Neue Serie - Teil 2: Antibiotikahygiene eine verantwortungsvolle Aufgabe der Zahnmedizin

Die menschliche Mundhöhle beherbergt ähnlich wie der Darm oder die Haut ein komplexes Mikrobiom aus über 700 verschiedenen Spezies von Bakterien, Hefen, Pilzen und sogar Protozoen. Durch die direkte Verbindung zum Atmungs- und Verdauungssystem sowie die gute Durchblutung der Schleimhäute haben mikrobiell verursachte Erkrankungen der oralen Gewebe unmittelbare Auswirkungen auf die Gesundheit des Gesamtorganismus.

Negative Einflüsse oraler Entzündungen auf den Verlauf von Systemerkrankungen wie Diabetes, Hyperlipidämie, Leber- und Nierenfunktionsstörungen sind heute ebenso bekannt wie die Erhöhung des Früh- und Fehlgeburtsrisiko bei Schwangeren. Eine effektive Therapie speziell parodontaler Erkrankungen schützt daher nicht nur das Kauorgan selbst, sondern den ganzen Körper. Aggressive Parodontopathien, akut ulzerierende Verlaufsformen von Parodontitis und Gingivitis, massive Entzündungen, verursacht durch atypische Keimspektren, schwere odontogene Infektionen wie infizierte Zysten oder retinierte Zähne, granulomatöse apikale Periodontitis oder Kieferknochenosteomyelitis erfordern daher neben mechanischer oder chirurgischer Sanierung auch eine ergänzende antibiotische Therapie.

Kurative Antibiose – spezifische vs. kalkulierte Therapie

Diese adjuvante (kurative) Antibiose ist immer gegen vorliegende orale Infektionen gerichtet und dient der Eliminierung oder zumindest Reduktion der Erreger, welche mit lokalen Antiinfektiva wie etwa Wasserstoffsuperoxid, Chlorhexidin oder Betaisodona nicht ausreichend abgetötet werden. Dies ist vor allem bei gewebsinvasiven Bakterien, welche die Schleimhautbarriere durchbrechen und bis tief im gingivalen Bindegewebe nachweisbar sind, erforderlich. Allerdings muss die Medikamentengabe immer als Ergänzung, niemals als Ersatz einer klinisch-mechanischen Intervention gegeben werden. Im Idealfall wird das Antibiotikum basierend auf einer Keim-analyse und einem Antibiogramm ausgewählt. Diese spezifische Therapie ist der kalkulierten Antibiose, welche sich an einem vermuteten Erregerspektrum orientiert, im Allgemeinen vorzuziehen. Dies erfordert allerdings ein spezialisiertes Labor, da meist mehrere Keime am Entzündungsgeschehen beteiligt sind. Besonders bei lang vorbestehenden Parodontopathien sind neben Leitkeimen auch atypische Sekundärbesiedler mit potenten Pathomechanismen an der Gewebedestruktion beteiligt. Deshalb wird häufig eine „Vorsichtshalber“-Breitbandantibiose, meist der sogenannte „Van Winkelhoff Cocktail“, bestehend aus einer Kombination von Metronidazol und Amoxicillin, gegeben, obwohl eine schmale und gezielte Therapie vollkommen ausreichend wäre. Eine unnötige Breitbandantibiose zerstört das normale und gesunde Mikrobiom des Mundes, und die daraus resultierende Artenverarmung öffnet dann Tür und Tor für die Ansiedlung aggressiver atypischer Erreger und Pilze. Unspezifischer Antibiotikaeinsatz berücksichtigt nicht die tatsächliche Sensibilität der Bakterien und fördert durch die reduzierte Wirksamkeit die Entstehung von Resistenzen. In Ausnahmefällen kann natürlich eine kalkulierte Therapie erforderlich werden. Dies ist vor allem bei akuten Fällen, wenn etwa im Zuge der oralen Infektion massive Schwellungen oder sogar Fieber auftreten, der Fall.

Grundlagen einer erfolgreichen Antibiose

Das gewählte Medikament muss nicht nur volle Wirksamkeit gegen die tatsächlichen Erreger zeigen, sondern auch die nötige Bioverfügbarkeit, d.h. Sulcus- und Knochengängigkeit gewährleistet sein. Der Wirkstoff ist in der notwendigen Dosierung zu verabreichen – Unterdosierung von Antibiotika verursacht ein „löffelchenweises“ Gewöhnen der Bakterien an das Medikament und fördert die Entstehung resistenter Keime. Auch die Compliance des Patienten ist hinsichtlich der ausreichenden Einnahmedauer dringend gefragt. Wie bei zahlreichen zahnmedizinischen Fragestellungen muss vor der Antibiotikagabe die Anamnese des Patienten eingesehen werden, um mögliche Unverträglichkeiten oder Wechselwirkungen mit laufenden Dauermedikationen zu vermeiden. So können etwa Makrolide, Gyrasehemmer, Penicilline und Cefalosporine die Wirkung von Blutverdünnern wie Marcumar herabsetzen. Clarythromycin und Erythromycin hemmen Enzyme und bewirken dadurch eine Erhöhung des Plasmaspiegels von Simvastatin, Digitoxin und Tacrolimus. Aber auch Substitutionen von Spurenelementen, Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln sind zu beachten. Johanniskraut etwa beschleunigt den Abbau von Antibiotika und reduziert damit die Wirkung. Tetrazykline und Fluorchinolone werden bei gleichzeitiger Einnahme von Antazida, Magnesium-, Calcium- und Eisenpräparaten schlechter absorbiert. Selbstverständlich sind auch die Leber- und Nierenwerte bei entsprechend vorgeschädigten Patienten hinsichtlich einer möglichen Dosisanpassung zu beachten. Regelmäßige Aktualisierung der anamnestischen Daten erleichtert hier in jedem Fall eine optimierte Vorgehensweise.

Ch. Eder, Schuder

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at

Der richtige Umgang mit Antibiotika ist wichtig