Chlamydien und Parodontitis - Gingivales Saumepithel als Träger systemisch pathogener Erreger

Patienten mit manifester chronischer Parodontitis weisen in ihrer Sulkusflüssgkeit eine Vielzahl unterschiedlicher, potenziell pathogener Keime auf. Bekanntlich können einige von ihnen die Epithel-Bindegewebeschranke durchbrechen. Im entzündeten Zahnfleisch werden dadurch Blutgefäße eröffnet. Dies ermöglicht es den Mikroorganismen, auf dem Weg einer Bakteriämie bei entsprechend reduzierter Immunlage zu systemischen Infektionen und zur Progression chronischer Krankheiten zu führen.

Chlamydien zählen primär nicht zur klassischen oral-pathogenen Flora, besitzen aber neuen Forschungsergebnissen zufolge eine Reihe von Eigenschaften, welche ihnen Ansiedelung und Vermehrung zumindest im bereits parodontal vorgeschädigten Gewebe ermöglichen.

Chlamydien treten in drei Erscheinungsformen auf

Dazu sollen hier zunächst einige Grundlagen zu dieser sehr speziellen Keimgruppe diskutiert werden. Chlamydien zählen zu den gramnegativen Bakterien, obwohl sie wegen ihrer geringen Größe und ihres besonderen, sehr komplexen parasitären Lebenszyklus bis in die 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts den Viren zugeordnet wurden. Ihre außergewöhnlichste Eigenschaft ist die intrazelluläre Lebensweise und ihr Wechsel zwischen unterschiedlichen Erscheinungsformen. Chlamydien können als Elementarkörperchen (0,3 um), Retikularkörperchen (1um) und in Ausnahmefällen als aberrante Körperchen auftreten. Die Elementarkörperchen sind dabei die stoffwechselinaktiven Formen, welche auch außerhalb des  Organismus persistieren und eine gewisse Resistenz gegenüber Austrocknung und osmotischen Einflüssen aufweisen. Diese Formen werden von Epithelzellen des Wirts über Endozytose in das Zellinnere aufgenommen. Hier gelangen sie durch Einstülpung der Zellwand in eine membranbegrenzte Vakuole, das Endosom. Normalerweise würden bakterielle Eindringlinge nun durch Phagozytose zerstört werden. Chlamydien können sich aber durch Bestandteile der Wirtszelle (in diesem Fall Lipide) tarnen und werden somit vom Immunsystem nicht als „fremd“ identifiziert. Im Zellinneren gehen sie dann als Retikularkörperchen in eine aktive Phase der Vermehrung über. Als Energiequelle wird dabei das ATP der Wirtszelle benutzt. Nach einer entsprechenden Anzahl von Teilungszyklen treten sie als Elementarkörperchen wieder in eine Ruhephase ein. Die massiv geschädigte Zelle wird lytisch und setzt die Dauerformen frei, welche in der Folge weitere Epithelien infizieren. In Perioden mit schlechten intrazellulären Vermehrungsbedingungen können Chlamydien auch als „aberrante Körperchen“ intrazellluläre Dauerstadien bilden.

Pathogene Chlamydienspezies als „Mitbewohner“ des Gingivaepithels

Welche Spezies kommen nun für einen Befall der Gingiva in Frage? Untersuchungen zufolge sind dies die beiden häufigsten humanpathogenen Arten, nämlich Chlamydia trachomatis und Chlamydophila pneumoniae. Das klassische Trachom wird durch die Serotypen A, B und C ausgelöst und führt unbehandelt zur Erblindung. Die in unseren Breiten weit häufigere Schwimmbadkonjunktivitis geht zu Lasten der Serotypen D bis K, welche auch Urethritis, Zervizitis, Salpingitis und Nebenhodenentzündungen verursachen. Gefürchtet ist vor allem die Tubenentzündung, welche zu sekundärer Sterilität führen kann. Diskutiert wird auch eine Beziehung zur Atherosklerose, besonders bei subklinisch verlaufenden Infektionen mit sekundärer Manifestation. Interessant sind die Parallelen der Chlamydieninfektion zur parodontalen Infektion. Einerseits sind beide chronische Erkrankungen mit rezidivierenden Exazerbationen des Entzündungsgeschehens und dazwischen liegenden nahezu asymptomatischen Perioden. Das Ausmaß der Gewebezerstörung ist bei beiden Infektionen nicht nur von den Keimen, sondern auch von der immunologischen Wirtsreaktion abhängig. Chlamydien befallen Saumepithelien und funktionales Epithel wie das Saumepithel am Lidrand oder das transitionale Epithel an der Cervix uteri. Es handelt sich dabei meist um Columnarzellen, das sind hochprismatische Zylinderzellen. Am Sulkus der parodontalen Taschen finden wir ganz ähnliche Voraussetzungen. Mittels PCR konnten intrazelluläre Chlamydienformen aus dem gingivalen Saumepithel nachgewiesen werden. Die Keime persistieren ganz offensichtlich im Sulkus und können von hier aus über Blut und Atemwege streuen. Diese Eigenschaft ist besonders für die zweite Spezies, Chlamydophila pneumoniae, von Bedeutung. Dieser intrazelluläre Mikroorganismus führt bei immunschwachen Patienten zu Lungenentzündung, bei immunkompetenten Personen kommt es auch hier häufig zu subklinischen Verläufen, welche dann postinfektiös nicht selten eine Sehnenscheidenentzündung oder Arthritis induzieren. Auch andere schwere Krankheitsbilder, wie Meningoenzephalitis, Bronchitis obliterans, Endo- und Myokarditis, das Guillain-Barré-Syndrom und Assoziationen zu M. Alzheimer und der multiplen Sklerose werden mit chronischer Chlamydieninfektion in Zusammenhang gebracht. Forschern gelang nun der Nachweis von Chlamydophila pneumoniae im gingivalen Saumepithel unabhängig von einer floriden Infektion. Interessant ist hier vor allem, dass die hohe Dichte der Mikroorganismen eine transiente Kolonisation ausschließt. Das intrazelluläre Vorkommen auch in den gingivalen Fibroblasten bestätigt die Möglichkeit eines oralen Reservoirs. Abgesehen von der Funktion als Kopathogen im Rahmen der Parodontitis besteht die Gefahr systemischer Reinfektionen vom Ausgangspunkt Mundhöhle. Besonders die Möglichkeit der hämatogenen Aussaat und der Ansiedlung von Chlamydia in atheromatösen Plaques der peripheren Blutgefäße erhöht die Gefahr einer Auslösung und Progression kardiovaskulärer Erkrankungen. Da bei schweren Parodontopathien häufig Antibiotika wie Doxycyclin oder Makrolide zum Einsatz kommen, können dadurch auch gingivale Chlamydieninfektionen wirksam bekämpft werden. Ein direkter Nachweis mittels Kultur im Rahmen einer mikrobiologischen Untersuchung der Taschenflora ist leider nicht möglich. Chlamydien können als intrazelluläre Mikroorganismen nicht auf Nährböden, sondern nur in Zellkulturen gezüchtet werden. Auch gängige PCRMethoden für orale Keime schließen derzeit derartige Nachweise noch nicht ein. In jedem Fall kann die Sanierung parodontaler Läsionen auch die Vermehrung dieser Bakterien wirksam hintanhalten.

Ch. Eder, L. Schuder

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at