Vitamine – Faktoren zur Erhaltung der Mundgesundheit Teil 1: Vitamin D – ein Wirkstoff mit Hormonfunktion

Neben Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten und Mineralstoffen benötigt unser Körper zur Aufrechterhaltung seiner Funktionen auch Vitamine. Mit einer Ausnahme, nämlich dem Vitamin D, sind dies Wirkstoffe, welche unser Organismus selbst nicht synthetisieren kann und deshalb mit der Nahrung aufnehmen muss.

Vitamine erfüllen zahlreiche Aufgaben im Zellstoffwechsel und spielen auch in der Wahrung der Integrität der oralen Hart- und Weichgewebe eine wichtige Rolle. Von besonderer Bedeutung für die Mundgesundheit sind Vitamin A, B-Komplex, C und das eigentlich zur Gruppe der Steroidhormone zählende Vitamin D. Wie aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, kommt letzterem im zahnmedizinischen Bereich weit mehr Bedeutung zu, als bisher angenommen.

Vitamin D verhindert Osteopenie der Kieferknochen

Eine ausgeglichene Bilanz von Vitamin D ist ein wesentlicher Faktor für die orale Homöostase. Allerdings haben 30% der Weltbevölkerung manifeste Vitamin-D-Defizite mit einem Serumspiegel unter 20ng/ml; das Optimum würde bei 30ng/ml liegen. Eine Vitamin-D-Insuffizienz ist ein Risikofaktor für zahlreiche systemische Erkrankungen wie Bluthochdruck, Darmkrankheiten, metabolische und kardiovaskuläre Störungen, chronische Infekte und auch für Karies und Parodontitis.
Vitamin D ist ein fettlöslicher Wirkstoff aus der Gruppe der Secosteroide, welcher lediglich aus historischen Gründen zu den Vitaminen gezählt wird. Da unser Körper die Bausteine selbst synthetisiert, ist die korrekte Bezeichnung nach heutigem Wissensstand Hormon D3. In der Haut wird unter Einwirkung von UVB- Strahlung aus 7-Dehydrocholesterol zunächst inaktives Provitamin D3 gebildet. Über Zwischenstufen in Leber und Niere wird es zu seiner aktiven Form, dem Calcitriol, umgewandelt. Aktives Vitamin D3 fördert im Darm die Absorption von Kalzium, Magnesium, Phosphat und Spurenelementen. Neben der Aufnahme dieser Mineralstoffe aktiviert D3 die Osteoblasten und die Differenzierung und Verkalkung der Knochenmatrix. Stabilität und Festigkeit der Alveolarknochen korrelieren mit der Knochendichte des übrigen Skeletts. Eine Osteopenie hat deshalb direkte negative Auswirkungen auf den Zahnhalteapparat. Bei chronischer Parodontitis kann ein Mangel dieses Steroidhormons zu einer raschen Progression der Erkrankung führen. Ebenso ist bei unzureichendem Knochenmetabolismus eine erfolgreiche Osseointegration von Zahnimplantaten gefährdet.

Mangel an Vitamin D3 begünstigt chronische Entzündungen

Neben der allgemein bekannten Korrelation zwischen Vitamin-D-Mangel und pathologischen Knochenveränderungen führt ein unzureichender Serumspiegel zu Störungen der Immunabwehr. Damit besteht erhöhte Infektionsgefahr durch oral-pathogene Keime und eine verstärkte Neigung zu chronischen entzündlichen Erkrankungen wie Parodontitis. Eine floride Parodontalerkrankung geht mit einem Switch in der Zusammensetzung des oralen Mikrobioms einher. Damit kommt es auch zu Veränderungen in der Kommunikation zwischen der Mikroflora und dem Wirtsgewebe. Die Virulenzfaktoren der nun dominierenden aggressiven anaeroben Bakterien induzieren eine überschießende Immunreaktion, welche ihrerseits die Gewebe des Zahnhalteapparates massiv alteriert.
Die Zellen des oralen Epithels können inaktives Vitamin D in seine aktive Form umwandeln. Das Steroidhormon hat modulierende Wirkung auf das Immunsystem und wirkt antiinflammatorisch. Bestimmte Komponenten der Abwehr, wie die Monozyten, werden gefördert, andere, wie der MHC (Major Histocompatibility complex) oder die Reifung dendritische Zellen hingegen inhibiert oder downreguliert. Über die Induktion der Synthese von Peptid LL-37 wird die Abwehr potenziell pathogener Keime gefördert.

Rezeptorpolymorphismus als Risikofaktor

Die Bedeutung von Vitamin D für den allgemeinen gesundheitlichen Status und im Speziellen für die parodontalen Gewebe zeigt sich in der Auswirkung eines genetisch bedingten Vitamin-D-Rezeptor-Polymorphismus. Dieser Rezeptor, kurz VRD, findet sich intrazellulär in zahlreichen Geweben und gehört wie die Rezeptoren für andere Steroidhormone zur Superfamilie der „transacting regulatory factors“. Beim mutierten Genotyp II wird die zelluläre Signalkette alteriert und in der Folge werden sowohl der Kalziumstoffwechsel als auch die Immunregulation negativ beeinflusst. VDR-Genoyp II ist nachweislich mit aggressiver Parodontitis assoziiert. Es kommt zu progredientem Abbau des Alveolarknochens und zu einem inadäquaten Immunresponse auf parodontale Pathogene.
Bei therapierefraktären Parodontopathien ist neben anderen systemischen Ursachen daher auch eine Abklärung des Serumspiegels von Vitamin D empfehlenswert.

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at