Preisträgerin: ODV-Wissenschaftspreis des ZIV

ZMT führte mit der Preisträgerin 2021, Dr. Lilla Laura Schmalzl, das folgende Interview.

Was waren die wichtigsten Ergebnisse Ihrer preisgekrönten Arbeit?

SCHMALZL: In meiner Dissertation habe ich Speichelproben von zwei Patientengruppen – Patienten mit Parodontitis und Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren – mit Kontrollproben von gesunden Personen verglichen. Zuerst wurden die Speichelproben charakterisiert, indem die Menge des in der klinischen Praxis am häufigsten verwendeten Markers Cortisol bestimmt wurde. Zweitens wurde die Wirkung der Proben auf die Adhäsion und Zellausbreitung (Spreading) von Epithelzellen (HGEP-Zellen) durch Impedimetrie beobachtet. Damit wurden die mit dem Gingivalepithel verbundenen pathologischen Prozesse und die zellphysiologischen Auswirkungen der Speichelzusammensetzung untersucht. Bei der Gruppe der Patienten mit Parodontitis haben wir eine verminderte Zelladhäsion und Migrationsaktivität gemessen. Dieses Phänomen kann auf mehrere Gründe zurückgeführt werden. Viele der im Speichel vorhandenen Proteine, die auch mit Adhäsionsproteinen auf Zellen interagieren können, können den Adhäsionsprozess negativ beeinflussen. Es kommt auch zu einer Veränderung der Ionenbindungsfähigkeit, dies kann zu einer Änderung der Impedanz führen. Natürlich könnten nicht nur proteinähnliche Substanzen des Speichels, sondern auch andere bioaktive Moleküle (z.B. Cortisol) und Ionen die Zellumgebung erheblich beeinflussen. Die kombinierte Wirkung all dieser Substanzen könnte zu einer verminderten Zelladhäsion von HGEP-Zellen geführt haben. Tumorspeichelproben induzierten eine schnellere Adhäsion von Epithelzellen. Diese Diskrepanz war während der ersten drei Stunden der Messung – also in der wichtigsten akuten Phase für die Zelladhäsion – nachweisbar. Das weist darauf hin, dass Tumorspeichelproben – im Gegensatz zu Proben von Patienten mit Parodontitis – eine Reihe von Substanzen enthalten, die derzeit nicht charakterisiert sind und die imstande sind, die Adhäsion durch aktive (z.B. erhöhte Expression von Adhäsionsmolekülen) oder passive Mechanismen (z.B. über extrazellulär wirkende Liganden) zu steigern. Wir suchten auch nach möglichen Korrelationen zwischen dem Vorhandensein von Cortisol und den messbaren Zelladhäsions- bzw. Zellausbreitungseffekten. Es zeigte sich, dass die Adhäsion bei den Speichelproben mit hohen Cortisolspiegeln geringer ist als bei den Proben mit normaler Cortisolkonzentration.

Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus?

SCHMALZL: Basierend auf den Ergebnissen können wir sagen, dass Speichel nicht nur eine Art Umweltelement ist. Er wirkt aktiv auf die Funktion der Zellen und Gewebe in der Umgebung des Zahns und kann auch die Adhäsions- und Migrationsfähigkeit der Zellen beeinflussen. Diese Forschung bietet die Möglichkeit, eine neue, schnelle, kostengünstige, nicht invasive und empfindliche Methode zu entwickeln. Dies würde es ermöglichen, einen Test – mit Verwendung einer einfachen Gingiva-Zelllinie als Referenzmodellzelle und mit Hilfe eines Zelladhäsions-Speicheltests – zur Beurteilung des klinischen Status von oralen Erkrankungen einzuführen. Damit könnte die Verwendung teurerer Immunoassays vermieden werden.

Sind weitergehende Studien geplant?

SCHMALZL: Eine detailliertere Kartierung der Anamnese und des Krankheitsbildes der Patienten sowie die Untersuchung der Korrelation vor diesem Hintergrund wären die Aufgaben der Zukunft.

Bitte um eine kurze Darstellung Ihres Lebenslaufs!

SCHMALZL: Ich bin in Ungarn geboren und habe an der Budapester Semmelweis-Universität studiert. Während meines Studiums habe ich zwei Jahre lang im Wissenschaftlichen Studentenkreis am Institut für Genetik, Zell- und Immunbiologie gearbeitet. Dort habe ich den Einfluss von parodontalen Erkrankungen und oralen Tumoren auf die Zusammensetzung von zellulären und nichtzellulären Elementen des Speichels untersucht. Meine Berufspraktika habe ich an der Klinik für Parodontologie und an der Klinik für Oralchirurgie absolviert. Nach meiner Promotion im Jahr 2014 bin ich nach Österreich übersiedelt. Hier habe ich an verschiedenen zahnmedizinischen Fortbildungen teilgenommen. Derzeit bin ich bei der ÖGK als Zahnärztin angestellt, befinde mich aber zurzeit in Karenz mit meinem zweiten Kind.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

SCHMALZL: Der Gewinn des ODV-Wissenschaftspreises motiviert mich sehr, nach einer Möglichkeit zu suchen, um diese Forschung fortzusetzen. Da ich meinen jetzigen Job auch sehr mag, würde ich mich freuen, wenn sowohl die Forschung als auch die ambulante Tätigkeit gleichzeitig möglich wären.

Gibt es noch einen Punkt, der Ihnen besonders am Herzen liegt?

SCHMALZL: Es mag ein Klischee sein, aber ich halte Prävention für eines der wichtigsten Themen in der (Zahn-)Medizin. Ich denke, diese hängt auch eng mit der Edukation der Patienten zusammen. Es ist wichtig, die Patienten und Patientinnen darauf hinzuweisen, auf sich zu schauen und Acht zu geben!

Herzlichen Dank für das Interview!

Priv.-Doz. Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

Dr. Ulla Laura Schmalzl