Orale Chirurgie Wien - Master, aktuelle Studien und elektromagnetische Osteotome

Nach knapp drei Jahren war es wieder Zeit für einen Besuch am Fachbereich für Orale Chirurgie der Universitätszahnklinik Wien. ZMT sprach mit dem Fachbereichsleiter Prof. DDr. Christian Ulm.

Wie steht es im Fachbereich „Orale Chirurgie“ um die postgraduelle Fortbildung, die ja zunehmend an Bedeutung gewinnt?

ULM: Nach umfangreichen Vorbereitungen wird es im Februar 2019 so weit sein, dass wir mit dem englischsprachigen Masterkurs „Periodontology and Implantology“ beginnen. Dieser Lehrgang richtet sich an praktizierende Zahnärztinnen und Zahnärzte, ist berufsbegleitend und auf eine Dauer von vier Semestern angelegt. Nach positivem Abschluss wird den TeilehmerInnen der Titel „Master in Clinical Dentistry“ verliehen. Schwerpunkte werden neben der Vermittlung von Grundlagenwissen vor allem chirurgi che Techniken sein, welche im Rahmen von Sezierkursen, praktischen Übungen am Phantom und einer Menge von Live-OPs vermittelt werden. Auch prothetische Aspekte bei der Sanierung komplexer arodontologischimplantologischer Fälle kommen nicht zu kurz. Des Weiteren werden u.a. Prof. Sculean (Bern), Prof. Stavropoulos (Malmö) und Prof. Tonetti (Hongkong) als Gastredner ihre Erfahrungen und ihr Fachwissen vermitteln.

Was gibt es Neues im Fachbereich „Orale Chirurgie?

ULM: Seit mehreren Jahren beschäftigen wir uns nun schon mit unterschiedlichen Techniken zur transkrestalen Sinusbodenelevation, um enossale Implantate auch bei reduziertem Knochenangebot verankern zu können. Bei ausreichender Kieferkammbreite und einem vertikalen Restknochenangebot über 6mm bietet sich dieses oralchirurgische Vorgehen mittels Osteotomen als Alternative zum „klassischen“ lateralen Sinuslift an. Die moderne Form der transkrestalen Osteotom-Technik wurde 1994 von Summers vorgestellt und seit damals kontinuierlich weiterentwickelt. Wir setzen seit nunmehr drei Jahren elektromagnetische Osteotome ein, um den knöchernen Sinusboden nach kranial zu frakturieren und inklusive der Schneiderschen Membran anzuheben. Anschließend können ausreichend lange Implantate verankert werden. Die auf Englisch als „Magnetic Mallet“ bezeichneten elektromagnetischen Osteotome zeichnen sich durch eine einfache und patientenschonende Handhabung aus. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil bei deren Einsatz ist auch die Verdichtung des alveolären Restknochens, welcher in der Region unterhalb des Sinusbodens meist eine reduzierte Qualität aufweist. Durch die so bedingte deutlich höhere „primäre Implantatstabilität“ wird eine sicherere Osseointegration gewährleistet.

Über welche neuen Studienergebnisse können Sie berichten?

ULM: Nach umfangreichen histomorphometrischen Untersuchungen humaner Sinuslift-Biopsien konnten wir zeigen, dass die knöcherne Einheilung bzw. das ossäre Durchwachsen der Augmentate nach Sinuslift stets vom lokalen Restknochen ausgeht und mit steigendem Abstand von diesem deutlich und messbar abnimmt. Der Beitrag der Schneiderschen Membran ist hierbei offensichtlich 3geringer als zuvor angenommen, ihre Funktion scheint sich auf die physische Stabilisierung und Abgrenzung des Augmentats zum Sinus zu beschränken. Des Weiteren zeigen Sinusboden-Augmentationen im Prämolaren-Bereich eine umfangreichere Einheilung als in der Molarenregion. Ein weiteres Ergebnis lautet, dass sich die Menge und Qualität des
ortsständigen Alveolarknochens positiv auf die Knochenneubildung im augmentierten Bereich auswirkt.Eine andere Untersuchung beschäftigt sich im Rahmen einer klinischen Sinuslift-Studie mit dem positiven Effekt von Perforationen des kompakten Kieferhöhlenbodens. Durch diese absichtlichen intraoperativen Eröffnungen der lokalen Alveolarfortsatz-Spongiosa ist eine schnellere und bessere Augmentateinheilung zu erwarten. Unter Leitung von Prof. Zechner werden im Rahmen einer weiteren klinischen Studie zweiteilige Keramikimplantate getestet, wobei die ersten Resultate hinsichtlich des chirurgischen Vorgehens sehr zufriedenstellend sind.

Gibt es auch eine neue Spezialambulanz?

ULM: Ja, die Spezialambulanz „Aplasie“ soll Betroffene fächerübergreifend beraten und betreuen. Da Zahnaplasien auch bei diversen Syndromen auftreten und auf diese hinweisen können, soll die Ambulanz auch eine Art „Ankerplatz“ für Betroffene darstellen, von wo aus Patienten zu weiteren medizinischen Fachbereichen zur Abklärung überwiesen werden.

Herzlichen Dank für das Interview!

Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und
Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

Prof. DDr. Christian Ulm