Teil 2: Enterobakterien und Pseudomonas im subgingivalen Biofilm: Atypische nicht-orale Keime im Sulkus – Gefahr für Zähne & Körper

Die Mundhöhle bietet aufgrund ihrer exponierten Lage und der Möglichkeit zur Besiedelung unterschiedlicher ökologischer Nischen ein Reservoir für primär nicht-orale pathogene Mikroorganismen.

Besonders vorbestehende entzündliche Läsionen wie Parodontitis, Gingivitis und Mukositis begünstigen die Etablierung gramnegativer, oft multiresistenter Enterobakterien. Aber auch Wachstum und Vermehrung von Pseudomonas aeroginosa und Enterokokken werden massiv gefördert. Dentale Biofilme beherbergen im Falle einer floriden Parodontitis mehr als 1011 Mikroorganismen/mg, darunter die genannten, nicht primär der Mundflora zugehörigen Erreger. Diese können nicht nur zu einer Progression der oralen Krankheitsbilder beitragen, sondern über bakteriämische Aussaat auch systemische Schäden an Herz, Blutgefäßen, Lunge und fast allen anderen inneren Organen verursachen. Die Bedeutung von Acinetobacter baumannii mit seinen multiplen Antibiotikaresistenzen und Pathomechanismen wurde bereits im ersten Teil dieses Beitrags (ZMT 10/2021) diskutiert. Untersuchungen der Sulkusflora von Parodontitispatienten haben gezeigt, dass hier der Anteil nicht-oraler pathogener Bakterien sowohl in den Zahnfleischtaschen als auch auf der übrigen Gingiva deutlich höher ist, als bei parodontal Gesunden. Enterobakterien, Enterokokken und auch Eitererreger wie Staphylococcus aureus waren signifikant häufiger vertreten. Diese Keime kommen als passagere Besiedler auch unter gesunden Konditionen in geringen Mengen in der Mundhöhle vor. Der Wechsel von transitorischen zu kolonisierenden, am Krankheitsgeschehen beteiligten Erregern hängt in erster Linie vom immunologischen Status des Wirtes ab. Geschwächte oder überforderte lokale Abwehrmechanismen der oralen Gewebe schaffen die notwendigen Voraussetzungen für eine überproportionale Vermehrung dieser Mikroorganismen, welche im schlimmsten Fall die orale Flora völlig verdrängen und ersetzen.

Enterobakterien

Diese gramnegativen Stäbchenbakterien findet man häufig gemeinsam mit einer anaeroben Mischflora in tiefen Zahnfleischtaschen. Nicht selten persistieren sie nach Eradikation der primären parodontalen Pathogene wie Prevotella und Porphyromonas und führen dann ihrerseits das Entzündungsgeschehen ungehindert oder sogar verstärkt weiter. Die Anwesenheit von Keimen wie E. coli, Enterobacter cloacae, Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis ist eng mit therapierefraktären mukosalen Infektionen und mit Implantatverlust assoziiert. Koaggregation und Synergismen mit oralen Hefen wie Candida albicans fördern ihr Wachstum und ihre Aktivität. Ähnlich wie viele „Parodontitiskeime“ können sie über die Freisetzung von Toxinen, Degradation von Immunglobulinen und die Produktion von Proteasen und Kollagenasen gewebeinvasiv werden. Patienten mit geschwächter Immunabwehr wie Diabetiker oder Menschen unter immunsuppressiver Therapie sind durch diese Erreger akut gefährdet. Die Streuung aus dem Mund in die tiefen Atemwege kann bei ihnen zu lebensbedrohlichen schweren respiratorischen Infektionen führen.

Enterokokken

Enterokokken haben ähnlich wie Enterobakterien ihr natürliches Habitat im Darm. In der Mundhöhle findet man Enterococcus faecalis nicht selten in parodontalen und kariösen Läsionen. Enterococcus kann sich problemlos in Biofilme integrieren und mit Keimen der Mundhöhle zu seinem Vorteil koaggregieren. Dabei unterdrückt er die grampositive Primärflora mit Keimen wie Streptococcus oralis. Es gilt heute als erwiesen, dass das Bakterium ein wichtiger Mitverursacher primärer und sekundärer endodontischer Infektionen ist und in den Wurzelkanälen toter Zähne bis zu zwölf Monate persistiert. Problematisch ist das vermehrte Auftreten resistenter Stämme, vor allem der sogenannten VRE (vancomycinresistente Enterokokken). Bei abwehrschwachen Patienten besteht bei Disseminierung solcher Keime die Gefahr schwerwiegender Komplikationen bis hin zu infektiöser Endokarditis.

Pseudomonas aeroginosa

Der Keim, ein gramnegatives Stäbchenbakterium, ist ein häufiger Erreger nosokomialer Infektionen der unteren Atemwege. Seine Präsenz im subgingivalen Biofilm und im Speichel ist bei Patienten mit vorbestehenden Lungenerkrankungen wie zystischer Fibrose, aber auch bei einer chronischen obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) gefürchtet. Pseudomonas kann über Aspiration, im Krankenhaus auch im Rahmen einer Bronchoskopie oder beim Intubieren, in das Bronchialsystem gelangen. Das Bakterium beteiligt sich an der Bildung pathogener Biofilme und ist Mitverursacher von Periimplantitis bis hin zum Implantatverlust. Gesundheit von Mund und Organismus soll und kann heute nicht mehr getrennt betrachtet und interpretiert werden. Die Vielfalt der bakteriellen Interaktionen im Ökosystem Mundhöhle und deren Auswirkungen auf die systemische Gesundheit machen es in zunehmendem Maß erforderlich, Störungen im oralen Mikrobiom rechtzeitig zu detektieren und Maßnahmen zur Wiederherstellung einer Homöostase zu setzen.

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at

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