Neuer Trend - Rückgang bei der Komplementärmedizin

Es ist ruhiger geworden in der Komplementärmedizin. Die Patienten „leisten sich“ Vitalcoaches und Energetiker – die nehmen sich viel Zeit, hören zu und kosten weniger als Ärzte. Sie dürfen zwar eine Reihe von Therapien gar nicht anwenden (auch keine Patienten behandeln), tragen aber auch keine Verantwortung, auch nicht, wenn wertvolle Zeit für nötige schulmedizinische Behandlungen verloren geht.

Bei Ärzten ist alles anders. Sie müssen auch die Schulmedizin einbeziehen – was prinzipiell gut ist. Sie müssen aber auch Richtlinien einhalten, die von Fachgesellschaften und Versicherungen diktiert werden. So müssen Allgemeinärzte etwa bei erhöhten Blutfetten Statine empfehlen, sie können sonst im Fall eines Infarktes haftbar gemacht werden. Nur wenigen Patienten kann man erklären, dass Statine wenig Wirkung, aber ernste Nebenwirkungen haben.
Im Bereich der Kassenmedizin muss alles möglichst messbar und kontrollierbar sein, auch in Spitälern erfolgt die Honorierung über Diagnosegruppen – die Bürokratie nimmt enorm viel Zeit in Anspruch. Das ärztliche Gespräch ist schwer zu beurteilen, die Kassen honorieren es also gleich gar nicht.
Die ärztlichen Kollegen stehen unter Zeitdruck, versuchen ihre Aufgaben zu erfüllen, haben aber keine Freiräume mehr für innovative Methoden. Das wirkt sich letztendlich aber auch auf unsere Therapie aus: Unsere Netzwerke bekommen zunehmend große Löcher. Die Zusammenarbeit mit Paramedizinern ist schwierig. Viele fühlen sich zu Höherem berufen, raten von Schulmedizin ab und geben sehr radikale Ratschläge.
Uns „alte“ Vollmediziner hat das nicht gekratzt – im Notfall konnten (und durften) wir fast alles auch selbst anwenden, der Zusammenhang mit Zähnen oder Kiefer war meist ohnehin gegeben. Wir haben auch mit großer Freude gemeinsam mit Ärzten Kursserien besucht – neben umfassendem Wissen haben diese auch gute Kontakte vermittelt, mit den Kollegen haben wir jahrelang erfolgreich zusammengearbeitet. Mittlerweile können sich junge Kollegen Zeitaufwand und Kosten mehrteiliger Serien nicht leisten, wir haben dem Rechnung getragen und kompakte (dreiteilige) Ausbildungen für Zahnärzte angeboten, wo der Schwerpunkt wirklich auf Zahnheilkunde lag. Aber auch diese wurden nicht gut angenommen. Rückfragen ergaben, dass die Kollegen zu unsicher für die eigene Praxis waren und für schwierige Patienten zumindest gerne andere Ärzte in ihrer Nähe gehabt hätten.
Einem Jungzahnarzt kann ich derzeit nur die Ausbildung bei geeigneten Gesellschaften empfehlen (IMAK, ARGE Physioenergetik), die Spezialgesellschaften (Neuraltherapie, Akupunktur ...) klagen ebenfalls über Nachwuchsmangel. Das bedeutet aber wieder mehr Zeitaufwand und ein gewisses Maß an Allgemeinmedizin. Aber dort lernt man auch andere Ärzte kennen sowie für Teilbereiche (Osteopathie, Lichttherapie…) vertrauenswürdige Therapeuten.
Natürlich hat das auch Auswirkungen auf die Zahnheilkunde. Die möglichen Gefahren durch Zahnmaterialien oder devitale Zähne sind weniger bewusst, es wird relativ unkritisch high-tech dentistry betrieben. Das ist für die Mehrzahl der Patienten richtig, aber diejenigen, die ein Material nicht vertragen oder einen unbemerkten Zahnherd haben, bleiben auf der Strecke.
Die meisten Kollegen wollen ihre Patienten gut und sicher versorgen und verwenden bewährte Materialien. Zeit und Geld für sinnvolle individuelle Absicherung fehlt. Ideal wären z.B. ausführliche Anamnese, bei Verdacht kinesiologische Herd- und Materialtestung, Absicherung durch Laborwerte.
Die Patienten selbst nehmen das Thema auch erst dann ernst, wenn sie bereits Probleme haben. Dann kann allerdings rasch der Vorwurf kommen, dass keine Alternativmaterialien angeboten wurden. Zahnärzte spüren den steten Zeitdruck, lange Aufklärungsgespräche und zeitaufwändige Füllungstechniken sind nur als Privatleistung möglich. Dabei kommt Druck von mehreren Seiten: Die Sozialversicherungen betonen, dass die Patienten Anspruch auf Sachleistungen habe, der Tarif richtet sich nach einer ausreichenden, zweckmäßigen und das Maß des Notwendigen nicht überschreitenden Leistung.
Da ergeben sich oft skurrile Situationen: Voraussichtlich wird die EU Ende des Jahres Amalgam für Kinder bis 15 Jahre sowie Schwangere und Stillende verbieten. Trotz der Tatsache, dass viele Kollegen für diese Gruppen (oder überhaupt) kein Amalgam mehr verarbeiten, protestieren jetzt die Amalgamfans. Zugegeben: Es geht schnell, ist wenig feuchtigkeitsempfindlich und sehr haltbar. Aber es enthält potenziell neurotoxisches Quecksilber. Für dieses haben wir prinzipiell ein Entgiftungssystem, deshalb bekommt die Mehrzahl der Patienten keine Probleme. Ideal wären auch hier Vortests und eventuell ein gentechnisches Screening (Glutathiontransferase), das wäre aber teuer. Individualisierte Medizin zahlt sich nur bei besonders kostenintensiven Methoden aus (etwa bei der Chemotherapie). Das wahre ganzheitliche Problem wird ein vernünftiges Ersatzmaterial sein. Glasionomerzement ist unbedenklich, aber weniger stabil. Die angedachten Composites haben allerdings allergenes Potenzial und einen hormonähnlichen Inhaltsstoff. Mögliche Langzeitwirkungen sind noch nicht abzuschätzen.
Ein zweites Beispiel sind die Gratiszahnspangen. Von der Kasse werden festsitzende Geräte, die wenig Mitarbeit verlangen und gut kontrollierbar sind, forciert. Diese können Bewegungskoordination, Körperspannung und Konzentration beeinträchtigen. Wurzelresorptionen und Kariesschübe sind nicht immer vermeidbar. Die Richtlinien sind allerdings so, dass man die länger dauernden herausnehmbaren Spangen nicht mehr anbieten kann. Auch als Therapie bei leichteren Fehlstellungen (IOTN3) wird in Wien kein Zuschuss mehr genehmigt. Wer für sein Kind eine physiologische Kieferentwicklung will, muss die Spange zur Gänze finanzieren – oder auf eine spätere, deutlich massivere Therapie hoffen.
Je größer ein Betrieb, umso eher kommt es zu Misswirtschaft. Dazu kommt, dass die Patienten kostenlose Leistungen nicht wirklich schätzen. Die medizinische Versorgung von Zuwanderern ist eine zusätzliche Herausforderung. Wir können daher nicht auf mehr Geld im Gesundheitssystem hoffen. Aber die Aufwertung der Haus(zahn)ärzte und mehr Therapiefreiheit würden viele unnötige und wenig effektive Maßnahmen ersparen.


MR Dr.
Eva-Maria Höller
Zahnärztin und Kieferorthopädin in Wien
Schwerpunkt: Komplementärverfahren
Gerichtlich beeidete Sachverständige
mit Zusatzbezeichnungen
Kieferorthopädie und
Komplementärverfahren
ordi.hoeller@aon.at
 

Für Zahnärzte sind wegen der Herd- und Material-
testung kinesiologische Verfahren besonders geeignet
Kontaktadressen:
• IMAK (Int. Ärztegesellschaft für Funktionelle Myodiagnostik)
Sekretariat: 9330 Althofen, Tel. 04262/ 29098. office@imak.co.at
Es werden auch Spezialkurse für Zahnärzte angeboten, sehr gute Vortragende.
• Arbeitsgemeinschaft für Physioenergetik,
1130 Wien, Frimbergergasse 6–8, Tei.: 01/879 39 26 10, office@physioenergetic.at

Gratiszahnspange - Quelle ständigen Ärgers