Grazer Schule - Individuelle Bedürfnisse und Kongress für Zahnmedizin

ZMT sprach mit Prof. DDr. Norbert Jakse über neue Entwicklungen an der Grazer Univ.-Klinik für Zahnmedizin und Mundgesundheit sowie den Österreichischen Kongress für Zahnmedizin, der im Oktober in Graz stattfindet.

Welche Neuigkeiten gibt es an der Grazer Universitätsklinik für Zahnmedizin und Mundgesundheit?

JAKSE: Eine unserer wesentlichen Intentionen ist es, verstärkt daran zu erinnern, dass Zahnmedizin (in Graz) eine medizinische Profession ist; wir sind (Zahn-)Mediziner. Das Kauorgan ist ein menschliches Organ, das im Gesamtkontext der Gesundheit zu sehen ist. Wir sind Teil der Medizin und behandeln unsere Patienten und Patientinnen ganzheitlich nach dem biopsychosozialen Ansatz und nach ihren individuellen Bedürfnissen. Auch im Rahmen der Medizinischen Universität Graz und des Universitätsklinikums sehen wir uns als „Teil des Ganzen“ und halten die Interdisziplinarität hoch. Ganz in diesem Sinne möchten wir uns zu einer Grazer (Zahn-)Medizinischen Schule weiterentwickeln.Die Ausbildung des Nachwuchses hat höchste Priorität. Es liegt in unserer Verantwortung, dass nachkommende Zahnärzte und -ärztinnen später mit höchster Qualität behandeln können. Die Ausbildung ist dabei in jeder Phase von wissenschaftlichen Weiterentwicklungen geleitet. Interdisziplinarität zieht sich auch über das gesamte Zahnmedizinstudium. Wir haben mit allen Fächern der Medizin einen neuen Lernzielkatalog abgestimmt und werden in einem nächsten Schritt daran angepasst den klinischen Abschnitt neu organisieren – im Sinne der Grazer Schule. Die Zeit von Corona haben wir auch dazu genützt, eine Postgraduate Dental School Graz zu etablieren, die nicht nur im Sommer, sondern über das gesamte Jahr Curricula und Kurse anbieten wird. Hinsichtlich unserer Patienten legen wir aktuell einen ganz wesentlichen Fokus auf die Verbesserung der Betreuung von Patienten mit besonderen Bedürfnissen. Mit Unterstützung der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft konnten wir eine entsprechende Ambulanz einrichten. Bei der Behandlung von Patienten mit besonderen Bedürfnissen denkt man ja vor allem an Behandlungen in Narkose. Das sollte aber nur die Ultima Ratio sein. Mit entsprechender Hinwendung kann in vielen Fällen auch ohne Narkose behandelt werden. Eine wertschätzende, auf individuelle Einschränkungen und Bedürfnisse eingehende zahnmedizinische Betreuung liegt uns sehr am Herzen. Auch bei Patienten mit besonderen Bedürfnissen soll damit eine nachhaltige Mundgesundheit erreicht werden. Ein weiterer wesentlicher Schwerpunkt ist die Digitalisierung. Wir haben das Privileg einer modernst ausgestatteten Klinik, und Ziel ist, dies zu nützen und durchgängige digitale Workflows in diversen Bereichen und bei verschiedenen Behandlungen in der Routine zu etablieren.

Wieso heißt der Zahnärztekongress nun „Österreichischer Kongress für Zahnmedizin“?

JAKSE: Erstens um die „Medizin“ – wie schon erläutert – stärker zu betonen. Der zweite Grund ist, dass heute in der Zahnmedizin Studentinnen und Absolventinnen zunehmend in der Mehrheit sind. Die von der ÖGZMK beschlossene Namensänderung soll im Sinne der Gender-Thematik also auch ein Zeichen in Richtung der Kolleginnen sein. Weiters richtet sich diese Veranstaltung ja nicht nur an die Zahnärzteschaft, wie der Name „Zahnärztekongress“ suggeriert, sondern gleichermaßen an die für unseren Berufsstand so wichtige zahnärztliche Assistenz sowie die Zahntechnik.

Was sind Thema und Schwerpunkte des heurigen Kongresses?

JAKSE: Das Kongressthema lautet „Personalisierte Zahnmedizin – Individuelle Bedürfnisse und angepasste Therapien“. Dies bildet sich auch in der Gliederung der Veranstaltung in Form von „Generationentagen“ ab. Am Donnerstag (6. Oktober) geht es um die „Jungen“, am 2. Tag um die „Junggebliebenen“, also Menschen mittleren Alters, und am 3. Tag um die „ewig Jungen“. An jedem Tag werden alle Fachbereiche der Zahnmedizin zu spezifischen Themen der Altersgruppen sprechen: Damit sind wir wieder bei der personalisierten Zahnmedizin. In den beiden Hauptsälen kommen internationale und nationale Spitzenvortragende zu Wort. Am Ende jeder Session wird in den meisten Fällen ein/-e Fachvertreter/-in unserer Klinik und somit unserer „Schule“ für eine Synopsis sorgen. Natürlich wird es auch zahlreiche Workshops geben und darüber hinaus in Kooperation mit einer jungen Berliner Galerie auch ein „Kunst trifft Wissenschaft“- Projekt. Den Festvortrag wird der steirische Film- und Theaterschauspieler Johannes Silberschneider halten.

Auf welche Highlights dürfen sich die Besucher noch freuen?

JAKSE: Nach der Eröffnung wird es einen „Steirischen Abend“ mit Spanferkelessen geben – zumindest die Kongressveranstalter werden in Tracht kommen. Am Freitagabend findet eine Charity-Veranstaltung am Dach des Kastner&Öhler-Gebäudes in Form einer Party mit Cocktails etc. statt. Der Erlös soll einem Jugendlichen mit schweren Zahnfehlbildungen zu Gute kommen – Details wurden noch nicht abschließend festgelegt. Am Samstag wird ein allgemeines Golfturnier am Golfplatz Murhof stattfinden.

Wie sehen die Pläne aus, falls wir im Herbst wieder mit einer starken Corona-Welle konfrontiert sein sollten?

JAKSE: Wir haben mittlerweile durchaus Erfahrung in der Veranstaltung von Kongressen in Pandemiezeiten. Unter anderem organisierten wird sehr erfolgreich im Schloss Seggau unser Herbstsymposium als Hybridveranstaltung. Wir sind jedenfalls vorbereitet und werden den Zahnmedizinkongress in Graz verantwortungsvoll an mögliche neuerliche Pandemiewellen angepasst abwickeln. Derzeit bin ich aber optimistisch, dass dies nicht notwendig sein wird.

Herzlichen Dank für das Interview!

Priv.-Doz. Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

Prof. DDr. Norbert Jakse