Neue Serie - Teil 5: Antibiotikahygiene - verantwortungsvolle Aufgabe der Zahnmedizin

Die Verwendung von Antibiotika zur unterstützenden Therapie parodontaler und/oder odontogener Infektionen sowie in der Prophylaxe bei gefährdeten Patientengruppen erfordert vom Zahnarzt Kenntnis von Wirkung und Einsatzbereich der entsprechenden Substanzgruppen.

Eine besonders sensible Periode im Leben der Frau ist die Schwangerschaft. Die Indikation für eine Medikamentengabe in der Gravidität muss in Abhängigkeit von der Phase der Schwangerschaft besonders sorgfältig überlegt und restriktiv gehandhabt werden.

Orale Infektionen gefährden das ungeborene Kind

Nun kommt es aber gerade in diesem Zeitraum bedingt durch hormonell gesteuerte Veränderungen der gingivalen und parodontalen Gewebe sowie der lokalen und allgemeinen Immunabwehr häufig zu Exazerbationen bestehender oraler Läsionen. Seit langem sind die schwerwiegenden negativen Einflüsse oraler Infektionen auf die Gesundheit der werdenden Mutter und auf die Entwicklung des Kindes bekannt. Durch die ansteigende Hormonkonzentration in der Sulkusflüssigkeit wird die zelluläre Matrix aufgelockert, die Bildung der Komponenten des Bindegewebes verändert und eine Ödembildung im Gewebe gefördert. Außerdem kommt es zu einer erhöhten Ausschüttung von Entzündungsmediatoren, welche den Knochenabbau im Kiefer fördert. Die unspezifische Immunabwehr wird vermindert, wodurch sich oralpathogene Bakterien vermehren und durch Gewebsdestruktion in das kollagene Grundgewebe und in die Gefäße eindringen können. Die so bedingte permanente Bakteriämie und die Einschwemmung mikrobieller Stoffwechselprodukte in den Blutkreislauf führen dann letztendlich auch zu einem Anstieg von Entzündungsmediatoren wie PGE2 im Fruchtwasser, im Chorion und im Trophoblast. Nun fördert aber gerade dieses Prostaglandin Kontraktionen der Uterusmuskulatur. Studien zeigen, dass bei schweren oralen Entzündungen das Früh- und Fehlgeburtsrisiko ebenso wie die Gefahr einer Eklampsie erheblich erhöht sind. Neben dem Schaden für die orale Gesundheit der Mutter besteht also auch höchste Alarmstufe für das
ungeborene Kind.

Adäquate Therapie schützt Mutter und Kind

Bei nicht vermeidbaren Eingriffen und schweren oralen/parodontalen Infektionen besteht akuter Handlungsbedarf. Eine tiefe Taschenreinigung sowie andere mechanische Interventionen würden massiv Erreger in die Blutbahn einschwemmen und können schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Eine Antibiotikagabe zur Verhinderung derartiger Probleme wird daher in manchen Fällen unumgänglich sein. Für den Zahnarzt stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt welche Antibiotika in welcher Form verabreicht werden dürfen. An der Basis steht selbstverständlich eine eindeutige und klare Indikationsstellung. Die Notwendigkeit einer adjuvanten Antibiotikagabe richtet sich nach Ausmaß und Aggressivität der parodontalen Läsionen. Den idealen Zeitpunkt für eine medikamentös unterstützte Therapie bestimmt aber in erster Linie das Entwicklungsstadium des Kindes. Besonders im ersten Trimenon sind viele Wirkstoffe wegen ihrer Gefahr für die Organogenese des Kindes kontraindiziert. Nutzen und mögliche Nebenwirkungen einer Therapie müssen daher sehr sorgfältig, im Zweifelsfall unter Einbeziehung des behandelnden Gynäkologen, gegeneinander abgewogen werden. Unbedenklich während der gesamten Schwangerschaft können Penicilline, Cephalosporine der 1. und 2. Generation wie Cefazolin, Cefoxitin und Cefalotin und Erythromycin gegeben werden. Diese zeigen zwar nur begrenzte Wirksamkeit im parodontal-anaeroben Bereich, können aber die Keimbelastung zumindest reduzieren. In den ersten 12 Wochen sollten Clindamycin und die Kombinationspräparate Amoxicillin/Clavulansäure und Amoxicillin/Sulbactam vermieden werden, danach ist die Gabe bei entsprechendem Keimspektrum nach strenger Indikationsstellung möglich. Während der gesamten Schwangerschaft sollte auf Fluorchinolone wegen ihrer potenziellen Zytotoxizität und Teratogenität und auf Tetrazykline und Doxycyclin verzichtet werden. Letztere Wirkstoffe schädigen Knochen und Zahnanlagen des Fetus und können besonders gegen Ende der Gravidität bei der Mutter zu einer Leberentzündung führen. Metronidazol ist potenziell teratogen und daher im ersten Trimenon strikt kontraindiziert. Danach ist eine Gabe prinzipiell möglich, sollte aber nur in Ausnahmefällen bei schweren Entzündungen und akuter Gefahr für den Fetus verabreicht werden. Eine Keimanalyse mit Antibiogramm ist sehr hilfreich, um weniger belastende Therapiemöglichkeiten festzustellen. Das mikrobiologische Labor sollte dabei über das Stadium der Schwangerschaft informiert werden, um das Antibiogramm entsprechend zu modifizieren. Ist die Entscheidung zu einer unterstützenden Antibiotikagabe gefallen, so muss diese über die vorgeschriebene Einnahmedauer und in der notwendigen Dosierung verabreicht werden. Eine Verkürzung der Gabe oder eine Unterdosierung sind in jedem Fall absolut kontraproduktiv und zu vermeiden. Wohlüberlegter und sinnvoller Einsatz von Antibiotika kann in schwierigen und kritischen Situationen von Nutzen für die Schwangere und für das ungeborene Kind sein.

Ch. Eder, L. Schuder

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at