Orale Biologie - Milch, Mundhöhle, Leberzirrhose und Knochenstoffwechsel

Vor drei Jahren führte ZMT ein Interview mit Prof. Dr. Reinhard Gruber, Professor für orale Biologie an der Universitätszahnklinik Wien. Es war also wieder an der Zeit, sich über aktuelle Entwicklungen zu informieren.

Was hat sich in den letzten Jahren bei Ihnen getan?

GRUBER: Wir haben das Labor aufgebaut und verfügen heute über eine stabile Arbeitsgruppe in freundlicher Atmosphäre. Erfahrenere Mitarbeiter bringen den Jüngeren etwas bei, wie in einem Familienbetrieb. Die Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgruppen ist gut und respektvoll, besonders hervorheben möchte ich hier Dr. Stefan Tangl von der Core Facility Hard Tissue and Biomaterial Research, Karl Donath Laboratory. Wir werden von der Klinikleitung entsprechend unterstützt. Prof. Kuchler und ich finden es auch sehr angenehm, mit unseren zwei Kindern einfach mit der Straßenbahn in die Arbeit bzw. den Kindergarten im Bereich der Zahnklinik zu fahren. Den Kindern gefällt es dort sehr gut. Es ist eine feine Sache, dass der Arbeitgeber dies ermöglicht. Ein Viertel unserer Diplomanden sind Nostrifikanten, das ist kein Zufall, sondern ein bewusstes Bekenntnis dazu, dass man Menschen aus dem Irak, Syrien, dem Iran oder Ägypten unterstützen möchte. Generell haben wir viele Anfragen hinsichtlich Diplomarbeiten, die Diplomanden und Diplomandinnen arbeiten bei uns zunächst zwei Wochen auf Probe, da können sich beide Seiten ein Bild machen

Mit welchen Themen beschäftigen sich die Doktoranden?

GRUBER: Zum Forschungsteam gehören vier Doktoranden: Dr. Franz Josef Strauß, Parodontologe aus Chile, beschäftigt sich in seiner Dissertation mit sauren Knochenlysaten und ihrem Einfluss auf die Knochenregeneration. Zur Gewinnung von Allografts werden ja Knochen in Salzsäure eingelegt. Bei der Entmineralisierung werden auch Wachstumsfaktoren freigesetzt und man fragt sich: „Was werfen wir hier eigentlich alles weg?“ Die Antwort auf diese Frage (mit genauer Charakterisierung der Substanzen) wird in einer Publikation gegeben, die kürzlich von der Zeitschrift „Scientific Reports“ akzeptiert wurde. Dr. Strauß hat auch mit Frau Dr. Stähli zwei Übersichtsarbeiten zu PRF (Platelet-Rich Fibrin) und PRP (Platelet-Rich Plasma) verfasst. Wir möchten auf zellulärer Ebene verstehen, warum sich PRF anscheinend positiv etwa auf die Socket Preservation auswirkt. Dr. Layla Panahipour aus Teheran erforscht die Wirkung von Milch und Milchprodukten auf die orale Gesundheit. Wachstumsfaktoren in der Milch können potenziell die Wundheilung fördern, und es stellt sich auch die Frage, welche Faktoren in der Milch antientzündlich wirken. Eventuell könnte man in Zukunft aus der Milch bzw. aus Molke eine Mundspüllösung produzieren, das ist aber noch Zukunftsmusik. Wir sind im Bereich „Mundhöhle und Milch“ sicher Pioniere, die Suche nach Geldgebern ist aber nicht einfach. Uwe Yacine Schwarze, MSc, ist Anthropologe. Er führt drei-dimensionale morphometrische Analysen zur Frage durch, ob sich bei Patienten mit Osteonekrose anatomische Unterschiede finden. Dr. Reza Talebian beschäftigt sich im Rahmen seiner Dissertation mit dem Einfluss einer Leberzirrhose auf die Einheilung von Implantaten. Bei einer Leberzirrhose ist ja der Knochenstoffwechsel gestört.

Wie sieht der Arbeitstag eines Professors für orale Biologie aus?

GRUBER: Es herrscht „süße Unruhe“, man bespielt verschiedene Ebenen, vermittelt z.B. basales Wissen an die Studierenden, betreut Diplomanden, reicht Grants ein, arbeitet an Artikel und kümmert sich um ausländische Gäste, die z. B. im Rahmen eines Erasmus-Stipendiums zu uns kommen. Wir freuen uns, wenn sie einen Teil ihres akademischen Wegs mit uns gehen und dabei auch Wiens kulturelle Angebote nützen. Weitere Arbeit fällt dadurch an, dass ich Associate Editor des „International Journal of Oral and Maxillofacial Implants” sowie Mitglied des Editorial Board von „Clinical Oral Implants Research” und „Journal of Dental Research” bin. Von der European Federation of Periodontology wurde ich eingeladen, im Rahmen eines Konsensusmeetings den Wissensstand zur Osteoimmunologie in der Zahnmedizin zusammenzufassen, was eine große Ehre darstellt. Weiters bin ich Mitglied im Stiftungsrat der Osteology Foundation und im wissenschaftlichen Beirat der Österreichischen Gesellschaft für Knochen- und Mineralstoffwechsel.

Was liegt Ihnen sonst noch am Herzen?

GRUBER: Forschung muss mit Freude gemacht werden, und das versuche ich auch den Studierenden weiterzugeben. So habe ich unsere StudentInnen auf den EAOKongress (European Association for Osteointegration) in Wien eingeladen. Wenn man dann einmal auf seine Arbeit zurückblickt, ist die Frage „Was wurde aus meinen Studenten und Studentinnen?“ sehr wichtig. Für wichtig halte ich es auch, unsere innovative Arbeitsgruppe und die Universitätszahnklinik nach außen gut zu repräsentieren und international sichtbar zu sein. Weiters gilt: „keep the momentum“. Wenn man beim Ofen nicht nachlegt, geht bekanntlich das Feuer aus.

Herzlichen Dank
für das Interview!

Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und
Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

Prof. Dr. Reinhard Gruber