Eigenverantwortung ist gefragt - Wer gibt die Garantie?

Dauernde Blähungen, Jucken des Afters, Kratzen im Hals, Sodbrennen, benebelter Geist – und wenn dann auch noch auf der Zunge die weißen, abwischbaren Beläge freundlich „Hallo“ sagen, ist jedem Zahnarzt klar, dass er an einen Candida Albicans denken muss.

Ich frage meinen neuen Patienten, ob er die Beläge auf der Zunge schon länger hat und ob sein vorheriger Behandler bereits etwas dazu gesagt hat. Hat er, bestätigt der Patient. Die Veränderungen sind nach einer längeren Antibiotikaeinnahme aufgetreten und der Zahnarzt hatte deshalb auch sofort einen Pilz im Verdacht und hatte ihm Lutschtabletten dagegen verschrieben. Allerdings haben diese nur kurz geholfen. Dann sei sogar ein Abstrich im Mund genommen worden, der den Pilz bestätigt hat. Also erneut eine Runde mit Lutschtabletten und nach neuerlichem Rezidiv nach Absetzen ein systemisches Antimykotikum durch den Hausarzt. Danach war es wohl eine Zeitlang besser, nur um dann wieder schlechter zu werden. Jetzt, so mein Patient, habe er sich einfach damit abgegeben, dass er eben mit dem Zustand leben müsse. Das sehe ich anders. Deshalb erkläre ich ihm, dass ich gerne einen ganzheitlichen Therapieansatz versuchen würde. Einige begleitende Belastungen, die mit so einem Pilz in Verbindung stehen können, wie eine Schwermetallbelastung, würde ich gerne im Vorfeld abklären. Dann gehört eine Stuhluntersuchung dazu, weil die Darmflora sicher durch die damalige Antibiotikagabe geschädigt worden ist und der Pilz sich somit in die entstandenen Lücken vermehren konnte. Mit den Ergebnissen könnten wir dann gezielt die Darmf ora aufbauen. Zudem wäre ein Antimykotikum für den Anfang und eine Leberstützung sicher noch mal sinnvoll, aber ohne eine Ernährungsumstellung und eine temporäre Auslassdiät kurzkettiger Kohlenhydrate würde er langfristig keine Ruhe mehr bekommen, erkläre ich ihm.

Hoher Aufwand, aber keine Garantie

„Das ist aber viel Aufwand, den Sie da von mir verlangen“, findet mein Patient. Und stellt dann direkt die Frage, die Patienten immer wieder mal stellen, wenn sie überlegen, ob sie mit mir zusammenarbeiten wollen: „Geben Sie mir dann eine Erfolgsgarantie?“ Manche Patienten fragen das schon, wenn es darum geht, dass bestimmte Leistungen oder Medikamente selbst bezahlt werden müssen. Aber viel häufiger kommt die Frage, wenn ich Patienten mitteile, dass sie etwas verändern müssen, die Ernährung umstellen, mehr trinken oder sich mehr bewegen. In den seltensten Fällen geht es darum, ob jemand sich die Behandlung leisten kann, sondern vielmehr darum, dass es unbequem ist, etwas zu verändern. Doch gerade in der Ganzheitsmedizin, bei der ich eben kein Medikament dauerhaft geben will, nur um ein Symptom zu unterdrücken, sondern das System des Patienten positiv beeinflussen möchte, geht es nicht ohne Mitarbeit des Patienten. Ich kann ihm sagen, was meiner Meinung nach notwendig ist, um etwas zu verändern, umsetzen muss er es selbst.

Meine Antwort auf die Frage ist deshalb „Nein“

Warum „Nein“, ist ganz einfach: Jene Menschen, die eine Garantie wünschen, wollen mir in der Regel ihrerseits keine Garantie dafür geben, dass sie sich an meine Anweisungen halten. Warum stellen Menschen diese Frage? Sie übernehmen keine 100%ige Verantwortung für sich selbst. Das ist der Punkt. Oft kommen diese Patienten zum Kontrolltermin und sagen vorwurfsvoll: Es hat sich nichts verändert. Wenn ich dann den Therapieplan durchgehe und frage, was sie umgesetzt haben, ist es recht wenig, manchmal sogar gar nichts. „Die Medikamente habe ich noch nicht besorgt. In der Firma war so viel los. Und dann hätte ich ja gar nichts mehr essen können.“ Ausreden gibt es dann viele. Was wir Patienten dann fragen sollten, ist: „Was willst du vom Leben? Wie sehr stören dich die Symptome wirklich? Was wäre anders, besser, wenn du sie nicht mehr hättest? Was willst du in Bezug auf deine Gesundheit erreichen? Wie willst du dich zukünftig fühlen? Warum willst du die Behandlung?“ Das sollten die Patienten dann idealerweise aufschreiben und am besten noch ein Bild dazu malen. Einfach, um ein Bewusstsein zu schaffen: „Was will ich eigentlich?“, „Wo soll es hingehen?“ Wenn sie wollen, nehme ich eine Kopie in meine Kartei auf, um sie immer mal wieder daran zu erinnern.

Eigener Fallbericht

Vor über 20 Jahren hatte ich einen Unfall mit einer offenen Unterschenkelfraktur. Die Heilung lief nicht so, wie erwartet, und als der Fixateur extern nach einigen Monaten wieder entfernt wurde, waren die Knochen nicht stabilisiert. Der nächste Versuch war ein Oberschenkelgips. Nach der Entfernung war der Knochen zwar geheilt, Tibia und Fibula aber mit einer Knochenbrücke fixiert, was zu anhaltenden Knieschmerzen führte. Das Bein war so angeschwollen, dass es wie eine Elefantiasis aussah. Und die Nerven des Unterschenkels feuerten bereits bei der Berührung des Beines durch Kleidung Schmerzreize ins Gehirn. Der Gutachter machte mir wenig Hoffnung. Er prophezeite, dass ein Job, bei dem ich viel stehen oder sitzen müsse, für mich nie in Frage käme. Sport sei auf jeden Fall kein Thema mehr, und die Schwellung ginge aufgrund der Schädigung der Lymphgefäße wohl auch nicht mehr zurück. Er riet mir, mich damit abzufinden und die Nervenschmerzen gegebenenfalls mit Schmerzmitteln in den Griff zu bekommen. Diese Perspektive fand ich mit jugendlichen 17 nicht sehr aufbauend, und weder ich noch meine Eltern haben sie hingenommen. Ich habe verschiedenste Therapieformen ausprobiert. Ich wurde mit Ultraschall, Magnetfeld und Strom behandelt. Ich habe Globuli, Kräuter und Orthemolekularia geschluckt. Ich habe Knochenbrühe in Litern getrunken und verschiedenste Ernährungsformen probiert, um zu sehen, womit ich die meiste Energie bekomme. Ich habe alle möglichen Sportarten und Aufbautrainingsvarianten probiert. Ich war bei verschiedensten Ärzten im In- und Ausland, beim Physiotherapeuten, Osteopathen, Schamanen, Psychotherapeuten. Ich habe alles ausprobiert und Stückchen für Stückchen ist Heilung gelungen. Heute kann ich in meinem Job stehen und sitzen, so wie es erforderlich ist. Ich treibe Sport. Ich habe für mein Bein niemals Schmerzmittel benötigt. Wie ich das geschafft habe? Zum einen, ich wusste, wo ich hinwollte, ich habe es mir aufgeschrieben und verbildlicht und dann – und das ist das Entscheidende – war ich bereit, etwas dafür zu tun! Das Wichtigste war, dass ich die Entscheidung getroffen habe, dranzubleiben und so lange auszuprobieren, bis ich die Lösung gefunden habe. Buy a ticket, dream big, never return!  Ich habe diese Entscheidung getroffen. Es war also nicht Glück, dass ich den richtigen Therapeuten begegnet bin und die richtigen Behandlungen bekommen habe und die richtigen Umstellungen meines Lifestyles vorgenommen habe, was viele immer sagen, sondern es war eine klare Entscheidung. Und wenn du klare Entscheidungen triffst, wenn du bereit bist, die Verantwortung zu 100% für dich zu übernehmen, dann wird es in der Regel auch funktionieren. Die Garantie steckt also im Patienten selbst. Er hat die Entscheidung, Opfer zu sein oder zu handeln. Opfer sind ganz viele. Sie begeben sich in die Opferrolle und sagen: „Ja, die anderen liefern nicht. Das hat mir keiner gesagt. Ich bekomme nicht das oder jenes, was es aber braucht, natürlich von den anderen.“ In dieser Opferrolle kann man sich suhlen, aber es hilft nichts. Viel sinnvoller ist es, selbst zu handeln, auszuprobieren, dranzubleiben. Es fühlt sich schon ganz anders an, man ist nicht mehr ohnmächtig. Sondern: Ich habe die Macht, etwas für meine Gesundheit zu tun!

Hauptaktivität muss vom Patienten kommen

Nicht wir Ärzte haben die Verantwortung dafür, den Patienten gesund zu machen. Wir sind vielmehr das Unterstützerteam. Wir helfen dabei, einen Plan festzulegen und auch einen Hinweis darauf zu geben, wie lang der Weg etwa ist, wir können in Phasen, wenn die Motivation etwas hängt, den Patienten anfeuern, weiter dranzubleiben und ihn daran erinnern, wieso er sich für den Weg entschieden hat. Doch die Hauptaktivität liegt beim Patienten, er muss handeln und Verantwortung für sich und seineGesundheit übernehmen. Manchmal sind Patienten überrascht, wenn ich das so klar anspreche. Viele sind noch immer den Halbgott in Weiß gewohnt, dem sie nur zu gerne ihren Körper zur Reparatur übergeben würden und ihn erst wieder abholen, wenn alles ok ist, nur um dann wieder so weiterzumachen wie zuvor. Mein Patient mit dem Candida hat auch etwas geschluckt. Sich damit abzufinden, klang eigentlich ganz bequem. Also haben wir mit den Fragen gearbeitet. Den Blähbauch hätte er schon gerne weg. Und dass ihm immer mal wieder ein Furz entfleuchte, war weder fürs Frauen-Kennenlernen noch für seine Arbeit gut. Der benebelte Geist nervte ihn am meisten. Teilweise konnte er nach Meetings nicht sagen, worum es gegangen war. Er war unkonzentriert, weil der Pilz sich noch vor dem Gehirn mit Energie versorgte. Wir arbeiteten die negativen Konsequenzen des Pilzes heraus und auch, wie gut es wieder ohne diese gesundheitliche Belastung wäre. Mit diesem Antrieb war mein Patient bereit für die Veränderung. Er ließ entsprechende Untersuchungen durchführen und stellte seine Ernährung
um.

Deutliche Besserung nach fünf Monaten

Jetzt sind fünf Monate vergangen. Noch ist nicht alles in Ordnung, weil ein Darmaufbau bei massiver Dysbiose laut Studien zwischen 6 und 18 Monaten dauern kann. Der Pilz ist aber bereits an der Grenze zur normalen Besiedlung. Trotzdem hat mein Patient beschlossen, erstmal an dem Verzicht auf kurzkettige Kohlenhydrate festzuhalten. Er hat sich an die neue Art zu kochen gewöhnt und fühlt sich einfach deutlich energiegeladener damit. Und er ist stolz auf sich, weil er diese Schritte für seine Gesundheit gegangen ist und die Verantwortung übernommen hat. Und auch für mich ist die Arbeit so viel leichter. Ich muss nicht mehr gebetsmühlenartig wiederholen, was sinnvoll wäre, nur um dann frustriert zu sein, wenn der Patient es doch nicht umsetzt. Viel mehr kann ich mich an jenen Patienten erfreuen, die sich wirklich entscheiden und an ihren erreichten Ergebnissen wachsen, und das unter Garantie.

Dr. EVA MEIERHÖFER
FA für Oralchirurgie
Klagenfurt
praxis@meierhoefer.at