Endodontale und parodontale Entzündungen: Enterokokken – opportunistische Erreger in oralen Biofilmen

Enterokokken sind kugelförmige, grampositive, fakultativ anaerobe Bakterien, welche ubiquitär in Trinkwasser, fermentierten Lebensmitteln sowie im Darm von Menschen und Tieren vorkommen.

Die beiden Spezies Enterococcus faecalis und Enterococcus faecium sind allerdings opportunistische Pathogene, welche besonders bei immunschwachen Patienten schwere Krankheitsbilder wie Harnwegs- und Wundinfektionen, postoperative Peritonitis, Meningitis und neonatale Infektionen bis hin zu Sepsis verursachen können. Neue Studien bestätigen auch einen Zusammenhang mit biofilmassoziierten Infektionen, meist in Verbindung mit multiresistenten Enterokokkenstämmen wie den VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken).

Persistenz in Wurzelkanälen verursacht endodontale Infektionen

E. faecalis und E. faecium sind gelegentlich als transiente Komponenten der oralen Mikroflora in der Saliva und auf Schleimhautoberflächen nachweisbar, kommen aber in der gesunden Mundhöhle nur in geringer Kolonisationsdichte vor. Deutlich häufiger, nämlich bis zu 35%, findet man sie in tiefen Zahnfleischtaschen bei fortgeschrittenen Parodontalerkrankungen, bei Periimplantitis, bei apikaler Parodontitis und beim akuten parodontalen Abszess. Die meisten Nachweise gibt es allerdings bei persistierenden periradikulären endodontalen Infektionen in gefüllten Wurzelkanälen. E. faecalis gilt als einer der Hauptverursacher für ein Versagen endodontischer Eingriffe. Er stellt hier häufig die dominante Spezies mit einer Präsenz von 79 bis 90% dar. Im Wurzelkanal ist er teils in Reinkultur vorhanden, teils auch vergesellschaftet mit Parodontalkeimen wie Fusobacterium nucleatum und Parvimonas micra sowie dem mit Halitosis assoziierten Solobacterium moorei. Was prädestiniert nun einen primär nicht oralen Mikroorganismus, sich im Wurzelkanal trotz intrakanalikulärer Desinfektion und Medikation erfolgreich zu etablieren und von dort ausgehend gewebedestruktive intra- und periradikuläre Entzündungen auszulösen und aufrechtzuerhalten? Die Persistenz von Enterococcus faecalis erklärt sich vor allem durch seine hohe Resistenz gegenüber Desinfektionsmitteln. Ziel einer Wurzelbehandlung ist es, die gesamte nekrotische Pulpa zu entfernen, die viablen Mikroorganismen zu eliminieren und abzutöten. Probleme ergeben sich allerdings, wenn Wurzelkanäle unzureichend gereinigt oder bei unübersichtlicher Lage sogar übersehen werden. Verbleibende Keime können sich dann nach abgeschlossener Behandlung vermehren und erheblichen Schaden anrichten. Bei E. faecalis kommt erschwerend hinzu, dass er auch durch eine adäquate Irrigation mit Sodiumhypochlorit (NaoCl) nicht vollständig eradizierbar ist. Er überlebt Spülungen mit Sodium Dodecylsulfat, Hydrogenoxid und Ethanol und erträgt sowohl saures als auch alkalisches Milieu. Über die Aktivierung einer Protonenpumpe kann er Protonen in die Zellen einbringen und damit die durch Applikation von Ca(OH)2 verursachte Alkalität in seiner Umgebung kompensieren.

Periradikuläre Inflammation durch Virulenzfaktoren

E. faecalis kann sich ausgezeichnet an sehr unwirtliche Umweltbedingungen anpassen und sich in einem an sich lebensfeindlichen Milieu sogar vermehren. Als fakultativ anaerobes Bakterium benötigt er kaum Sauerstoff, er überlebt in nährstoffarmer und alkalischer Umgebung mit pH-Werten bis zu 11. Enterokokken zählen außerdem zu den erfolgreichsten Biofilmbildnern unter den Bakterien. Auch ohne synergistische Unterstützung durch andere Keime kann E. faecalis in Monokultur komplexe Plaques an den Innenwänden der Wurzelkanäle bilden. Er verfügt über eine Reihe potenter Virulenzfaktoren, wie Oberflächenadhäsine, Aggregationssubstanzen und das E. faecalis-Endocarditis-Antigen. Diese sorgen für ausreichende Haftung an der Oberfläche eukaryotischer Zellen und bilden damit eine Voraussetzung für die Biofilmbildung, zudem wird ein Eindringen in tiefere Gewebeschichten ermöglicht. Cytolysine, Lipoteichonsäure, Haemolysine, Hyaluronidase und Gelatinase werden von etwa 2/3 der Keime exprimiert. E. faecalis stimuliert Cytokine wie TNFa, TNFß und y-Interferon. Damit wird der periradikuläre Entzündungsprozess in Gang gesetzt und alveolärer Knochen abgebaut.

Horizontaler Gentransfer in Biofilmen

In der schützenden Matrix von Biofilmen sind Enterokokken fast vollständig gegen bakterizide Substanzen wie Antibiotika geschützt. Sie entwickeln multiple Resistenzen und können diese Information über den horizontalen Gentransfer sowohl inter- als auch zwischenartlich weitergeben. So kann beispielsweise die gefürchtete Vancomycinresistenz zwischen E. faecalis und Staphylococcus aureus ausgetauscht werden. Gene für Aggregation und für die Promotion der Bindung an Zellen des Wirtsgewebes sowie für Schutzmechanismen gegen neutrophile Granulozyten liegen auf extrachromosomalen Plasmiden, welche bei der Konjugation von Bakterien vermehrt und unabhängig vom restlichen Genom transferiert werden. Enterokokken mit multiplen Resistenzen sind nicht nur eine Gefahr für die oralen Gewebe. Da sie, ausgehend von den beherdeten Zähnen, über den Blutweg in den gesamten Körper gelangen können, sind sie vor allem für ältere und immunschwache Patienten ein ernstzunehmendes Problem. Infizierte Wurzelkanäle und tiefe Zahnfleischtaschen werden zu gefährlichen Streuherden. Die Eradikation von Enterokokken ist zwar schwierig, aber durch die Verwendung zusätzlicher Antiseptika, wie etwa Chlorhexidin-haltiger Spülungen bei Wurzelbehandlungen, nicht unmöglich. Derzeit noch im Versuchsstadium sind Therapieansätze mit speziell an E. faecalis angepassten lytischen Phagen. Die Sanierung parodontaler und endodontaler Läsionen ist in jedem Fall Voraussetzung zur Vermeidung schwerer lokaler und systemischer Schäden durch diese oft unterschätzten Bakterien.

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at