Österreichische Zahnärztekammer: Interview mit dem Präsidenten

Anlässlich des neuen Jahrzehnts führten wir mit Zahnärztekammer-Präsident MR Dr. Thomas Horejs ein Interview zu aktuellen Themen.

Was waren bisher die größten Erfolge unter Ihrer Präsidentschaft?

HOREJS: Die Stärke der Zahnärzte ist ihre Einigkeit. Diese ist aber nicht selbstverständlich, sondern muss ständig erarbeitet werden. Wichtig ist mir der Zusammenhalt der Kolleginnen und Kollegen untereinander. Erfreulich ist sicher die Vereinbarung über die neuen Kassenleistungen vor über einem Jahr. Die Einführung der Glasionomerzementfüllung als Kassenleistung für Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre war der Königsweg in einer schwierigen Ausgangslage, nachdem die Verwendung von Amalgam in diesem Bereich grundsätzlich verboten worden war. Es steht somit sowohl eine adäquate Kassenleistung bereit als auch die Möglichkeit einer Privatleistung in Form einer Kompositfüllung. Und die Einführung der Kindermundhygiene hebt die Hinwendung zur Vorsorgezahnmedizin hervor. Bei beiden Leistungen kann man durchaus von einer angemessenen Honorarhöhe sprechen. Als Erfolg würde ich auch werten, dass wir in Österreich die Freiberuflichkeit der Zahnärztinnen und -ärzte erhalten konnten. Das ist nicht in allen europäischen Ländern der Fall. Die Freiberuflichkeit der Zahnärzte ist in Wirklichkeit im Interesse der Patientinnen und Patienten.

Welchen Zeitaufwand erfordert die standespolitische Tätigkeit pro Woche?

HOREJS: Bei meinem Einstieg in die Standespolitik vor 27 Jahren hielt sich der Zeitaufwand noch in Grenzen. Inzwischen gleicht mein Zeitaufwand einem Vollzeit-Job. Schmerzhaft wird es, wenn Termine im Ministerium, beim Hauptverband etc. mitten in der Ordinationszeit anfallen.

Was sehen Sie als die größten Herausforderungen für die nächsten Jahre an?

HOREJS: Hier ist sicher der Erhalt der sozialen Zahnheilkunde zu nennen. Dies ist zwar die Aufgabe der Kassen, aber die Zahnärztekammer kann sich hier durchaus aktiv einbringen. Gleichzeitig bemühen wir uns, den Privatbereich zu erhalten. Sozialromantiker bei den Kassen wollen einen pauschalierten Betrag für uns, und dann darf es keine Privatleistung mehr geben. Sie wollen ein 5-Gänge-Menü zum Preis einer Gulaschsuppe.

Welche Regionen sind am meisten von freien Kassenstellen betroffen? Welche Problemlösungsmöglichkeiten gibt es? Warum hat die Politik bisher kaum reagiert?

HOREJS: Am stärksten sind Tirol und Salzburg, aber auch Steiermark, Niederösterreich und Oberösterreich betroffen. Der Kassenvertrag muss attraktiver gestaltet wer
den. Wobei hier der Ton die Musik macht. Als abschreckendes Beispiel darf ich die sogenannten Berichtigungslisten anführen. Was der Kassencomputer als Fehler auswirft, ist großteils falsch. Der Zahnarzt muss es dann berichtigen. Daher kommt auch der Name „Berichtigungsliste“. In Salzburg haben wir etwa gesehen, wie das konfrontative Vorgehen der Kasse zur Kündigung des KFO-Vertrages durch alle Vertragskieferorthopäden geführt hat. Und in Tirol beklagen die niedergelassenen Zahnärzte zahlreiche Kassenschikanen. Hier haben die Kassen den Schwenk noch nicht vollzogen. Sie sehen die Zahnärzte als Kostenverursacher. Zahnärzte sind aber Partner, die die Patienten im Rahmen der sozialen Zahnheilkunde versorgen. Die Kassen haben die Dramatik der Situation noch nicht verstanden. Ich darf an den Wiener Gesundheitsstadtrat Hacker erinnern, der die Wahlärzte verbieten will. Damit löst man sicherlich keine Probleme.

Welche Befürchtungen haben Sie nach dem Fall der Quotenregelung?

HOREJS: Durch den von der EU erzwungenen Wegfall der Österreicher-Quote an den staatlichen zahnmedizinischen Universitäten besteht die Gefahr, dass diese irgendwann nur noch deutsche Zahnärzte ausbilden. Nachdem es an österreichischen Universitäten im Gegensatz zu den deutschen weder einen Numerus clausus noch Studiengebühren gibt, entsteht ein gewaltiger Pull-Effekt. Österreichische Maturanten müssen
letztlich auf Privatuniversitäten oder das Ausland ausweichen.

Welche schönen Worte im Zusammenhang mit den Kassenfusionen sehen Sie besonders skeptisch?

HOREJS: Ich denke, Worte sind nicht das Entscheidende. Ich orientiere mich hier mehr an dem alttestamentarischen Satz: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Der neue ÖGK-Chef Wurzer ist schon länger in der Gesundheitspolitik tätig und uns von mehreren Kassenverhandlungen gut bekannt.

Welche Aufgaben haben Sie als BUKO-Präsident? Was sind die wichtigsten Forderungen der BUKO an die Politik?

HOREJS: Die Aufgabe eines BUKO-Präsidenten ist es, in der Öffentlichkeit und bei der Politik die Bedeutung der Freien Berufe weiter bekannt zu machen. Im letzten Sommer hatten wir eine Pressekonferenz mit Alfred Riedl (Präsident des Gemeindebundes). Dort konnten wir kommunizieren, dass es nur die Freien Berufe sind, die wichtige Leistungen der Daseinsvorsorge sowohl in der Stadt als auch am Land sicherstellen können. Im Herbst konnten wir in einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Bierlein unsere Anliegen vortragen. Im Interesse der Patienten und Klienten wollen wir das Eindringen von Großkonzernen in die Freien Berufe verhindern. In der EU werden unter dem Deckmantel der Wettbewerbsfreiheit oftmals genau diese Großkonzerne gefördert. Letztlich endet die Geschichte immer in einem Fast-Monopol, das naturgemäß zum Nachteil der Bürgerinnen und Bürger ist. Ein weiteres wichtiges Thema ist der Abbau der Bürokratie, die die gesamte Wirtschaft und auch die Freien Berufe unnötig belastet.

Gibt es noch etwas, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

HOREJS: Es würde mich freuen, wenn im Gesundheitswesen weniger Technokraten oder Gesundheitsökonomen das Sagen hätten. Ich erinnere mich allzu gut, als bei Kassenverhandlungen unser Gegenüber von Stückkosten und Stückkostendegression sprach. Der Patient ist aber kein Stück. Es müssen wieder die Patientin und der Patient im Vordergrund stehen.

Herzlichen Dank für das Interview!

Dr. PETER WALLNER

Umweltmediziner und Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com