Eine bidirektionale Beziehung - Orale Läsionen und systemischer Lupus erythematodes

Verlauf und Schweregrad mukosaler und parodontaler Entzündungen werden in erster Linie durch die Interaktion zwischen dem oralen Biofilm und dem Immunsystem des Patienten bestimmt.

Autoimmunerkrankungen führen zu chronisch-inflammatorischen Prozessen, welche unter anderem auch zu Veränderungen des ökologischen Milieus der Mundhöhle führen können. Besonders gut untersucht sind diese oral-systemischen Beziehungen für die rheumatoide Arthritis. Forschungen belegen nun auch eine Wechselwirkung zwischen Lupus erythematodes und aktiven Läsionen von Gingiva und Parodontium, wobei die orale Dysbiose als Triggerfaktor beider Krankheitsbilder wirkt.
Lupus erythematodes (SLE) ist eine autoimmune Systemerkrankung, welche die Haut, das Bindegewebe und zahlreiche Organe wie Niere, Lunge, das Herz-Kreislauf-System, Gelenke und das Gehirn betrifft. Durch Auto-Antikörper gegen körpereigene zytoplasmatische und nukleäre Antigene kommt es, ähnlich wie bei einer Typ-III-Hypersensitivitätsreaktion, zur Bildung von Immunkomplexen, welche sich an den Basalmembranen von Gefäßen ablagern und von dort ausgehend das Komplementsystem aktivieren. Die Folgen sind Gewebedestruktion durch massive Einwanderung von Entzündungszellen und Makrophagen. Betroffen sind vor allem Frauen um das 40.Lebensjahr, die Prävalenz beträgt 12–50/100 000.

Frühmanifestationen der SLE auf der oralen Mukosa

Die Erkrankung hat beträchtliche Auswirkungen auf die Strukturen der Mundhöhle. So kommt es besonders in den aktiven Perioden bei über 40% der Betroffenen zu netzförmigen, oft hartnäckig persistierenden Erosionen der Mundschleimhaut, zu Petechien und diffusen Erythemen am Gaumen und in selteneren Fällen auch zu Blasenbildung mit haemorrhagischen Krusten an Lippen und Mukosa. Vielfach zeigen sich auch eine desquamative Gingivitis und bei schweren Verläufen Osteonekrosen des Kieferknochens.
Oft entstehen bereits in der Frühphase der Lupuserkrankung typische Mundschleimhautmanifestationen, welche für eine erste Verdachtsdiagnose sehr hilfreich sein können. Man findet am harten Gaumen und auf der Wangenmukosa asymmetrisch angeordnete, diskoide Läsionen mit zentral eingezogenen Bereichen sowie weiße, keratinisierte, radiäre Streifen und kleine Petechien. Eine massivere Ausprägungsvariante sind die „honeycomb plaques“, welche durch Vernarbung der Läsionen entstehen. Auch die Lippen sind bei 25% der SLE-Patienten betroffen.
Die teils krankheits-, teils medikationsbedingte Hyposalivation führt zu Xerostomie und Sjögren-Syndrom-artigen Phänomenen mit allen bekannten Folgeerscheinungen, wie burning mouth syndrome, erhöhter Kariesanfälligkeit und verstärkter Neigung zu bakteriellen und fungalen Infektionen. Die Plaque enthält hohe Anteile an kariesaktiven Mikroorganismen, wie S. mutans und S. sobrinus, welche mittels einer exopolysaccharidreichen Matrix an den Zahn-oberflächen haften und dort über längere Perioden ein saures Milieu in der Mundhöhle aufrechterhalten.

Fehlgesteuerte Immunreaktionen bei SLE und Parodontitis

SLE-Patienten haben im Vergleich zu gesunden Personen eine hohe Prävalenz und deutlich schwerere Verläufe von chronischer Parodontitis. Zwischen beiden Krankheitsbildern besteht eine Reihe von Gemeinsamkeiten, welche die wechselweise Begünstigung oraler und systemischer Läsionen erklären. In beiden Fällen kommt es zu einer Entgleisung der Immunantwort bezüglich der Phagozytenaktivität und der Produktion und Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine, wie Interleukin 1beta (IL1ß), IL18 und Tumornekrosefaktor (TNF). Die Auslöser beider Erkrankungen sind multifaktoriell. Während die Parodontitis durch eine Destabilisierung des oralen Mikrobioms mit bakterieller Dysbiose betrieben wird, werden für den systemischen Lupus unter anderem auch slow-virus-infections, vor allem durch das Epstein-Barr-Virus (EBV), als mögliche Initiatoren in Betracht gezogen.

Ähnliche genetische Poly-morphismen bei Lupus und Parodontitis

Bei SLE spielen die gestörte T-Lymphozyten- und Makrophagenfunktion und hyperaktive autoantikörperproduzierende B-Lymphozyten eine wichtige Rolle. Die Bildung von Immunkomplexen löst eine Komplementaktivierung aus, die letztlich zum Gewebeuntergang führt. Auch bei Parodontitis findet man neben neutrophilen Granulozyten hohe Zahlen von Lymphozyten und Plasmazellen in den Läsionen. Auch hier kommt es zu einem spezifischen IgG-Response, welcher sich letztendlich gegen die körpereigenen Hart- und Weichgewebe des Parodontiums richtet.
Beide Erkrankungen werden zumindest partiell durch genetische Faktoren getriggert. Bei der Parodontitis ist die Reaktion auf bakterielle Reize individuell unterschiedlich ausgeprägt. Untersuchungen haben gezeigt, dass Veränderungen in bestimmten Genclustern, wie etwa IL6- und IL1-Polymorphismen, zu übersteigerten lokalen Abwehrreaktionen mit Schäden für die oralen Gewebe führen. Bei SLE sind es genetische Aberrationen und Mutationen der Fcy-Rezeptorfamilie (IgG- Rezeptoren). Neue Studien konnten aber auch für Patienten mit parodontalen Erkrankungen genau diesen Polymorphismus im Fcy-RIIA-Gen nachweisen. Bei beiden Erkrankungen werden hohe Zahlen dieser Rezeptoren exprimiert. Dieser Polymorphismus bedingt eine „ligand defiency“ mit IgG, was sowohl bei SLE als auch bei Parodontitis häufig ist.
Die immunologischen und organischen Auswirkungen der SLE begünstigen orale und parodontale Infektionen, welche selbst wieder als Trigger und Aktivatoren der Autoimmunerkrankung wirken. Kontrolle und Therapie oraler Läsionen sind wichtige Beiträge zur Deeskalation und Aktivitätsminderung der SLE.

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at