Graz - Erste KFO-Professorin in Österreich

Am 7. September 2018 hat Frau Univ.-Prof.in Priv.-Doz. in Dr. Brigitte Wendl als erste Frau in Österreich den Berufstitel „Universitätsprofessorin“ im Fach Kieferorthopädie verliehen bekommen. Aus diesem Anlass führte ZMT mit ihr das folgende Gespräch.

Ihr Lebenslauf kurz zusammengefasst?

WENDL: Ich studierte an der Karl-Franzens-Universität Graz Medizin, wo ich 1992 zum Doktor der gesamten Heilkunde promovierte. Darauf folgte die komplette Turnusarztausbildung (ius practicandi). Nach Abschluss der zahnärztlichen Ausbildung im Jahr 2000 hatte ich die Gelegenheit, wissenschaftlich und klinisch an der kieferorthopädischen Abteilung (Leiter war damals Prof. Dr. Helmut Droschl) der Zahnklinik Graz mitzuarbeiten. Es folgte ein Anstellungsverhältnis mit zunehmenden Aufgabenbereichen, wie das selbstständige Abhalten von Vorlesungen, Praktika und Facharzt-Diplomprüfungen. Nach der Habilitation im Jahre 2010 war ich weiterhin in der Wissenschaft, Lehre und Patientenbetreuung tätig. Von 2010 bis 2015 war ich 1. stv. Abteilungsleiterin. 2016 erfolgte der Zusammenschluss mit der oral-chirurgischen Abteilung (Leitung Univ. Prof. Dr. Norbert Jakse), und ich durfte die Leitung der Spezialambulanz für Erwachsene übernehmen. Seit 2011 bin ich auch Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kieferorthopädie. 2018 erfolgte dann die Verleihung des Berufstitels „Universitätsprofessorin“ durch den Bundespräsidenten.

Wann wird dieser Titel verliehen?

WENDL: Es gibt eine Richtlinie, in der die entsprechenden Erfordernisse hinsichtlich Wissenschaft und Lehre angeführt sind. Eine Kommission prüft die Einreichunterlagen und bestellt zwei Gutachter. Sind die Gutachten positiv, werden die Unterlagen an das Bundesministerium geschickt, und bei positiver Beurteilung erfolgt die Verleihung des Berufstitels „Universitätsprofessorin“.

Was sind Ihre wissenschaftlichen Schwerpunkte?

WENDL: Meine Schwerpunkte sind Bonding, Expansionsmöglichkeiten, skelettale Verankerung, materialtechnische Untersuchungen und Klasse-III-Therapie. Aus unseren Untersuchungsergebnissen haben wir einen Prognosescore für die Klasse-III-Behandlung erstellt, der für die Praxis geeignet ist. Der Einsatz von Knochenersatzmaterialien in der Kieferorthopädie wird ein weiteres spannendes Arbeitsfeld. Was die Metallfreisetzung in der Kieferorthopädie betrifft, so zeigen unsere Ergebnisse, dass die Freisetzung nicht sehr hoch ist und keine Allgemeinreaktionen zu erwarten sind. Für Allergiker stehen Alternativen zur Verfügung, Bänder sollte man bei ihnen vermeiden. Bänder sind die Hauptquelle für die Freisetzung von Cobalt, Chrom, Mangan und Nickel, gefolgt von Brackets und Drähten.

Welche Spezialambulanzen gibt es an der Klinischen Abteilung für Orale Chirurgie und Kieferorthopädie noch?

WENDL: Neben der Spezialambulanz „Kieferorthopädie bei Erwachsenen“ (für die ich als Leiterin zuständig bin) gibt es noch folgende Ambulanzen, die den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen zur Unterstützung bei schwierigen Fällen zur Verfügung stehen: Kieferorthopädie bei Kindern und Jugendlichen (Leiterin: Ass.-Prof. Dr. Margit Pichelmayer), orale Chirurgie, Implantatchirurgie und Geweberegeneration (Leiter: Univ.-Prof. Dr. Norbert Jakse und Assoz.Prof. Dr. Michael Payer), Orale Medizin und Mundschleimhauterkrankungen (Leiter: PD Dr. Astrid Truschnegg und OA Dr. Petra Rugani) sowie Orale Radiologie (Leiterin: Sen.-Scient. Dr. Barbara Kirnbauer).

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der „Gratis-Zahnspange“?

WENDL: Für viele Patienten mit geringem Familieneinkommen ist diese Einrichtung sicher ein gute Möglichkeit, ihre Fehlstellungen korrigieren zu lassen. Meiner Meinung nach sollte es beim Zuschuss eine Staffelung je nach Schweregrad und Einkommen geben. Das Allesoder-nichts-Prinzip (kein Zuschuss für kleinere Fehlstellungen) finde ich nicht optimal. Es ist manchmal auch schwierig, Patienten, die eine „Gratis-Zahnspange“ bekommen haben, bzw. ihre Eltern hinsichtlich Mundhygiene etc. zu motivieren.

Wie wird man zur ersten Kieferorthopädie-Professorin in Österreich?

WENDL: Die Kieferorthopädie ist zwar nur ein Teilgebiet in der Zahnheilkunde, das aber zunehmend wichtiger wird. Man benötigt Begeisterung für die Materie und muss bereit sein, in der Freizeit, auch an Wochenenden, an wissenschaftlichen Publikationen zu arbeiten.

Was liegt Ihnen noch am Herzen?

WENDL: Ich bin sehr erfreut darüber, dass es in Bälde in Österreich einen Facharzt für Kieferorthopädie geben wird.

Herzlichen Dank für das Interview!

Dr. PETER WALLNER

Umweltmediziner und
Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

Univ.-Prof.in Priv.-Doz.in Dr. Brigitte Wendl