientenfrequenz einigermaßen über die Runden kommen. Auf der Strecke bleibt die Empathie und das Umfeld, dass wir unseren Patienten angedeihen lassen wollen. Dies führt irgendwann zu Frust und Verlust. Verlust an der Freude an der Arbeit und an der Lust am Betreiben einer Kassenordination. Natürlich kompensiert der „kassenfreie Raum“ – die Privatleistungen – seit Jahrzehnten das finanzielle Missverhältnis zwischen Leistung und Kassenhonorar. Dies ist den Kassenvertretern bekannt, auch wenn sie darüber
schweigen. Aber die Entwicklung der Preise durch Inflation, Krisen, etc. ließen den „Polster“ durch die Privatleistungen rasch dahinschmelzen. Die Privatpreise können nicht ad infinitum erhöht werden. Schon jetzt hat auch für gut Mittelstandsfamilien eine hochwertige Zahnversorgung die finanzielle Schmerzgrenze erreicht. Wenn dann auch noch ein oder zwei Kinder mit IOTN2 oder IOTN3 (also ohne jegliche Kassenunterstützung) kieferorthopädische Behandlungen benötigen, wird es finanziell eng.

Wie sieht es bei Wahlzahnärzten und den Privatzahnärzten aus?

Diese beiden Berufsgruppen scheinen vordergründig von den defizitären Kassenhonoraren naturgemäß nicht betroffen. Tatsächlich sind die Wahlzahnärzte sehr wohl betroffen. Historisch betrachtet entstand der Wahlzahnarzt in einer Zeit, als Kassenplanstellen kaum zu bekommen waren. Diese hatten sich freiwillig verpflichtet sich an den Kassentarifen zu orientieren, ja diese einzuhalten, sodass die Patienten ursprünglich sogar die volle Rückerstattung erhalten haben. Privatzahnärzte hatten seit jeher freie Preisvereinbarung mit den Patienten und müssen sich nur an den AHR, den autonomen Honorarrichtlinien, der ÖZÄK orientieren. Bei kassenleistungskonform ausgestellten Honorarnoten erhalten auch Patienten von Privatzahnärzten die 80-prozentige Rückvergütung gemessen am Kassentarif der Leistung. Die nicht kostendeckenden Kassenhonorare haben die Wahlzahnärzte verständlicherweise genötigt, ihre Honorare weg vom Kassentarif massiv anzuheben, mit der Folge, dass die Rückerstattung für die Patienten anteilig immer weniger wird. Achtung! – Dieses System ist nicht beliebig ausdehnbar, die Menge der Leute, die sich das alles leisten können, wird nicht größer. Die logische Folge wäre eine Verschlechterung der Zahnversorgung der österreichischen Bevölkerung. In andere Länder sehen wir leider schon deutliche Zeichen dafür. So weit darf es in Österreich nicht kommen. Vor dem Hintergrund der Überlegungen unseres Gesundheitsministers und der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Allgemeinmedizinern lässt es einen erschaudern. Einerseits soll die Medizin in den niedergelassenen Bereich ausgelagert werden, um die Krankenkassen zu entlasten. Andererseits wird der niedergelassene Bereich mit langfristig existenzbedrohlichen Tarifen abgespeist. Ein gutes Sparmodell zumindest aus der Sicht der Krankenkasse. Daher sollen die mehr als hundert neuen Allgemeinmediziner mit „attraktiven Unterstützungen“, von 100.000,– Euro ist die Rede, geködert werden. Wenn dann die Unterstützung ausläuft?... Primärversorgungszentren (die lt. Bundesminister Rauch im Jahr 2023 „nicht unbedingt privat finanziert werden müssen“) und Ambulatorien sollen die Versorgung gewährleisten. Die Anzahl der Kassenambulatorien soll noch weiter vermehrt werden. Mit welchen Ärzten? Diese Ärzte sind nicht da, die werden irgendwo anders abgeworben und fehlen dann dort. Dies ist derzeit in der Zahnheilkunde noch nicht oder nur schleichend in Umsetzung, aber die Pläne sind vorhanden. Ich kenne kein Ambulatorium, das bei betriebswirtschaftlich korrekter Rechnung nicht defizitär läuft. Daher werden die Primärversorgungszentren mit € 150.000,– pro Jahr gesponsert. Soweit zu fairen Wettbewerbsbedingungen. Politisch sehr durchsichtig. In unserem Bereich wurde von der Krankenkasse in den letzten Jahren immer wieder versucht einseitig Änderungen am Kassenvertrag ohne Verhandlungen durch „Satzungsänderungen“ durchzusetzen. Dies wurde bei wesentlichen Dingen stets von der Zahnärztekammer erfolgreich pariert. Die Standesvertretung der letzten zweieinhalb Jahre hat gegenüber der Krankenkasse aber scheinbar die Büchse der Pandora geöffnet und statt Widerstand zu leisten, sich mehr als Sprachrohr der Sozialversicherungen betätigt, als den Berufsstand vor Schaden zu bewahren. Wir wurden informiert, was „die Kasse nicht akzeptiert“ oder die „Kasse streicht“, anstatt der Kasse mit dem Vertragsinhalt die sprichwörtliche Rute ins Fenster zu stellen. Leistungskürzungen erfolgen unter anderem durch Streichung von Klammerkronen, Ablehnung von Immediatprothesen, etc. Zusätzlich werden neue Bewilligungshürden durch Anforderungen von Schriftstücken, Röntgenbildern etc. eingezogen. Die Begehrlichkeiten werden angesichts mangelnden Widerstands weiter steigen. Die Kassentarife werden zwar jährlich erhöht, angesichts der aktuellen Kostenentwicklung und Preissteigerungen allerdings um einen lächerlichen Betrag. Die Weiterentwicklung in den einzelnen Disziplinen (z.B.: Endodontie, Chirurgie, etc.) wird ignoriert. Da müssten die Tarife punktuell um 100% und mehr gesteigert werden! Der an sich uralte Leistungskatalog (Sie erinnern sich vielleicht noch an die Kampagne „Zahn - STEIN – Zeit) wurde zwar geringfügig modifiziert, ist jedoch im Wesentlichen gleichgeblieben. Alles in Allem entsteht mehr und mehr ein Kesseltreiben, an dessen Ende, bei fehlendem standespolitischen Engagement und ungeschicktem Vorgehen unserer Standesvertretung, langfristig das Ende des freien Berufsstandes der niedergelassenen Zahnarztordination drohen könnte. Wir müssen unseren jungen Kolleginnen und Kollegen eine existenzsichernde Perspektive schaffen bzw. hinterlassen. Unser Beruf darf nicht als beliebig austauschbare „Arbeitsameise“ in irgendeinem Ambulatorium enden. Die im Allgemeinen ohnedies kaum mehr vorhandene freie Arztwahl darf wenigstens in der Zahnheilkunde nicht verloren gehen. Sollte es jemals einen neuen, wirklich neuen Leistungskatalog bzw. Kassenvertrag geben, wird wahrscheinlich das traditionelle System aus finanziellen Gründen durch die Sozialversicherung nicht aufrecht zu erhalten sein. Es wird aber immer eine Grundversorgung geben müssen, die allen, aber vor allem den bedürftigen Bevölkerungsschichten, zu Teil wird. Letztere am besten ohne Selbstbehalte. Es wird Zeit mit Härte und auch einzufordernder Wertschätzung unserer Tätigkeit, mit der Politik und Sozialversicherungen in ernsthafte Verhandlungen zu treten. Sollte man uns abblitzen lassen, was durchaus möglich ist, werden Aktionen und Kampfmaßnahmen unvermeidbar sein. Sonst könnte es zu spät sein. Vordergründig mag es so erscheinen, dass es nur um das Wohlergehen unseres Berufsstandes geht, nein – nur durch unsere Existenzsicherung ist die von allen Patienten erhoffte, einfühlsame und empathische Behandlung mit modernen Methoden bei freier Arztwahl gesichert.

OMR Dr. Franz Hastermann, FA für ZMK
seit 1991 Kassenordination in Wien
1991-2005 Referent der Kurie Zahn /
Ärztekammer f. Wien
2006 -2021 Referent der
Landeszahnärztekammer Wien
Präsident des zahnärztlichen
Interessenverband Österreichs (ZIV)

OMR Dr. Franz Hastermann