Entzündungsreaktionen: Hat Parodontitis eine autoimmune Komponente?

Die Rolle der Autoantikörper im chronischen Entzündungsgeschehen.

Parodontale Entzündungen werden bekanntlich in erster Linie durch pathologische Veränderungen der oralen Keimflora ausgelöst und aufrechterhalten.
Wichtige Faktoren für Ausmaß und Aggressivität der Erkrankung sind allerdings die spezifischen und die unspezifischen Immunantworten des Wirtsorganismus.
Überschießende Entzündungsreaktionen auf mikrobielle Reize, wie etwa durch Treponemen, Aggregatibacter oder schwarzpigmentierte Anaerobier, führen im Akutzustand über Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen und massiver Migration von Leukozyten aus den gingivalen Gefäßen nicht nur zu einer Reduktion der oral-pathogenen Keime, sondern greifen auch die eigenen Gewebe an.

Chronische Erkrankungen triggern Autoimmunität

Nun handelt es sich bei der Parodontitis um ein chronisch entzündliches Krankheitsbild mit rezidivierenden Inflammationsschüben. Nicht selten verselbständigt sich die Erkrankung und schreitet trotz guter Plaquekontrolle weiter fort. Autoimmunität entsteht durch einen Fehler in der Immunabwehr mit einem Verlust der Selbsttoleranz. Unter den Immunzellen unseres Körpers stehen vor allem die B-Lymphozyten und ihre Produkte in Zusammenhang mit der Genese von Autoimmunerkrankungen. Es treten Antikörper beziehungsweise spezifisch sensibilisierte Lymphozyten gegen körpereigene Strukturen, die sogenannten Autoantigene auf. Die Assoziation zahlreicher bekannter Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, Sklerodermie, Morbus Crohn, Pemphigoid oder Pemphigus vulgaris zeigen chronisch entzündliche Verläufe und sind häufig auch mit oralen Läsionen, vor allem unter dem Bild einer desquamativen Gingivitis, assoziiert. Es liegt die Vermutung nahe, dass Autoimmunität in unterschiedlichem Ausmaß ein häufiges  Merkmal chronischer Erkrankungen darstellt. Bakterielle und virale Infektionen sind möglicherweise die  primären exogenen  Trigger beziehungsweise Stimulanzien für Autoimmunerkrankungen, da sie permanent einen lokalen immunologischen Respons provozieren.

Parodontitis-assoziierte Autoantikörper zerstören Kollagen

Bereits 1965 vermuteten Brandtzoeg und Kraus eine mögliche autoimmune Komponente im Krankheitsgeschehen. In letzter Zeit belegt eine Reihe von Studien diese Annahme. So konnten bei chronischer und auch bei aggressiver Parodontitis spezifische Antikörper gegen Typ-1-Kollagen und körpereigene doppelsträngige Desoxyribonukleinsäure nachgewiesen werden. Kollagen ist eine der wichtigsten Komponenten von Binde- und Knochengewebe. Eine gegen dieses Struktureiweiß gerichtete Immunreaktion hat entsprechend fatale Folgen. Weitere Parodontitis-assoziierte Antikörper sind die ANCAs (antineutrophile Antikörper), die vermehrt nach Exposition zu parodontal-pathogenen Bakterien gebildet werden. Die Ursache liegt in einer Alteration der T-Lymphozyten. Bei parodontalen Entzündungen kommt es nämlich zu einer Verschiebung innerhalb der Lymphozytenpopulation zugunsten der B-Zellen. Damit wird die Menge der T-Helferzellen reduziert und die T-Suppressoraktivität gefördert. Es kommt dann zu einer polyklonalen Expansion eines B-Zellpools, welcher die Fähigkeit besitzt sogenannte „natural autoantibodies“ (Nab´s) zu produzieren. Diese Autoantikörper werden in geringem Umfang auch bei vollständig gesundem Parodontium gebildet. Erst durch die Stimulation durch einen B-Zellaktivator werden sie im Übermaß ausgeschüttet. Nun fungieren die Lipopolysaccharide der gramnegativen Keime in der parodontalen Plaque als Aktivatoren, was wiederum den Zusammenhang zwischen Infektion und Autoimmunität bestätigt.

Molekulare Mimikry und genetische Faktoren fördern die Gewebedestruktion

Die Aggressivität und Schwere einer parodontalen Erkrankung korreliert signifikant mit Menge und Anzahl der unterschiedlichen Spezifitäten von Antikörpern.
Auch die von infektiösen Bakterien gebildeten Hitzeschockproteine können zu autoimmunen Reaktionen führen. Durch molekulare Mimikry ähneln sie den Eiweißen des Wirtsorganismus und führen so zu Kreuzreaktivitäten.
Zusätzlich spielen bei der Autoimmunität genetische Faktoren eine wichtige Rolle. Autoimmunerkrankungen wie Lupus sind mit unterschiedlichen Spezifitäten des HLA-Systems (human leucocyte antigen-System) korreliert. Besonders die aggressive juvenile Parodontitis steht in enger Verbindung mit bestimmten Typen wie HLA-A8-A9 oder HLA-A28.
Der Histokompatibilitätskomplex (MHC, Haupt-Gewebeselbstverträglichkeitskomplex) codiert für Moleküle, welche für die Erkennung von eigenen Strukturen verantwortlich sind. MHCII ist ein Proteinkomplex der an der Oberfläche von antigenpräsentierenden Makrophagen, detritischen Zellen und B-Lymphozyten exprimiert wird.
Nun findet man diesen MHC II Komplex auch vermehrt an der Oberfläche der basalen Saumepithelien des gingivalen Sulkus. Dort werden dann körpereigene, durch bakterielle Angriffe zerstörte Gewebekomponenten und -fragmente präsentiert und damit die Autoimmunität vorangetrieben.
Die Rolle von Immunzellen, im Speziellen die B-Lymphozyten und Plasmazellen bei chronischen Parodontopathien wird derzeit noch zu wenig beachtet.
Weitere Forschungen könnten hier zukunftsweisende Konzepte in der Behandlung dieser Erkrankung ermöglichen.

Ch. Eder, L. Schuder

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at


Durch pathologische Veränderungen der oralen Keimflora werden parodontale Entzündungen in erster Linie ausgelöst und aufrechterhalten