Neuigkeiten aus Salzburg: MKG-Chirurgie – Zeit für ein Update

Vor rund sieben Jahren brachten wir das bislang letzte Interview mit Prof. DDr. Alexander Gaggl, dem Vorstand der Salzburger Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Zeit für ein Update!

Was hat sich seit unserem letzten Gespräch alles getan?

GAGGL: Wir haben zwei bis drei Mitarbeiter mehr, die Frauenquote ist höher, und wir decken weiterhin die ganze MKG-Chirurgie ab. Stark etabliert hat sich die Fehlbildungschirurgie, es geht hier nicht selten um schwere Fehlbildungen. Bei Kindern mit kraniofazialen Anomalien haben wir ständig steigende Zahlen, die Patienten kommen nicht nur aus Österreich, sondern auch aus dem Ausland zu uns. Mittlerweile sind wir ein Expertisezentrum für LKG-Spalten und kraniofaziale Fehlbildungen und besitzen eine Zuerkennung als Typ-BZentrum für seltene Erkrankungen. Wir sind damit ein nationales Zentrum, aber auch ein European Reference Centre. In der Wiederherstellungschirurgie kommen modernste Verfahren zum Einsatz, und wir nutzen 3-D-Druck auch für Implantate für den Schädelbereich – Jochbein, Augenhöhle, Mittelgesicht. Das Implantat wird direkt im Haus unter Reinraumbedingungen patientenspezifisch hergestellt, vor allem für die Behandlung von Defekten nach Tumoren oder Unfällen. Es handelt sich hier um den 1. In-House-Druck, den wir zusammen mit der EDV und der Neurochirurgie etabliert haben. Der Indikationsbereich wird weiter ausgebaut. Verwendet wird biokompatibles PEEK (Polyetheretherketon). Kraniosynostosen können wir unter anderem auch endoskopisch minimal-invasiv operieren, wenn das Kind frühzeitig vorgestellt wird. Eine endoskopische Operation mit kürzerer Aufenthaltsdauer und weniger Blutverlust ist bis zum (vollendeten) 3. Lebensmonat möglich. Es folgt dann eine Helmtherapie, und der Schädel kann harmonisch wachsen. Bei Erwachsenen und größeren Kindern erfolgt eine Umstellungs-OP, und es kommen Implantate und Auflagerungsplastiken zum Einsatz. Wir besitzen auch einen der modernsten OPs Österreichs mit intraoperativer 3-D-Bildgebung und einer entsprechenden Navigationsanlage, CT- und MRT-Bilder können direkt eingespielt werden. Dies erleichtert zum Beispiel die Entfernung von Tumoren an der Schädelbasis oder den exakten Einbau von Implantaten.

Werden noch Entwicklungen und Erfindungen Ihres Vorgängers Prof. Krenkel genutzt?

GAGGL: Ja, etwa das Okulometer für die Positionierung der Augäpfel, weitere OP-Übertragungshilfen oder der Kieferhöhlenballon bei plastischen Operationen. Nicht unerwähnt soll dabei der Beitrag des Technikers Georg Lixl bleiben, der letztes Jahr verstorben ist.

Führen Sie weiterhin Auslandseinsätze durch?

GAGGL: Ja, DDr. Lux, Doz. Brandner, Dr. Rippel und ich sind hier aktiv, und zwar (derzeit) in Vietnam und Angola.

Gibt es bei Ihnen Nachwuchsprobleme?

GAGGL: Für Stellen, die offen waren, finden wir gute Nachbesetzungen. Wir haben aber weniger Bewerber als vor 10 Jahren. Ich bin aber optimistisch, dass wir den Personalstand dauerhaft halten können.

Welche Veranstaltung möchten Sie ankündigen?

GAGGL: Am 11. und 12. April 2025 findet bei uns in Salzburg der Kongress der Österreichischen Gesellschaft für LKG-Spalten und Kraniofaziale Anomalien statt. Es haben bereits hervorragende Gastredner aus Deutschland und Italien zugesagt.

Wie sieht Ihr Blick in die Zukunft aus?

GAGGL: Ich gehe von weiteren Verbesserungen bei 3-dimensionalen Planungen und der direkten und indirekten Bildgebung aus, weiters von einer Präzisionserhöhung bei der Übertragung der Planung in den OP-Bereich. 3-D-Druck für Implantate und mit Stammzellen beschichtete Transplantate werden zunehmend an Bedeutung gewinnen. Wir werden Anteile von Geweben, Organe (im Sinne von mehreren Geweben) und Organteile transplantieren. Ich sehe in diesen Bereichen sehr viele Möglichkeiten der Entwicklung; einer langsamen, aber stetigen Entwicklung. In 10 bis 15 Jahren rechne ich mit individuell selbstauflösenden Implantaten, die der Körper durch eigenes Gewebe ersetzt. Weiters denke ich, dass die robotische Chirurgie, an deren Entwicklung wir mitgearbeitet haben, günstiger wird und es zu einem Ausbau kommt – und zu einer Miniaturisierung.

Gibt es noch einen Punkt, der Ihnen besonders am Herzen liegt?

GAGGL: Wir leben ja in Zeiten der Personalnotstände und Kündigungen. Ich hoffe, dass sich wieder mehr die Auffassung durchsetzt, dass Arbeit nicht Leid und Kummer ist, sondern Glück und Freude bedeuten kann. Es geht im Leben doch auch darum, was man für andere Menschen tun kann. Arbeit ist ein Teil des Lebens – umso besser, wenn es sich so wie bei uns um eine schöne, sinnvolle und soziale Tätigkeit handelt.

Herzlichen Dank für das Interview!

Priv.-Doz. Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

 

Prof. DDr. Alexander Gaggl