Graz - Oralchirurgie, Kieferorthopädie, Implantologie und ÖGI-kongress

Ass.-Prof. PD DDr. Michael Payer studierte in Graz Human- und Zahnmedizin. Nach dem Studium beschäftigte er sich mit Zellkultur, Implantatoberflächen und keramischen Werkstoffen. 2005 erhielt er eine Assistenzstelle an der Abteilung für Orale Chirurgie und Röntgenologie in Graz und habilitierte sich 2010. Studien und Forschungsaufenthalte führten ihn u.a. nach Pittsburgh, Düsseldorf, Zürich und Hongkong, wo er 2012 eine Gastprofessur erhielt. „Aus diesen Aufenthalten haben sich viele Forschungskooperationen und teilweise immer noch laufende wissenschaftliche Projekte ergeben“, so der Implantologe.

Prof. Payer ist stellvertretender Leiter der Grazer Klinischen Abteilung für Oralchirurgie und Kieferorthopädie und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Implantologie. ZMT sprach mit ihm über implantologische Themen, die Österr. Gesellschaft für Implantologie und den ÖGI-Kongress am 10./11. November 2017 in Graz.

Was sind derzeit Ihre wissenschaftlichen Schwerpunkte?

PAYER: Ich beschäftige mich seit meiner Anfangszeit u.a. mit  Zirkoniumdioxid und zuletzt auch mit PEEK als implantologischem Werkstoff. Wir haben hierzu experimentelle Untersuchungen und auch klinische Studien mit ein- und zweiteiligen Keramikimplantaten durchgeführt; derzeit starten wir auch wieder eine internationale Studie mit zweiteiligen Zirkonoxidimplantaten als Alternative zu Titan. Zirkoniumdi-oxid ist ein in vielerlei Hinsicht faszinierender Werkstoff – was uns für eine vorbehaltlose Empfehlung als Implantatmaterial aber noch fehlt, sind solide Langzeitdaten, so wie bei Titan. Die zunehmende Zahl an Zentren und Implantat-Herstellern die sich mit dem Werkstoff auseinandersetzen, lässt aber darauf schließen, dass Keramikimplantate in Zukunft fixer Bestandteil des implantologischen Behandlungsspektrums werden könnten.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt der letzten Jahre war u.a. die Optimierung von Gewebeersatzmaterialien zur Rekonstruktion und Augmentation von Hart- und Weichgewebsdefekten. Klares Ziel hierbei ist, von ausgedehnten autologen Ge-webstransplantaten wegzukommen, um implantatunterstützte Rehabilitationen für unsere Patienten minimaler invasiv zu machen und in kürzerer Behandlungszeit durchführen zu können.
Das Spektrum der hierzu von uns in Studien untersuchten Ansätze reicht von der In-vitro-Stammzell-Besiedelung von Knochenersatzmaterialien bis hin zur Anwendung von Knochenmarkspunktaten, Plasma- und Stammzellkonzentraten und dem Einsatz von Wachstumsfaktoren wie BMP. Wachstumsfaktoren erscheinen hierbei sehr effektiv, sind aber nicht zuletzt wegen enormer Kosten und offenbar noch nicht final geklärten Sicherheitsaspekten umstritten.  In einem Kooperationsprojekt mit den Universitäten Zürich, Bologna und Rom untersuchen wir momentan auch den Einsatz kurzer und durchmesserreduzierter Implantate im atrophen zahnlosen Unterkiefer als Alternative zu komplexen Augmentationen – auch hier scheinen die Ergebnisse sehr vielversprechend zu sein.  
In einer weiteren internationalen multizentrischen Studie – an 300 Patienten in sieben Zentren unter Grazer Leitung – wird die Notwendigkeit einer Antibiose bei Implantation und simultanem Knochenaufbau evaluiert. Die noch nicht veröffentlichten Ergebnisse deuten darauf hin, dass Antibiotika hier keinen signifikanten Vorteil bringen. Dies ist im Hinblick auf die zunehmende Problematik von Antibiotika-Resistenzen ein überraschendes und wichtiges Ergebnis.

Was gibt es Neues bei der ÖGI?

PAYER: Die ÖGI zählt als größte wissenschaftliche zahnmedizinische Gesellschaft Österreichs mittlerweile über 500 Zahnärzte und Zahnmedizinstudenten als Mitglieder, Tendenz weiterhin steigend. Das ist einerseits sehr erfreulich, zum anderen aber auch ein klarer Auftrag, die ÖGI auch in Zukunft als moderne wissenschaftliche Gesellschaft attraktiv für unsere Mitglieder aufzustellen. Wir haben hierzu den von meinen Amtsvorgängern eingeschlagenen Kurs als Plattform für hochqualitative implantologische Fortbildung fortgesetzt und unsere Präsenz z.B. im zunehmend bedeutsamen Bereich des E-Learnings und in den sozialen Medien deutlich verstärkt. Ebenso hat die ÖGI heuer mit dem neuen Logo und der Modernisierung unserer Homepage (www.oegi.org) ein neues „Gesicht“ in der Öffentlichkeit bekommen.  
Besonders stolz sind wir auch auf die seit heuer in Kooperation mit der DGI angebotene Humanpräparat-Kursserie. Der erste gemeinsame Kurs fand am 11./12. Mai 2017 in Graz mit Teilnehmern und Referenten beider Gesellschaften statt. Diese Hands-on-Kurse sollen als Ergänzung für Absolventen eines Curriculums, aber auch für den fortgeschrittenen Implantologen die Möglichkeit bieten, neues gelerntes Wissen in „sicherer Umgebung“ und unter professioneller Anleitung praktisch umzusetzen.
Weiters können ÖGI-Mitglieder ab dem heurigen Jahr am hochkarätigen und bewährten DGI– Curriculum zu stark vergünstigten Konditionen teilnehmen. Als aktuelles Projekt planen wir aber auch eine eigene ÖGI-zertifizierte österreichische implantologische Ausbildung und die Definition österreichischer Leitlinien zu relevanten implantologischen Themen. Hier sehen wir uns als wissenschaftliche Gesellschaft klar verpflichtet, Ausbildungs- und Qualitätsstandards zu definieren.
Ein weiterer Punkt, der uns sehr am Herzen liegt, ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch den bestehenden ÖGI-Fonds und in Zukunft auch durch ein sogenanntes „ÖGI-Scholarship“, das junge Kollegen und Kolleginnen bei wissenschaftlichen Auslandsaufenthalten unterstützen soll. Inhaltlich bringt sich bei diesen Themen das ÖGI-Nachwuchskomitee der „Next Generation“ sehr stark ein.
Darüber hinaus steht heuer der Arbeitsfokus ganz im Zeichen des erstmals auf steirischem Boden stattfindenden ÖGI-Kongresses – am 10./11. November 2017 in Graz.

Wie sieht das Programm des ÖGI-Kongresses aus?

PAYER: Der ÖGI-Kongress steht diesmal unter dem Motto „Weniger ist mehr? Minimal-invasive Konzepte in der Implantologie“. Also wie bei unseren Forschungsprojekten weg vom Maximalismus in der Implantologie hin zu bewährten modernen und minimal invasiven  Behandlungskonzepten. Hierfür ist es ist uns gelungen, eine Reihe hochkarätiger nationaler und internationaler Referenten zu gewinnen.
Wir freuen uns, den Kongress in Kooperation mit der international renommierten Osteology Foundation und der Grazer Dentalhygieneschule zu veranstalten. Neben Vorträgen, Hands-on-Workshops und Humanpräparat-Kursen bieten wir erstmals auch ein Programm zu dem wichtigen Thema „Periimplantitis – Vorbeugung und Behandlung“ für die zahnärztliche Assistenz an. Mehr zu Kongressprogramm und Anmeldung finden Sie ebenso unter: http://www.oegi.org

Was liegt Ihnen noch am Herzen?

PAYER: Erwähnen möchte ich abschließend noch als Ausblick für 2018 das Mitwirken der ÖGI am Kongress der EAO (European Association for Osseointegration), der von 11.–13. Oktober 2018 in Wien im Austria Center unter dem Titel „Dreams and Reality in Implant Dentistry“ stattfinden wird. Gemeinsam werden die Fachgesellschaften ÖGI, OCMR, ÖGKFO, ÖGP und ÖGMKG für den englischsprachigen Kongress eine deutschsprachige Parallelsession über die drei Kongresstage zur Erörterung von „Traum und Wirklichkeit“ zu vielen spannenden implantologischen Themen organisieren. Mit meinen Kollegen des Kongresskomitees Prof. Georg Mailath-Pokorny aus Wien und Prof. Ronald Jung aus Zürich hoffen wir natürlich sehr auf zahlreiche Teilnehmer aus Österreich und den deutschsprachigen Nachbarländern. Das äußerst vielfältige Programm verspricht einen tollen Kongress in Wien!

Herzlichen Dank für das Interview!

Dr. PETER WALLNER

Umweltmediziner und
Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com



Ass. Prof. PD DDr. Michael Payer