Propionibacterium acnes - Hautkeim als Verursacher oraler Läsionen

Entzündungen von Paro- und Endodont werden durch unterschiedlich zusammengesetzte Kollektive von Mikroorganismen ausgelöst und aufrechterhalten. Das orale Mikrobiom zeigt schon bei gesunden Menschen eine beträchtliche individuelle Variabilität. Exogene und endogene Einflüsse modulieren zusätzlich die Komposition der oralen Biozönose.

Im Falle entzündlicher Erkrankungen der Mundschleimhaut und der Zähne kommt es zu Verschiebungen der Anteile der beteiligten Spezies mit Überhandnehmen von entzündungsassoziierten Mikroorganismen. Letztere sind in vielen Fällen in geringer Menge auch bei mundgesunden Personen nachweisbar und entfalten erst bei einer Destabilisierung des oralen Ökosystems ihr pathogenes Potenzial. Viele der sogenannten Parodontitisbakterien gehören zum gramnegativen, anaeroben oder zumindest fakultativ anaeroben Spektrum.

Opportunistisches Pathogen

Allerdings bestätigen Ausnahmen die Regel. Gerade bei der apikalen Parodontitis und bei Wurzelgranulomen findet man auch grampositive Gattungen wie Actinomyceten, Eubakterien und Rothia. Auffällig häufig kann bei der apikalen, von der Wurzelspitze ausgehenden Parodontitis, aber auch bei aggressiver marginaler Parodontitis Propionibacterium
acnes in hoher Zahl nachgewiesen werden. Es stellt sich daher die Frage nach dem Stellenwert von P. acnes im Zusammenhang mit oralen Läsionen. P. acnes ist ein grampositives, unbewegliches, anaerobes, aber aerotolerantes Stäbchen, welches primär die Haut besiedelt. Mehr als 100 Stämme sind bisher bekannt. In Gleichgewicht mit der übrigen residenten Hautflora ist der Keim nicht von vornherein als Krankheitserreger zu werten. P. acnes zählt vielmehr, wie übrigens auch viele der klassischen Parodontalkeime, zu den opportunistischen Erregern. Dies sind Mikroorganismen, welche vor allem bei schlechter Immunlage oder vorbestehenden Läsionen aktiv werden. Bei Überwuchern kolonisiert P. acnes bevorzugt die Haarbälge und die Sebozyten der Talgdrüsen der Haut und leistet so einen Beitrag zum Krankheitsbild der Acne vulgaris. Doch damit nicht genug: Bei Einbringung des Keims in die Blutbahn kann es zu Absiedelungen an den inneren Organen kommen. Schwere Krankheitsbilder wie Endocarditis, Rhinosinusitis, Endophthalmitis und urogenitale Infekte können die Folge sein.

Risikofaktor für Implantatverlust

Ähnlich wie viele primär orale Bakterien ist auch P. acnes ein typischer Biofilmbildner und deshalb als Auslöser von postoperativen Infektionen an Implantaten gefürchtet. Bisher galt vor allem die intraoperative Einbringung des Hautkeimes als Ursache für den gefürchteten Verlust von Hüft- oder Kniegelenksimplantaten. Die häufige Anwesenheit von P. acnes in endodontischen, aber auch in speziellen parodontalen Herden lässt allerdings auch eine bakteriämische Verbreitung des Keimes, ausgehend von oralen Läsionen vermuten. Besonders das Auftreten von Spätinfektionen an Implantaten, lange nach deren Einheilung, ist in diesem Zusammenhang überlegenswert. Welche Rolle spielt nun P. acnes in der Mundhöhle? Auch beim Gesunden findet sich das Stäbchen in untergeordneter Menge als Teil der normalen Schleimhautflora. Aber ähnlich wie auf der Haut agiert es auch oral als opportunistisches Pathogen. Unter den geeigneten Voraussetzungen kann es sich überproportional vermehren und seine durchaus potenten Virulenzfaktoren gezielt einsetzen. Als mikrobielles Pathogen finden wir es am häufigsten in Zusammenhang mit der chronischen apikalen Parodontitis. Entzündungen im Bereich der Wurzelspitze sind das Resultat einer mikrobiellen Invasion in den Wurzelkanal. Die Ursachen sind kariöse Defekte. Die Keime induzieren zunächst eine Pulpitis und gelangen über den Apex und/oder kleine Kanälchen zum Parodont. Der Ausgangspunkt kann auch eine primär parodontale Läsion mit tiefen Zahnfleischtaschen sein. Die Knochendefekte erreichen dann die Wurzelspitze und infizieren von dort retrograd die Pulpahöhle. Untersuchungen haben gezeigt, dass P. acnes bei refraktären endodontischen Läsionen, welche eine offene Verbindung zur Mundhöhle aufweisen, zu den häufigsten nachweisbaren Erregern zählt. Doch nicht nur in den sehr speziellen Floren der odontogenen Infektionen, auch bei aggressiven Verlaufsformen der marginalen Parodontitis und bei kombinierten parodontalen und endodontalen Infektionen ist dieses Bakterium immer wieder anzutreffen. Gemeinsam mit Keimen wie Pseudomonas aeroginosa, S. aureus und S. sanguis ist P. acnes ein Eitererreger. Er ist mitverantwortlich für die Entstehung von Kieferknochen-osteomyelitis – sein Genom wurde mittels PCR in Knochensequestern der Mandibula identifiziert. Der Keim verfügt über eine Reihe hochwirksamer Pathomechanismen. Zunächst ist das Bakterium zur Adhäsion an Wirtszellen befähigt. Gemeinsam mit synergistisch wirkenden anderen Bakterien bildet P. acnes sowohl in tiefen Zahnfleischtaschen als auch im Wurzelkanal der befallenen Zähne Biofilme. Es produziert Enzyme wie Lyasen, Lipasen, Peptidasen und Hyaluronidasen, welche die oralen Weichgewebe direkt angreifen und die extrazelluläre Matrix des Bindegewebes zerstören. Bei Isolaten von Propionibacterium aus aktiven Zahnfleischtaschen wurde auch Phopholipase-C-Aktivität nachgewiesen. Diese kann synergistisch mit den anderen Virulenzfaktoren den Gewebeuntergang beschleunigen. Über Mukopeptide der Zellwand aktiviert Propionibacterium acnes das Komplement auf dem „alternative pathway“. Zudem induziert der Keim eine Transformation von Lymphozyten. Die Folge ist vermehrte Zytokinbildung, über welche chemotaktisch segmentkernige Leukozyten in die oralen Gewebe eingeschleust werden und dort unter Eiterbildung degranulieren. Die Aktivierung von Osteoklasten treibt zusätzlich den Kieferknochenabbau voran. Eine der gefährlichsten Eigenschaften von P. acnes ist seine Fähigkeit, sich an unterschiedlichen Loci unseres Körpers zu etablieren. Mikrobielle Läsionen der Zähne und der oralen Schleimhaut gehören bekanntlich zu den aktivsten Streuherden der Keimaussaat in den Organismus. Handelsübliche PCRSysteme für orale/parodonale Mikrobiologie haben P. acnes nicht im Programm und selbst mittels Kulturmethode ist der Keim wegen seines sehr langsamen Wachstums nur schwer zu erfassen. Bei effektiver Behandlung parodontaler und endodontischer Läsionen, im Bedarfsfall auch in Kombination mit einer gezielten Antibiose, kann Propionibacterium sehr gut gemeinsam mit den weiteren pathogenen Mikroorganismen eliminiert oder zumindest signifikant reduziert werden. Eine Sanierung oraler Entzündungsherde bereits vor geplanten Gelenkimplantaten und eine engmaschige zahnärztliche Überwachung von Risikopatienten reduzieren von vorherein die Gefahr für Zähne und Körper.

Ch. Eder, L. Schuder

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at