SFU Wien - Von Bologna in den Prater

Im Oktober fand die erste Zahnmedizin-Vorlesung im neuen Gebäude der Medizinischen Fakultät der Sigmund-Freud-Privatuniversität (SFU) Wien statt. Das Gebäude befindet sich am Freud-Platz im „Campus Prater“ der SFU. Kurz vor der ersten Vorlesung sprachen wir mit Vizedekan Prof. Dr. Thomas Bernhart, dem Studienlehrgangsleiter für Zahnmedizin.

Wie ist das Zahnmedizin-Studium an der SFU aufgebaut?

BERNHART: Wir sind die einzige Universität in Österreich, die ein Zahnmedizin-Studium auf Basis des Bologna-Prozesses anbietet. Dieser will lebenslanges Lernen und die Mobilität der Studierenden fördern. Es soll problemlos möglich sein, den Studienort zu wechseln und das Studium an einem anderen Ort fortzusetzen. Dementsprechend bieten wir ein Bachelorstudium Medizin mit Vertiefung in Human- oder Zahnmedizin und ein Masterstudium Medizin bzw. Zahnmedizin an. Bereits ab dem 1. Semester des Bachelorstudiums haben die Studierenden Kontakt mit der Praxis und können Zahnärzten bei der Arbeit zusehen. 60 Zahnärzte bzw. -ärztinnen sind als Mentoren tätig. Im 5. und 6. Semester führen die Studierenden praktische Tätigkeiten am Modell durch. Aufgrund des Modulsystems ist es recht leicht, zwischen verwandten Studienrichtungen zu „switchen“. Das ist ein großer Vorteil des Bologna-Prozesses. Ein fertiger Humanmediziner kann in drei Jahren Zahnarzt werden! Dazu braucht es bei uns einen Vorbereitungskurs und selbstverständlich das Masterstudium. Das gilt auch für andere Quereinsteiger. Zuvor muss natürlich evaluiert werden, was sie bereits gelernt haben. Die Unterrichtssprache bei uns ist Deutsch.

Was sind die Schwerpunkte im Zahnmedizin-Studium?

BERNHART: Der Tradition der Sigmund Freud-Universität entsprechend, sind das Schwerpunkte aus der Kernkompetenz Psychologie und Psychotherapiewissenschaften wie etwa die Kommunikation mit Patienten, Kollegen und den Mitarbeitern sowie der Umgang mit Angstpatienten. Es ist wichtig, diese Ängste zu verstehen und auch Techniken zu erlernen, sie zu reduzieren. Angstgetriebene Verhaltensmuster sind ungünstig für Prävention und Behandlung. Zum Thema „Angstpatienten“ gibt es wenig Literatur, daher wird dies auch einer unserer Forschungsschwerpunkte werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Digitalisierung mit ihrem breiten Spektrum. Sie kann auch dabei helfen, Ängste zu überwinden. Es handelt sich bei der Digitalisierung um ein unglaublich großes Feld, und niemand weiß, welche Dimensionen sie in Zukunft haben wird. Der Vorteil einer Privatuniversität ist ja, dass sie rascher auf Entwicklungen im Markt reagieren kann als eine Regeluniversität und die Gestaltungsmöglichkeiten größer sind. Der Fehlhaltungsprävention soll von Anfang an entsprechende Aufmerksamkeit geschenkt werden. Und im letzten Semester wird es einen Schwerpunkt „Ökonomie“ geben. Ökonomisches Verständnis und Grundlagen von Wirtschaft und Recht werden vermittelt. Schließlich muss man sich in der Ordination später öfter mit Fragen beschäftigen wie „Lohnt sich die Reparatur eines Geräts? Wann amortisiert sich ein neues Gerät?“ Die Studierenden sollen auch frühzeitig verstehen, wie die Zahnärztekammer funktioniert. Insgesamt möchten wir ihnen helfen, als Freiberufler zu bestehen und beim Studium eine ordentliche Qualität bieten. Letztlich wird die Universität an ihren Absolventen gemessen werden.

Wie sieht das Aufnahmeverfahren aus, wie viele Studienplätze gibt es und wie hoch sind die Studiengebühren?

BERNHART: Alle Bewerber haben einen Eignungstest am Computer sowie ein Gruppenassessment mit anschließendem Bewerbungsgespräch zu absolvieren. Unsere Studierenden kommen vor allem aus zentraleuropäischen Ländern. Die Maximalkapazität beträgt 50 Studienplätze, heuer haben 23 Studierende das Masterstudium begonnen, darunter auch einige fertige Humanmediziner. Ich sehe das als Warnzeichen: Fertige Humanmediziner möchten keine Spitalsausbildung machen, sondern entscheiden sich für die Zahnmedizin. 43 Studierende befinden sich im letzten Jahr des Bachelorstudiums. Sie werden wohl zum allergrößten Teil ein Masterstudium anschließen. Die Studiengebühren für den Bachelor betragen 12.500 Euro, für den Master 14.000 Euro pro Semester. Die Drop-out-Rate liegt bei 10 bis 15%.

Wer übernimmt die Lehre im Masterstudium?

BERNHART: Österreich hat etwa im Unterschied zur Schweiz wenig habilitierte Zahnärzte und -ärztinnen. Ich möchte an der SFU einen fruchtbaren Boden für Forschung und Habilitationen schaffen, sodass der Lehrenden-Pool größer wird. Derzeit greife ich auf mein eigenes Netzwerk zurück, zu dem viele exzellente Zahnmediziner gehören. Wichtig ist, dass sie Teamplayer sind und etwas „hergeben“ wollen. Lehrstuhlinhaber erhalten einen Dienstvertrag, als erster Lehrstuhl wurde die Orale Chirurgie mit Prof. Dr.
Markus Hof besetzt. Entsprechend dem Berner Konzept werden auch niedergelassene Zahnärzte und -ärztinnen lehren, es gibt ja viele engagierte und innovative KollegInnen.

Wie sieht Ihr Blick in die Zukunft aus?

BERNHART: Ich sehe in der zahnmedizinischen Ausbildung einen Wachstumsmarkt. Wir hatten zuletzt doppelt so viele Anfragen wie Plätze. 2019 fällt die Österreicher-Quote für das Zahnmedizin-Studium, und darüber hinaus erreichen in den nächsten Jahren rund 30 % der Wiener Zahnärzte und -ärztinnen das Pensionsalter. Ich gehe daher davon aus, dass unsere Studienplätze immer gefragter sein werden.

Herzlichen Dank für das Interview!

Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und
Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

Vizedekan Prof. Dr. Thomas Bernhart