Arzt/Ärztin als Freiberufler(in) – eine aussterbende Spezies?

Der zahnärztliche Beruf, insbesondere im niedergelassenen Bereich mit Kassenvertrag, hat durchaus schöne Seiten. Im letzten Dezennium, speziell aber in den letzten 2–3 Jahren, wurde diese Berufssparte von allen Seiten unter Druck gesetzt und bedrängt. Der durch die Zusammenlegung der Krankenkassen entstandene Moloch der Sozialversicherung sieht keine Notwendigkeit mehr, mit den Kassenärzten auf Augenhöhe, also vertragspartnerschaftlich zu kommunizieren und wirft dem niedergelassenen Kassenarzt immer größer werdende Stolpersteine in den Berufsweg.

Steinzeitvertrag

Wenn man nun meint, man könne sich im Zweifelsfall auf den Vertragstext berufen, so steht man als ratloser Kassenmediziner vor dem Problem, dass der „Steinzeitvertrag“ (bis auf kleinste Zusatzvereinbarungen) aus dem Jahre 1959 stammt und daher mit der heutigen, modernen Zahnmedizin nur mehr sehr wenig zu tun hat, zudem ungenau formuliert ist und bei genauer Betrachtung Inhalte umfasst, die nahezu an Körperverletzung heranreichen, mit allen juridischen Folgen für den Behandler.

Keine Modernisierung des Vertrages in Sicht

Leider denkt die Sozialversicherung nicht daran, den Kassenvertrag partnerschaftlich zu modernisieren, jeglicher Versuch von Seiten der Zahnärztekammer (zumindest während der Zeit meiner Mitarbeit in der Landeszahnärztekammer) wurde abgeschmettert oder scheiterte schon im Ansatz aufgrund von unannehmbaren Forderungen von Seiten der Sozialversicherung. Jegliche Änderung würde für die Sozialversicherung Mehrkosten mit sich bringen, weshalb die Führungsebene den Kopf in den Sand steckt und eine „Vogel-Strauß-Politik“ betreibt.

Über den Tisch gezogen

Die Politik, insbesondere das Gesundheitsministerium, ist auch keine Hilfe, werden doch bei neuen Verhandlungen und Erlässen die designierten Vertreter der Zahnärztekammer nicht einmal gefragt. Das beste Beispiel aus jüngster Zeit wäre die Vergabe der Kassenverträge, die der Zahnärztekammer schlichtweg entzogen wurde, oder die desaströse Einführung der Gratiszahnspange“, wo die Zahnärztekammer schlicht und einfach mit falschen Versprechen „über den Tisch gezogen wurde“.

Mehr Kassenstellen?

Ein weiterer Fehlgedanke von Seiten der ahnungslosen Politik ist die Errichtung von bzw. die Forderung nach mehr Kassenstellen. Nach kürzlich kolportierten Meldungen sollen nun junge Kolleginnen und Kollegen sogar mit Einmalzahlungen, gepaart mit langjährigen Verpflichtungen geködert werden, um die Kassenarztmisere zu lindern! Mein Wunsch an die obersten Entscheidungsträger: Wäre es nicht zielführender, Maßnahmen wie eine adäquate Bezahlung für geleistete Arbeit zu setzen, ohne Deckelung und Streichung von Honorierungen für Leistungen vorzusehen, obwohl diese lege artis erbracht wurden? Es ist nicht einzusehen, dass Kassenärzte, die ja durch ihren Kassenvertrag gleichsam geknebelt sind, als Büßer für eine falsche Gesundheitspolitik und eine fast als Monopolstellung zu definierende Position des Sozialversicherungssystems herhalten müssen.

Freier Beruf derzeit nur als Wahlarzt möglich

Die logische Konsequenz daraus: Einen weitgehend freien Beruf, unbeeinflusst von politischer Intervention, Knebelung durch die Sozialversicherung oder einseitigen wirtschaftlichen Vorgaben wie in einem Angestelltenverhältnis, kann man derzeit nur ausüben, wenn man als Wahlarzt tätig ist. Als ehemaliger Funktionär der Landeszahnärztekammer und derzeitiger Referent des zahnärztlichen Interessenverbandes (ZIV) Österreichs werde ich bei diversen Kursen von ambitionierten Kolleginnen und Kollegen sehr häufig gefragt, ob sie einen Kassenvertrag anstreben oder gleich als Wahlärztin bzw. Wahlarzt tätig werden sollen. War ich vor 10 Jahren noch der festen Überzeugung, dass eine Kassenpraxis die beste Wahl wäre, so fällt mein Urteil heute bedeutend differenzierter aus und tendiert eher zum Wahlarzt.

Katastrophale Honorierung

Neben der katastrophalen Honorierung der einzelnen Leistungen, der unsäglichen Knebelung durch den Kassenvertrag sowie dem medizinisch vollkommen antiquierten Vertrag selbst spielen aber noch andere Parameter eine Rolle. So darf man seine mühsam aufgebaute Kassenpraxis samt Patientenstock nicht mehr eigenständig weitergeben, denn die Vergabe liegt nun bei der Sozialversicherung. Des Weiteren ist die Verrechnung von Zuzahlungen zu Kassenleistungen grundsätzlich verboten, auch wenn die Honorierung der Leistung unter den Gestehungskosten ebendieser liegt, und da sprechen wir noch nicht von anfallenden Regiekosten der Ordination sowie der Abgeltung der Leistung des Zahnarztes.

Interessenvertretung hat noch Luft nach oben

Auch gibt es in Bezug auf den Einsatz der Zahnärztekammer für die Interessen und zu Gunsten der Kollegenschaft – nobel ausgedrückt – noch ungeheuer viel Luft nach oben, zumindest wenn man die letzten zwei Jahren betrachtet. Es scheint so, als würden sich einige Vertreter der Kammer damit abfinden, die Kollegenschaft als nützliche Erfüllungsgehilfen der Krankenkassen zu sehen.

Selbstständiges Handeln nötig

Ein letzter Punkt, der dem freien Beruf nicht gerade förderlich ist, und der in diesem Zusammenhang noch eine Erwähnung verdient, ist die Tatsache, dass bei einem leider ziemlich großen Teil der jungen Kollegenschaft die Bereitschaft zu selbstständigem Handeln und zur Übernahme von Verantwortung über eine eigene Praxis stetig abnimmt. Es scheinen für einen größer werdenden Anteil von Kolleginnen und Kollegen die Vorteile als Angestellte(r) zu überwiegen: Dienst nach genauer Uhrzeit, keine Pflichten der Personalführung, keine Beschäftigung mit überbordenden, sinnlosen Auflagen und keine Streitereien mit den Krankenkassen. Also nach getaner Arbeit die Einstellung „Türe zu“ und „hinter mir die Sintflut“ ausleben zu können. All das ist ein Ausdruck für eine Gesellschaft, die eher nach einer „Work-Life-Balance“ strebt, als sich den Herausforderungen der Selbständigkeit zu stellen, was aber leider nicht die beste Voraussetzung für den langfristigen Fortbestand des zahnärztlichen Freiberufes darstellt.

Beste medizinische Versogung

durch dioe Selbstständigkeit Somit drohen unruhige, wenn nicht gar stürmische Zeiten für den „Arzt als Freiberufler“, wiewohl ich überzeugt bin, dass gerade die/der frei und
selbstständig praktizierende Ärztin/Arzt die Voraussetzungen für bestmögliche medizinische Versorgung für jeden einzelnen von uns bietet.

MR Dr. med.univ. Gerhard Schager,
FA für ZMK
niedergelassener Zahnarzt in Wien und
Referent im ZIV

MR Dr. med. univ. Gerhard Schager