Schwierige Diagnose: Liegt ein Okklusionsproblem vor?

Die 46-jährige Patientin klagt über Nackenschmerzen, aufsteigend in den Kopf, besonders morgens. Sie arbeitet beruflich viel am Computer, manchmal klemmt sie das Handy zwischen Ohr und Schulter ein, um gleichzeitig telefonieren zu können.

Anamnestisch berichtet die Patientin über einen komplikationslosen Unterschenkelbruch beim Skifahren mit 14 Jahren sowie eine übergangene Grippe vor vier Jahren, seither wandernde Gelenksschmerzen. Vor drei Jahren hat sie sich von ihrem Mann getrennt, eine Tochter hat bereits einen eigenen Haushalt. Das Bindegewebe ist schwach, die Patientin überknöchelt leicht.
Das Röntgen der Halswirbelsäule zeigt Veränderungen, die zu Beruf und Alter passen, aber keine gravierenden Einengungen der Diskusstrukturen oder der Nervendurchtrittsstellen.
Der Orthopäde empfiehlt Einlagen, der Hausarzt eher eine Kur. Die Nachbarin meint, sie soll endlich ausspannen oder gar eine berufliche Auszeit nehmen. Die Kinesiologin rät zu einer psychologischen Therapie. Eine Masseurin erzählt ihr von Aufbiss-Schienen - und sie glaubt, dass die Beschwerden stärker geworden sind, seit vor einem Jahr der Zahn 36 gezogen wurde.
Rein zahnärztlich gibt es einige Hinweise auf eine Okklusionsstörung: 37 ist vorgekippt, 38 hat einen leichten Vorkontakt. Die Fronten stehen steil, Überbiss nur etwa 1 mm, seitlich etwa Klasse-1-Verzahnung.  Es gibt mäßige Kunststofffüllungen, wurzelbehandelt war nur 36. Die Region ist röntgenologisch unauffällig (und testet auch nicht auf Kieferostitis). Wir sehen keine auffälligen Abrasionen und keine nennenswerten Parodontalprobleme.
Muskelanalyse: Temopalis posterior rechts druckempfindlich, Nackenmuskel arbeiten beim Knirschen stark. Kiefergelenk unauffällig. Im Physioenergetiktest: Armlängenänderung auf festen Biss, also relevante Okklusionsstörung.

Zusatzdiagnosen:

Um die Diagnose abzusichern und die Patienten zu überzeugen, gibt es verschiedene Zusatzdiagnosen aus der Orthopädie:

Ebenendiagnostik:
Über die großen Muskelketten und die Wirbelsäule werden Asymmetrien im Körper ausgeglichen. Bei absteigenden Ketten sind die Ebenen parallel verschoben, also z.B. Pupil-lenebene, Schultern, Becken alle rechts tiefer. Bei aufsteigenden Problemen sind die Ebenen gegengleich verschoben. Allerdings gibt es 80% gemischte Ketten.
Blockade mit Watterollen kann die Ebenen verbessern, bei Jugendlichen sogar ausgleichen, auch bei Skoliose im Frühstadium.

Rotationstest:
Der Therapeut steht hinter dem Patienten, Hände auf dessen Schultern. Der Patient soll den Kopf zur Seite drehen und sagen, wie viel er vom Therapeuten sieht. Anschließend wird der Biss mittels zweier Watterollen  blockiert und der Test wiederholt. Geht die Drehung deutlich weiter, ist die Okklusion beteiligt.

Vorlauftest:
Orthopädisches Original: Wir stehen hinter dem Patienten, Hände am Beckenkamm, Daumen beidseits auf der Spina iliaca posterior superior. Der Patient soll sich vorbeugen (Abrollen von oben her). Wenn sich eine Spina früher und/oder stärker (mindestens ½ cm) nach oben bewegt, gibt es ein orthopädisches Problem.
Modifizierter Meerssemann-Test (zahnärztlich brauchbare Variante des Vorlauftests):
Der Patient liegt auf der etwa 60° gekippten Einheit, wir stehen am Fußende und halten locker die Knöchel. Zum Deprogrammieren eingefahrener Muster soll der Patient den Popo heben und schlucken. Dann Aufsetzen wie beim Klappmesser, und zwar:
- mit offenem Mund,
- mit zusammengebissenen Zähnen,
- mit Watterollen zwischen den Zahnreihen,
dazwischen jeweils Gesäß heben und schlucken.
Bei einer relevanten Bissstörung ändert sich die reflektorische Beinlänge (also die Knöchelhöhe) beim Zubeißen um etwa 1-3 cm, mit Watterollen wird dies wieder ausgeglichen.
Dieser Test ist für Patienten sehr eindrucksvoll, sie sind dann eher geneigt, eine Schienentherapie oder Kieferorthopädie in Erwägung zu ziehen.
Oft liegen bei Jugendlichen bereits Operationsvorschläge vor, da im Ganzkörperröntgen die Beine verschieden lang imponieren (eigentlich durch eine Verspannung mit leichter Rotation, die trotz genauer Positionierung vorkommt). Durch eine erfolgreiche Regulierung kann diese Beinlängendifferenz behoben werden, es ist allerdings normal, dass  diese Reaktion in Phasen starker Korrekturen (z.B. Überstellen eines Kreuzbisses oder einer Klasse 2) kurzfristig sogar verstärkt wird - etwa 3 - 6 Wochen lang.
Mit dem Test können auch Konstruktionsbisse überprüft werden, ebenso fertige Geräte beim Einsetzen oder Schienen vor und nach dem Einschleifen.
Bei unserer Patientin ist der Meerssemann-Test positiv, wir machen eine UK-Schiene. Drei Tage nervt diese, die Patientin „sabbert". Dann aber geht es der Patientin deutlich besser. Sie schläft entspannter und wacht beschwerdefrei auf. Sie merkt jetzt manchmal tagsüber, dass sie die Zähne zusammenbeißt. Da sie mit Schiene weder Kunden empfangen noch telefonieren kann, empfehlen wir zusätzlich Magnesium phosphoricum D6 (Schüßler-Salz Nr. 7, 2 x 2).
Die Nackenmuskel haben sich normalisiert.
Nach etwa sechs Monaten wird entschieden, ob eine Brückenversorgung links unten sinnvoll ist (wegen der Kippung 37 ist ein Implantat nicht so gut, ein präprothetisches Aufrichten nicht nötig). Wahrscheinlich müsste die Schiene trotzdem weiter getragen werden, ein Ausregulieren der steilen Front kann sich die Patientin aus beruflichen Gründen nicht vorstellen, obwohl in ihrem Fall unsichtbare Techniken möglich wären (Aligner oder Lingualtechnik).
Für das Bindegewebe können wir auch Zink (z.B. Zink 30 von Pure Encapsulations) und Silicium D6 (Kieselerde, Schüßler-Salz Nr. 11) in Erwägung ziehen.
Zur Therapie der rheumatiformen Beschwerden empfehlen wir eine Behandlung chronischer Entzündungen z.B. mit Schlangengiften oder Mikroimmuntherapie, am besten bei entsprechend versierten Allgemeinärzten.

Dr. Eva-Maria Höller

Genauer Informationen betreffend: Diplom für Komplementärverfahren in der Zahnheilkunde sowie Die ganzheitlichen Aspekte in der Zahnheilkunde entnehmen Sie bitte der pdf-Ausgabe.

Verlaufstest: