Plattenepithelkarzinome (OSCC) sind mit einem Anteil von 90% die häufigsten intraoralen Malignome und machen nahezu die Hälfte der bösartigen Tumoren des Kopf-Halsbereichs aus.
Nach Daten der Global Cancer Observatory lag 2020 die weltweite Jahresinzidenz bei 377.713 Fällen, die Prävalenz bei ca. einer Million. Die Dunkelziffer, vor allem in Ländern der Dritten Welt, dürfte ein Mehrfaches betragen. Die höchste Verbreitung hat das OSCC in Asien, aber auch in Europa und Nordamerika gibt es zahlreiche Betroffene. Bei der Erstdiagnose liegt häufig ein bereits fortgeschrittener invasiver, teilweise sogar schon metastasierter Tumor vor. Die Prognose ist auf Grund der hohen Morbidität und Mortalität entsprechend schlecht und es besteht deshalb dringender Bedarf an gezielter Prävention und an Programmen zur Früherkennung der Läsionen. Im Frühstadium sind die Malignome fast immer symptomlos und imponieren lediglich als kleine hyperkeratotische weiße Plaques, welche leicht übersehen oder mit harmlosen Schleimhautveränderungen verwechselt werden. Erst später zeigen sie die typischen Merkmale der Induration, der Unverschiebbarkeit gegen die darunterliegenden Gewebe und Ulzerationen.
Onkogenaktivierung durch Kanzerogene
Bekannte Risikofaktoren für die Genese der OSCCs sind neben Tabak- und Alkoholkonsum auch chronische Entzündungen, Infektionen mit bestimmten Viren, Dysbiose im oralen Mikrobiom, Candidiasis, chronische Irritationen, schlechter Immunstatus sowie Eisenmangel.
Das häufigste intraorale Malignom ist das meist im mittleren Zungendrittel lokalisierte Zungenkarzinom, gefolgt vom OSCC des Mundbodens und von den Plattenepithelkarzinomen des Gaumens, der bukkalen Mukosa und der Gingiva. Das Wachstum der Tumoren erfolgt exo- und/oder endophytisch, die Wachstumsmuster variieren von leicht erhaben, flächig induriert und ulzeriert über papillär bis verrukös. OSCC´s können sich in präkanzeröser Läsionen, vornehmlich in den bereits in den vorangegangenen Beiträgen diskutierten Formen der inhomogenen Leukoplakie, der Erythroleukoplakie und dem oralen Lichen planus entwickeln, aber auch de novo auf scheinbar gesunder Mundschleimhaut entstehen. In jedem Fall handelt es sich um einen sogenannten „Multistep Prozess“, welcher über Akkumulation chromosomaler und genetischer Abberationen progredient zu dysplastischen Veränderungen der Epithelien und in der Folge zum invasiven Karzinom führt. Im Erbmaterial der Mukosazellen kommt es zu Mutationen in Zellzyklusgenen, wie p53, Cyklin D1, EGFR und bcl2, sowie in Genen, welche für die Angiogenese und die Zellmotilität kodieren. Durch kanzerogene Stimuli werden Protoonkogene zu Onkogenen aktiviert und gleichzeitig Tumorsuppressorgene außer Kraft gesetzt. Dadurch werden Zellwachstum und Zelldifferenzierung gestört. Die Folgen sind ungehemmte Proliferation und verminderte Apoptose dysplastischer Zellen.
Primär multiple Tumoren durch Feldkanzerisierung
Stammzellen aus dem basalen Layer der Epithelien akquirieren weitere Mutationen. Im betroffenen Bereich kommt es zu genetischen und epigenetischen Veränderungen, welche die maligne Entartung begünstigen. Betroffen sind meist Gene für Reparaturenzyme der DNA. Wenn potenziell bösartige Transformationen gleichzeitig an mehreren Loci eines Bereiches auftreten, spricht man von einer Feldkanzerisierung. Durch klonales Wachstum der transformierten Keratinozyten aus der Basalzellschicht wird das Epithel schrittweise durch dysplastische Zellen ersetzt. Wenn die entarteten Zellen die gesamte Epitheldicke durchsetzen, spricht man von schwerer Dysplasie, bzw. einem Carcinoma in situ. Nach Durchbrechen der Basallamina entsteht ein invasiver Tumor mit allen Zeichen der Malignität. Auf Grund der Feldkanzerisierung entstehen so an mehreren Loci gleichzeitig bösartige Tumoren. Da dieser Prozess auch die Nebenhöhlen betreffen kann, sollte bei der Diagnose eines oralen Plattenepithelkarzinoms auch eine weitere Untersuchung durch einen HNO-Arzt erfolgen.
Orale Plattenepithelkarzinome können hinsichtlich ihrer zytologischen Entartung unterschiedliche Differenzierungsgrade zeigen. Im Fall eines hochdifferenzierten OSCC haben die Tumorzellen noch die Fähigkeit zur Keratinbildung und ähneln weitgehend dem Muttergewebe. Je weiter die Entdifferenzierung voranschreitet, desto mehr nehmen zytologische Atypien, wie Verschiebungen der Kern/Plasmarelation, Hyperchromasie der Zellkerne sowie stark vermehrte, meist atypische Mitosen zu.
Immunsurveillance als Basis für zielgerichtete Tumortherapie
Eine wichtige Rolle bei der Tumorgenese und Progression des OSCC´s spielen Zellen und extrazelluläre Matrix (ECM) des sogenannten Mikro-Environments, in welchen die Kommunikation zwischen Wirtszellen und Tumorzellen stattfindet. Ein spezielles Charakteristikum des oralen Plattenepithelkarzinoms ist eine extensive Infiltration von Immunzellen in das Tumorgewebe. Beispiele dafür sind tumorassoziierte Makrophagen und regulatorische T- Zellen (Trags), Fibroblasten (CAF´s), endotheliale Zellen sowie Zellen der angeborenen und der erworbenen Immunabwehr. Durch Immunsurveillance werden nicht alle Zellen malign transformiert, es kommt vielmehr zu einem sogenannten Cancer-Immunoediting, welches in mehreren Phasen (Eliminierungsphase, Eqilibriumphase und Escapephase) abläuft. Die Interaktion der beteiligten Zellen, Zytokine und Matrixkomponenten entscheiden letztendlich, ob es zu einer Tumorregression, Eliminierung oder Progression kommt. Basierend auf diesen Mechanismen werden heute sehr wirksame, zielgerichtete Krebstherapien entwickelt, welche gegen tumorassoziierte Antigene gerichtet sind. Beispiele sind Antikörper gegen EGFR, ein Protein, welches Proliferation und Migration von Tumorzellen reguliert, oder Antikörper gegen Angiogenesefaktoren wie VEG. Immun-Checkpoint-Inhibitoren wie Pembrolizumab und Nivulomab sind monoklonale Antikörper, welche an den PD-1 Rezeptor auf T-Lymphozyten binden und dort durch Hemmung des eigentlichen Liganden das Immunsystem indirekt stimulieren. Das Auffinden und die nachfolgende Zerstörung der Krebszellen durch die T- Zellen wird dadurch deutlich verbessert. Prophylaxe und Frühdiagnose des oralen Plattenepithelkarzinoms sind wichtige Bereiche der zahnärztlichen Betreuung. Nur eine regelmäßige sorgfältige Inspektion der gesamten oralen Mukosa inklusive des Mundbodens und die rasche histopathologische Abklärung verdächtiger persistierender weiße Läsionen mittels Biopsie ermöglichen eine Früherkennung und eine erfolgreiche Therapie.
DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at