Die Gemeinschaft macht´s: Mikroorganismen entscheiden bei Parodontitis

Die Analyse einzelner Bakterienarten reicht nicht, um einen Therapieerfolg bei der Behandlung von Parodontitis beurteilen zu können.

Im menschlichen Mund leben bis zu 700 verschiedene Bakterienarten. Bestimmte Kombinationen der Bakterienarten spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Parodontitis, erklären die Forscher. Welche das genau sind, sei bislang nicht im Detail bekannt. Ziel der Studie war es daher, herauszufinden, wie die Bakteriengemeinschaft auf die konventionelle Parodontitis-Behandlung reagiert. Dies sei der erste Schritt, um zu verstehen, wie diese Methode wirkt, und um in Zukunft Vorhersagen über den Verlauf der Erkrankung treffen zu können, betonen die Wissenschaftler.
Den bisher üblichen Ansatz, ausgewählte Bakterienarten zu untersuchen, hält Prof. Dr. Dag Harmsen von der Poliklinik für Parodontologie der Universität Münster, Mitautor der neuen Studie, für ineffektiv. „Parodontitis wird nicht von einzelnen Bakterienarten ausgelöst. Es ist nötig, alle Mikroorganismen im Mundraum zu erfassen und zu beobachten, wie diese Lebensgemeinschaft auf die Behandlung reagiert. Nur so kann man verstehen, ob und weshalb eine Behandlung wirkt", betont der Mediziner. Das Team konnte erstmals zeigen, dass die professionelle Zahnreinigung mit und ohne Antibiotikagabe zu einer Erhöhung der Vielfalt und Gleichverteilung an Bakterienarten im Mund der Patienten führt.
Dag Harmsens Ansatz, die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Mund zu betrachten, ist ein sogenannter metagenomischer Ansatz, bei dem bestimmte DNA-Fragmente - „Amplikons der ribosomalen DNA" - untersucht werden. Diese molekulargenetische Methode ermöglicht es, das Erbgut aller im Mund vorkommenden Organismen durch eine DNA-Sequenzierung zu erfassen und somit nachzuweisen, welche Arten von Mikroorganismen dort leben. Das Forscherteam hat für diese Art von Untersuchung erstmals einen „Ion PGMTM"-Sequenzierer eingesetzt. Dieses Sequenziergerät ermöglicht eine schnellere und günstigere metagenomische Analyse als bisher, also eine Sequenzierung der „nächsten Generation". „Die größte Schwierigkeit dabei ist es, die großen Datenmengen, die dabei entstehen, sinnvoll auszuwerten. Es war für uns eine Herausforderung, ein automatisches Analysesystem für diese neue Technologie zu entwickeln", betont der Erstautor der Studie, Sebastian Jünemann vom Institut für Bioinformatik am Zentrum für Biotechnologie der Universität Bielefeld.
Dag Harmsen wirft einen Blick in die Zukunft: „Die Ergebnisse der Studie müssen zunächst durch weitere Experimente mit einer größeren Stichprobe bestätigt werden. Dann wird unser neuer Ansatz, Veränderungen in der gesamten mikrobiellen Lebensgemeinschaft im Mund zu beobachten, den Erfolg von Parodontitis-Behandlungen verbessern. Diese Methode wird sicherlich bald routinemäßig in der Praxis eingesetzt", prognostiziert er.

Dr. Thomas Bauer
thbauer@uni-muenster.de

Prof. Dr. Dag Harmsen, Poliklinik für Parodontologie der Universität
Münster