Seit 110 Jahren - Sanatorium Hera

Seit 2015 leitet Priv.-Doz. DDr. Christian Schopper – als Nachfolger von Prim. Schlossarek – das Institut für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde; MKG-Chirurgie des Wiener Sanatoriums Hera. ZMT führte mit ihm das folgende Gespräch.

Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen?

SCHOPPER: Ich habe 1996 als Assistent an der MKG-Klinik im Wiener AKH begonnen. Wissenschaftlich habe ich mich mit Biomaterialien, Knochen und Implantatbeschichtungen beschäftigt und das Hartgewebe-Labor mitaufgebaut, meine Lehrer waren hier Prof. Donath und Prof. Ewers. Ich habe es immer als ein Privileg empfunden, Wissen von den „Altvorderen“ zu übernehmen und dann weiterzugeben. Wenn man Wissen teilt, wird es mehr, nicht weniger. Es erscheint mir nicht richtig, Wissen zurückzuhalten, damit es die Kollegen und Kolleginnen dann teuer in Post-Graduate-Kursen erwerben müssen. In meinen letzten Jahren im AKH war es oft sehr schwierig. Es ist schon sehr hart, wenn man bedingt durch Sparmaßnahmen und das neue Arbeitszeitgesetz Krebspatienten oder Eltern von Kindern mit Kraniosynostosen mitteilen muss, dass die Operation verschoben wurde. Das ist ethisch eigentlich nicht vertretbar. Noch dazu wird ja den PatientInnen vorgegaukelt, dass alles besser wird, auch dann, wenn es eindeutig um Einsparungen geht. Und bis man erlebt, dass die Krankenkasse eine neue Therapie bezahlt, vergeht manchmal fast ein halbes Arbeitsleben.

Das Institut für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde; Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie in kurzen Worten?

SCHOPPER: Wir haben rund 80 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, (mit mir) 27 Zahnärzte und -ärztinnen, 39 Assistentinnen, 14 TechnikerInnen (was für die Patienten ein großer Vorteil ist), eine Wirtschafterin und eine Sekretärin. Die Hera befindet sich seit mehr als 110 Jahren im 9. Wiener Gemeindebezirk, zudem haben wir Zahnmedizin-Außenstellen in Floridsdorf und Simmering, sind also im Wortsinn breit aufgestellt. Die Parodontologie ist heute bei uns ein Kerngebiet, es wird systematisiert gearbeitet, in Simmering arbeitet ein Kollege, der den „Paro-Master“ absolviert hat. Auch Parochirurgie führen wir durch. Wenn ich eine Krone mache und ich sehe eine tiefe Zahnfleischtasche, wäre es eine Unterlassungstat, den Patienten nicht auf die Problematik hinzuweisen und auf die Gefahr, Zahn und Knochen zu verlieren. Parodontitis erhöht bekanntlich das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Frühgeburt, Diabetiker brauchen mehr Insulin. Für ein parodontologisches Beratungsgespräch verrechnen wir 40 Euro, die refundiert werden, wenn der Patient sich für eine Behandlung entscheidet. Ähnlich wird es in der Implantologie gehandhabt. Eine Umstellung von Heilen auf Prävention kostet zunächst etwas (z.B. Mundhygiene), dann erspart man sich Geld. Wir bieten Patienten des Vorsorgezentrums der Hera an, direkt zu uns zu kommen. So wird auch in der Mundhöhle vorgesorgt. Geplant ist auch, einen HPV-16/18-Test (erhöhtes Risiko für Pharynxkarzinom) anzubieten. Wenn wir bei einem Patienten ein Malignom entdecken, wird er ins AKH überwiesen, wo ich als ehemaliges Tumorboard-Mitglied nach wie vor gute Kontakte besitze. Wir bieten die Zahnspange und orthognathe Chirurgie an, führen Kieferaufbauten durch, behandeln Kieferfrakturen etc. Wir arbeiten auch mit digitalem Workflow und Zirkoniumdioxid, das ist anfänglich zeitaufwändig, bringt aber dann Vorteile. Man ist verpflichtet, moderne Technik anzunehmen und an die eigene Situation anzupassen. Am Puls der Zeit zu bleiben, das sind wir den Patienten schuldig. Neu sind auch regelmäßige Ärztebesprechungen zweimal im Monat, teilweise sind die Besprechungen auch interdisziplinär.

Was liegt Ihnen noch besonders am Herzen?

SCHOPPER: Die Risikoaufklärung. Schließlich trägt der Patient/die Patientin das Risiko selbst, er/sie muss also auch selbst entscheiden. Es ist sehr wichtig, nachzufragen, ob der Patient alles verstanden hat. Wenn ich dem Patienten sage, dass die Schwellung am Tag nach der OP größer sein wird, braucht er sich keine Sorgen zumachen und wird nicht anrufen. Große Bedeutung hat auch der Umgang mit Fehlern, ich habe mir schon früh gedacht, daraus muss und kann ich lernen und würde heute sagen, am meisten habe ich manchmal durch Fehler gelernt. Ich bin froh, dass sich die Zeiten geändert haben und Ärzte Fehler zugeben können. Dies sollte auf Augenhöhe mit dem Patienten geschehen. Wichtig ist ein entsprechendes Fehlermanagement. Wir haben am Sanatorium Hera mit einem anonymen Fehlermeldesystem begonnen. Ich verstehe auch nicht, wieso man nicht Gemeinde- und Länderspitäler besser koordinieren kann. Es erscheint mir seltsam, wenn der Bund Abgänge bei den Spitälern bezahlen muss, aber keinen Einfluss hat.

Wie sieht Ihr Blick in die Zukunft aus?

SCHOPPER: Es geht immer mehr in Richtung Fakten und Standardisierung. Im Prinzip finde ich das gut. Wenn ich (evidenzbasierte) Argumente besitze, habe ich recht, und nicht, weil ich der Primar bin.

Herzlichen Dank für das Interview!

Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und
Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

Priv.-Doz. DDr. Christian Schopper