Vitamine und Parodontitis Teil 2: Die „echten“ Vitamine

Im Gegensatz zu Vitamin D, welches auf Grund seiner Struktur den Steroidhormonen zuzurechnen ist, sind die nachfolgend diskutierten Wirkstoffe „echte Vitamine“. Diese kann unser Organismus nicht selbst synthetisieren, sie müssen mit der Nahrung zugeführt werden.

Die Bedeutung von Vitamin C für die Mundgesundheit ist seit langem bekannt. Vitamin C, ursprünglich unter dem Namen Hexuronsäure bekannt, ist die biologisch aktive L(+)-Form der Ascorbinsäure. Deren Name leitet sich von ihrer wohl bekanntesten, heute glücklicherweise selten gewordenen Mangelerscheinung, dem Skorbut ab. Die Aufklärung der chemischen Struktur von Vitamin C geht auf W.N. Haworth und E. Hirst zurück.Vitamin C wird im Körper für Prozesse wie die Kollagensynthese benötigt, agiert als Kofaktor von Enzymen und schützt als Radikalfänger Zellen und Gewebe vor oxidativem Stress. In diesem Zusammenhang steht auch seine Bedeutung für die Prävention gingivaler und parodontaler Entzündungen. In den letzten zwei Jahrzehnten wurde der Zusammenhang zwischen Vitamin-C-Aufnahme, Vitamin-C- Spiegel im Plasma und parodontalen Erkrankungen epidemiologisch und klinisch untersucht. Gingivitis und Parodontitis zählen zu den global häufigsten mikrobiell bedingten chronisch entzündlichen Erkrankungen. Als Antwort auf die Virulenzfaktoren aggressiver Keime kommt es zum Austritt polymorphkerniger Leukozyten aus den gin- givaversorgenden Gefäßen und zu einem massiven inflammatorischen Wirtsrespons. Diese Pathomechanismen führen zur Zerstörung der oralen Hart- und Weichgewebe und in der Folge zur Lockerung und zum Verlust der betroffenen Zähne. Darüber hinaus steht eine floride Parodontitis in enger Wechselwirkung mit zahlreichen systemischen Leiden, welche von schweren Stoffwechselstörungen über Herz- und Gefäßerkrankungen bis zur Progression maligner Tumoren reichen. Die Therapie umfasst neben der Eradikation aggressiver Keime auch rege-nerationsfördernde und restaurative Maßnahmen und setzt sich aus zahlreichen unterstützenden, an die individuellen Bedürfnisse des Patienten angepassten Bausteinen zusammen. Eine ausgewogene Ernährung und die damit einhergehende optimale Versorgung mit Vitaminen spielen dabei eine wichtige Rolle.

Diabetiker haben niedrige Vitamin-C-Serumspiegel

Über eine Aktivierung intrazellulärer pathways werden ROS (reactive oxygen species) in hoher Konzentration freigesetzt. Patienten mit progredienten Entzündungen der Gingiva und des Parodontiums haben eine signifikant niedrigere Vitamin-C-Aufnahme und niedrigere Blutspiegel dieses Wirkstoffes. Zusätzliche Gaben von Vitamin C verringern im Falle einer Gingivitis die Blutung und sind damit ein wichtiger Beitrag zur Verhinderung des Übergangs zu einer Parodontitis mit irreversiblen Schäden für den Zahnhalteapparat. Tsutsumi et al. konnten durch lokale Applikation von Vitamin-C-haltigem Magnesiumsalz einen positiven Effekt auf die Kollagensynthese und eine Reduktion der ROS-verursachten Entzündung der gingivalen Fibroblasten nachweisen. Vitamin C, als Gel appliziert, fördert die Wundheilung und nachfolgende Osseointegration von dentalen Implantaten. Von besonderem Interesse ist der Konnex zwischen Vitamin-C-Versorgung und parodontalen Schäden bei Diabetikern. Diabetes mellitus II ist bekanntlich ein massiver Trigger für aggressive Parodontalerkrankungen, welche ihrerseits negativ auf den metabolischen Status der Patienten zurückwirken. Studien zeigten, dass Diabetiker deutlich niedrigere Ascorbinsäurelevels im Blut aufwiesen als Gesunde. Ursache dafür ist eine Verminderung des Vitamin-C-Transports in die Zellen, bedingt durch die erhöhten Glukosewerte im Blut. Das Vitamin kann seine Aufgaben im Organismus dadurch nur eingeschränkt erfüllen. Zusätzliche Vitamingaben können allerdings die Funktionen der spezifischen und unspezifischen Abwehr bei Diabetikern deutlich verbessern, was sich positiv auf den parodontalen Status auswirkt. Auch bei Rauchern bestehen enge Zusammenhänge zwischen Vitamin-C-Aufnahme und Mundgesundheit. Raucher haben, bedingt durch den tabakinduzierten oxidativen Stress, niedrigere Vitamin-C-Werte im Blut. Ob der fehlende antioxidative Effekt der Ascorbinsäure auch hier durch vermehrte Zufuhr des Wirkstoffes kompensiert werden kann, ist Gegenstand aktueller Untersuchungen.

Vitamin-A-Mangel schädigt die Schleimhautbarriere

Vitamin A (Retinol) ist ein fettlösliches Vitamin, welches für Reifung, Differenzierung und Keratinisierung der Zellen und damit für Integrität der oralen Schleimhaut von Bedeutung ist. Die bekanntesten Mangelerscheinungen sind Sehstörungen, wie Nachtblindheit. Tatsächlich ist eine ausreichende Versorgung mit Retinol auch für die Blutbildung, das Immunsystem sowie für die Synthese von Hormonen, für das Nervensystem und für Knochenbildung und
-heilung notwendig. Normalerweise wird Vitamin A zu 90% aus der Nahrung im Darm absorbiert und zu Retinol hydrolysiert. Der Stoffwechsel dieses Vitamins geht über RBOs (Retinolbindeproteine), welche den Wirkstoff für den Körper nutzbar machen. Bei Überschuss oder Mangel an diesen Proteinen kommt es zu Hypo- oder Hypervitaminosen. Im Mund führt ein Mangel an Vitamin A zu einer Atrophie der Mukosa und zu Wundheilungsstörungen.
Die beeinträchtigte Schleimhautbarriere erleichtert das Eindringen potenziell pathogener Bakterien und Hefen. In der Folge kommt es zu Entzündungen wie Gingivitis, Parodontitis und Mukositis. Ein unausgewogener Vitamin-A-Haushalt spielt auch bei Erkrankungen wie der submukösen Fibrose und der oralen Leukoplakie eine auslösende und betreibende Rolle. Eine Medikation mit Vitamin A hat allerdings mit großer Vorsicht und nur unter internistischer Kontrolle zu erfolgen, da es leicht zu gefährlichen Hypervitaminosen kommen kann.Vitamin-B-Komplex verbessert die Wundheilung. Diese Wirkstoffe spielen eine wichtige Rolle im Zellstoffwechsel. Orale Auswirkungen eines Vitaminmangels sind neben Glossitis und Mundwinkelrhagaden auch parodontale Entzündungen. Niedere Vitamin B12-Spiegel korrelieren signifikant mit Schwere und Progression einer Parodontitis. Eine klinische Studie zeigte, dass die Gabe des VitaminB-Komplexes zu einer Verbesserung der Wundheilung nach parodontalen Flap-Operationen beträgt.

Vitamin E und K unterstützen die Mundgesundheit

Die Bedeutung beider Gruppen für die parodontale Gesundheit bedarf noch weiterer Untersuchungen. Vitamin E (Tocopherol) ist ein Antioxidans, das die Membranlipide der Zellen vor Peroxidation schützt. Ähnlich wie auch bei Vitamin C, kommt diese Eigenschaft von Tocopherol der Erhaltung der parodontalen Gesundheit zu Gute. Vitamin-K hat neben der Bedeutung für die Blutgerinnung auch Einfluss auf die Proteinsynthese, besonders im Rahmen des Knochenstoffwechsels. Allerdings konnte bisher kein gesicherter Zusammenhang zwischen Vitamin K-Gaben und einer Reduktion von Zahnfleischentzündungen nachgewiesen werden.Ähnlich wie Spurenelemente und Mineralstoffe sind auch Vitamine ein wichtiger Baustein zur Erhaltung und Wiederherstellung der Mundgesundheit. Die Früherkennung möglicher Mangelerscheinungen und entsprechende Therapien helfen auch im zahnmedizinischen Bereich einen optimalen Behandlungserfolg zu erzielen.

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at