Die unendliche Geschichte - Klage gegen Wohlfahrtsfonds beim EUGH eingereicht

Wie schon in unserer letzten Ausgabe berichtet, hat ein Wiener Gynäkologe beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eine Klage, die sich gegen den Wohlfahrtsfonds richtet, eingereicht.

Die Entwicklung wird von zahlreichen Ärzten österreichweit verfolgt, alleine das Video einer Pressekonferenz, in der eine Erklärung des Kollegen und seiner Anwältin abgegeben wird, wurde in sozialen Medien in nur zehn Tagen mehr als 4.000 Mal gesehen. Was aber ist der Wohlfahrtsfonds eigentlich und weshalb befürwortet ihn die Ärztekammer, obwohl die Einstellung vieler Kollegen ihm gegenüber sehr kritisch ist? Allgemein definiert sich der Wohlfahrtsfonds als Vorsorgesystem welches z.B. im Falle des Alterns und der Berufsunfähigkeit von Angehörigen diverser österreichischer Ärztekammern entsprechende Unterstützungsleistungen zu gewährleisten hat. (Quelle: Satzung des Wohlfahrtsfonds, Stand: 6.12.2011)

Weitere interessante Fakten

1. Seit 1995 administriert das private Unternehmen Concisa AG, Tochter des Zürich-Konzerns, den Wohlfahrtsfonds in Wien.
2. Für eine korrekte Berechnung der Fondsbeiträge fordert die Ärztekammer bzw. Concisa sämtliche Einkommensunterlagen des Beitragszahlers ein (Quelle: aekwien.at)
3. Die von einem Arzt maximal an den Wohlfahrtsfonds abzuführenden Beiträge belaufen sich auf 28.000,– pro Jahr (Quelle aekwien.at)
4. Beiträge sind steuerlich absetzbar, aber die Pensionszahlungen unterliegen voll der Einkommenssteuer
5. Ausgenommen von dieser Zwangsmitgliedschaft sind Bezüge und Aufwandsentschädigungen von Funktionären der Ärztekammer
6. Die Entrichtung des Fondsbeitrages ist für Ärzte verpflichtend.
7. In einem Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2011 wird die Administration des Wohlfahrtsfonds scharf kritisiert (Quelle: Rechnungshofbericht und „Profil“)
8. Falsche Investitionen und Misswirtschaft des Wohlfahrtsfonds führten in den 90er-Jahren zu Verlusten in Höhe von mehr als 200.000.000 Euro (Quelle: Interview mit Michael Gnant in „Doktor in Wien“ 03/2016)
9. Zur Tilgung wurden Ärzte mit bis zu 20% ihrer Beiträge verpflichtet. „Altlastenbeitrag zur Deckung der Altlast“ (Quelle: Satzung des WFF 2011)
10. „Der Wohlfahrtsfonds ist gesetzlich vorgesehen und gut aufgestellt“. (Quelle: Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres, Posting – Facebook auf Wohlfahrtsfonds. info am 4.2.2018)
11. Der WFF in seiner bestehenden Form ist weltweit einzigartig.

Ein großer Kritikpunkt am Wohlfahrtsfonds ist und bleibt der Rechnungshofbericht aus dem Jahre 2011. In diesem wird der Wohlfahrtsfonds scharf kritisiert. (Download unter: www.wohlfahrtsfonds.info /rechnungshofbericht). Unter anderem ist darin zu entnehmen, dass externe Dienstleister teilweise über Jahre ohne schriftlichen Vertrag für den WFF tätig waren und alleine im Jahre 2009 Kosten in Höhe von 2.700.000 Euro verursachten. Weiters führt der Bericht an, dass ein Fehlen jeglicher Kontrollmechanismen dazu geführt hat, dass eine Mitarbeiterin des Fondsverwalters im Zeitraum 2006 bis 2009 etwa 260.000 Euro auf ein privates Sparbuch überweisen konnte. Im betreffenden Rechnungshofbericht wird zudem die wachsende Unzufriedenheit der Ärzte erwähnt. Darin heißt es: „…. die Unzufriedenheit der Ärzte dazu geführt hat, dass sich die Kosten für die rechtliche Betreuung des Wohlfahrtsfonds aufgrund zahlreicher Verfahren wegen Beitragsaußenständen von 31.000,– Euro im Jahr 2005 auf 268.000,– im Jahr 2010 fast verzehnfacht hat“. Schließlich soll ein „externer Controller“, welcher durch einen Vertrag, der keine zu spezifizierenden Leistungen beinhaltete, Dienstleistungen für den Wohlfahrtsfonds erbracht haben, war aber auch gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender einer Kapitalgesellschaft, die mit dem WFF wiederum in Geschäftsbeziehung stand. Dabei können Interessenskonflikte nicht ausgeschlossen werden, so der Rechnungshof in seinem Bericht. Ein weiterer Punkt, der von Ärzten kritisiert wird, sind die angeblich zu hohen Beitragszahlungen. In einer dem WFF gegenüber kritischen Website (www.wohlfahrtsfonds.info), die vom betreffenden Wiener Gynäkologen betrieben wird, heißt es dazu mit Verweis auf das Ärztegesetz: „Neben der Pflichtmitgliedschaft bei der Ärztekammer sind Ärzte in Österreich gezwungen, mit bis zu 18% ihres Einkommens eine private Zusatzpension zu finanzieren.“ Im Klartext heißt das, dass im Falle einer Höchstbemessung von einem niedergelassenen Arzt in Wien 28.000 Euro pro Jahr eingefordert werden können. Zum Vergleich: Laut Statistik Austria beträgt das Bruttoeinkommen eines durchschnittlich verdienenden österreichischen Arbeitnehmers rund 26.000,– pro Jahr. Seitens der Ärztekammer wird diesbezüglich eine „Solidaritätsabgabe“ als Argument für die derzeitige Festsetzung der Beitragszahlungen genannt, die als Folge von „populistischen und unverantwortlichen Handelns des Wohlfahrtsfonds in den 90er-Jahren, welche de facto zu seiner Zahlungsunfähigkeit geführt hat“, eingeführt wurde (Interview M. Gnant, „Doktor in Wien“ 03/2016) . Jüngsten Stellungnahmen seitens gewählter Interessenvertreter der Ärztekammer zufolge ist der WFF nun aber bereits seit mehreren Jahren saniert, dennoch gab es bis dato keine Reduktion der Beitragszahlungen. Interessant ist dabei weiter, dass trotz dieser positiven Entwicklung die Funktionäre der Ärztekammer weiterhin die Ausnahmeregelung bezüglich ihrer eigenen Einkommen in Anspruch nehmen und lieber außerhalb des WFF veranlagen. Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres hat in seinen Forderungen aus dem Jahr 2014 bereits eine Beitragsobergrenze von 10% gefordert, weiters bekräftigt er in einem unlängst geposteten Beitrag in sozialen Medien, dass „eine Beitragsreduktion kommen würde“. Eine diesbezügliche Umsetzung ist bis heute jedoch ausstehend. In dem zuvor bereits erwähnten Interview mit Michael Gnant aus dem Jahr 2016 wird zu dieser Thematik ebenso Stellung bezogen und bestätigt, dass dem nun sanierten Wohlfahrtsfonds mehr Geld zur Verfügung und eine Senkung der Beiträge im Raum stünde. Die Klage des Wiener Gynäkologen gegenüber dem WFF zielt allerdings nicht auf die Höhe der Beiträge ab, sondern auf die Zwangsmitgliedschaft, die in dieser Form weltweit einzigartig ist. Mit dieser Zwangsmitgliedschaft in einem privaten Pensionssystem, die den Statuten der Ärztekammer nach als Vorsorge zu verstehen ist, sind Ärzte zur Bemessung ihrer Beiträge verpflichtet, ihre Einkommensunterlagen der Ärztekammer zu übermitteln, die wiederum diese Daten an ein privates Unternehmen (Concisa) weiterleitet. Laut Ansicht des genannten Kollegen ist dies ein Eingriff in die Privatsphäre. Nachdem er sich geweigert hatte, seine Einkommensunterlagen der Ärztekammer vollständig vorzulegen, wurde ihm seitens derselben die Höchstbemessungsgrundlage von 28.000,– Euro vorgeschrieben, was jedoch deutlich über seinem eigentlich zu zahlenden Betrag lag. Der Kollege weigerte sich, dieser Forderung nachzukommen, worauf die Ärztekammer nun einen Rechtsanwalt mit der Eintreibung der genannten Summe beauftragt und mit der Exekution des Betrages gedroht hat. Dabei nimmt die Berufsvertretung auch eine allfällige wirtschaftliche Gefährdung ihres eigenen Mitgliedes in Kauf, nur um ihm in Zukunft eine Zusatzpension auszahlen zu können. Es darf bezweifelt werden, inwiefern es sinnvoll ist, dass eine Berufsvertretung wie die Ärztekammer einen Kollegen pfänden lässt, um ihm eine verpflichtende Zusatzpension, zukommen lassen zu können. MR DDr. Claudius Ratschew, Präsident der Wiener Zahnärztekammer und Vorsitzender des Verwaltungsausschusses der Ärztekammer Wien, meinte in der „Ärztewoche“ Ausgabe 5, dass der Fall des Gynäkologen eher ein „persönliches Problem des Kollegen ist und es immer einzelne Mitglieder geben wird, die nicht zufrieden sind“. Ob das wirklich so ein Einzelfall ist?

Dr. Marius Romanin

In der nächsten Ausgabe bringen wir
ein ausführliches Interview zum Thema
mit dem Gynäkologen Dr. Christian
Fiala. Wir freuen uns immer
über Ihre Meinung und Ihren Leserbrief
unter office@zmt.co.at.

Dr. Marius Romanin