Klinikum Wels-Grieskirchen: Mentale Beeinträchtigung und individuelle Platten

Im Herbst 2013 übernahm Priv.-Doz. DDr. Wolfgang Paul Pöschl die Leitung des Fachschwerpunkts für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie des Klinikums Wels-Grieskirchen. Aus diesem Anlass führte ZMT damals mit Prim. Pöschl ein Interview, das in Ausgabe 5/2014 erschien und irrtümlich noch einmal in der letzten Ausgabe. Nun das aktuelle Interview.

Was hat sich seit unserem letzten Gespräch getan bzw. verändert?

PÖSCHL: Als ich im Herbst 2013 die Leitung des Fachschwerpunkts übernommen habe, geschah das unter nicht ganz einfachen Umständen. Die Verunsicherung durch die erfolgte Spitalsreform war zu spüren, die Frage „Wie geht es weiter?“ allgegenwärtig. Wir mussten einen Konsolidierungskurs fahren. Heute sind Ambulanz- und OP-Frequenzen gestiegen, ebenso die Bettenauslastung, die Kurven gehen langsam hinauf. Wir werden verstärkt als Versorger in der Region wahrgenommen, die Zuweisungen nehmen zu. Mittlerweile haben wir hohe Fallzahlen bei Tumor- und rekonstruktiver Chirurgie. Hier handelt es sich um große Operationen, etwa wenn das Mundhöhlenkarzinomen reseziert und der Gewebsdefekt durch körpereigenes Gewebe gedeckt wird. Bei so langen Operationen ist es praktisch Alltag, dass zwei Teams gleichzeitig arbeiten. Das eine Team entfernt den Tumor, das andere hebt das Transplantat. Da bei uns alle Ärztestellen derzeit besetzt sind, können wir „durchrotieren“ und so dem Arbeitszeitgesetz entsprechen und frische Kollegen an den OPTisch bringen. Wir verwenden heute 3D-geplante, patientenspezifische Kieferplatten, und dank 3D-gefertigten Schnittschablonen passt der transplantierte Knochen vom Wadenbein perfekt in den Kiefer – eine tolle Technologie, mittlerweile in den Alltag integriert. Dadurch ersparen wir dem Patienten viel OP-Zeit und können auch ein wesentlich besseres und präziseres Ergebnis erzielen, was die Passung und Position von Rekonstruktionsplatten und Knochentransplantaten betrifft. Durch die für jeden Patienten individuell und einmalig angefertigten Titanplatten gehören Plattenbrüche praktisch der Vergangenheit an, da diese nie an den Kiefer, wie frühere üblich, angebogen werden mussten, sondern aus einem Stück gefertigt wurden. Das ist schon ein entscheidender Vorteil dieser Technologie. Zugenommen haben auch die orthognathen Eingriffe (wir halten bei ca. vier pro Woche), vorher simuliert und teilweise ebenso 3D-geplant, was zu höherer Präzision führt. Der Versatz der Kiefer kann vorher am Computer simuliert werden und passend dazu können auch die nötigen Platten zur Stabilisierung inklusive der Schnittschablonen angefertigt werden. Durch unser neues DVT-Gerät sind wir auch in der Lage, extrem genaue 3D-Abbildungen aller knöchernen und dentalen Strukturen im MKG-Bereich selbst herzustellen. Zusätzlich können wir auch eine 3D-Fotoaufnahme des Gesichtes anfertigen, was zur Veranschaulichung und Planung ebenfalls sehr hilfreich ist. Wir konnten dadurch unser großes Zuweisernetz nicht nur erhalten, sondern sogar ausbauen. Stetig nach oben geht die Behandlung geistig beeinträchtigter Personen, sie wurde in den letzten zwei Jahren deutlich ausgeweitet. Wir versorgen heute den größten Anteil von Menschen mit Beeinträchtigungen in Oberösterreich. Pro Woche sind es vier bis sechs Patienten. Dabei werden in Narkose Mundhygiene- Behandlungen durchgeführt, Füllungen gelegt und Zähne extrahiert, eventuell auch Abdrucke gemacht. Bei dieser Gelegenheit werden in Narkose z. B. auch Blutabnahmen, Gastroskopien, Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen durchgeführt. Derzeit betragen die Wartezeiten etliche Monate. Es ist für 2018 geplant, die Ressourcen noch deutlich auszubauen und die Infrastruktur zu verbessern.

Wie viele Ärzte und Ärztinnen arbeiten derzeit auf der MKG-Chirurgie?

PÖSCHL: Wir sind (mit mir) zehn ÄrztInnen, 7,5 Vollzeitäquivalente. Wir haben derzeit mehr Bewerbungen als Ausbildungsplätze, offensichtlich besteht also beim Nachwuchs Interesse. Allerdings arbeiten MKG-Chirurgen und -chirurginnen später oft Teilzeit im Spital, was zu Problemen bei der Kontinuität führen kann. Ich lege auch großen Wert auf Fortbildung; für die Mitarbeiter bedeutet das eine Abwechslung zum Klinikalltag und die Möglichkeit zur Weiterentwicklung, was entscheidend für eine gute Patientenversorgung ist.

Zum Leistungsspektrum gehört auch die Diagnostik und Behandlung der Schlafapnoe?

PÖSCHL: Ja, die Schlafapnoe wird gemeinsam mit der Lungen- und HNO-Abteilung diagnostiziert, die Patienten laufen durch alle drei Abteilungen. Klassischerweise kommt seitens der MKG-Chirurgie die TAP-Schiene als therapeutisches Hilfsmittel zum Einsatz, es kann allerdings auch notwendig werden, beide Kiefer durch eine Operation nach vorne zu bringen, um die Symptomatik definitiv zu verbessern. Vielen betroffenen Patienten kann so sehr gut geholfen werden.

Welche Veranstaltungen sind für die nächste Zeit geplant?

PÖSCHL: Für Frühjahr oder Herbst 2018 planen wir eine interdisziplinäre Traumatologie-Veranstaltung, bei der MKG-Chirurgen, Unfallchirurgen und Anästhesisten den State of the Art in der Traumatologie des MKG-Bereichs darstellen. Man muss ja z.B. bedenken, dass es aufgrund der Verletzungen im MKG-Bereich und möglicher Blutungen große Probleme bei Erstversorgung, Intubation und Extubation geben kann.

Wie sieht die Kooperation mit den Barmherzigen Schwestern Linz aus?

PÖSCHL: Wir haben eine offizielle Kooperation mit dem Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern, wie es seit Anfang 2017 heißt. Die Kopf/Hals-Onkologie ist dort ein Schwerpunkt, und ich nehme am wöchentlichen Tumorboard per Videokonferenz teil. Regelmäßig operiere ich auch in Linz gemeinsam mit der dortigen HNO-Abteilung oder Patienten kommen zur OP zu uns nach Wels. Auch zur Onko-Zertifizierung haben wir als MKG-Chirurgie beigetragen.

Herzlichen Dank für das Interview!

Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und
Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

Priv.-Doz. DDr. Wolfgang Paul Pöschl