Leserbrief: Quo vadis, Universitätszahnklinik Wien?? – Resümee eines Erzürnten

Am 6. September des heurigen Jahres, kurz bevor der 45. Österreichische Zahnärztekongress seine Pforten in der Hofburg Wien öffnen sollte, wurde die Kongressleitung von der Leitung der Universitätszahnklinik Wien von dem Umstand in Kenntnis gesetzt, dass sämtliche Vortragende der Wiener Klinik nicht in persona zu ihren Vorträgen erscheinen würden. Die aktuelle Coronasituation erfordere ein vorsichtiges Vorgehen, man sei der Sicherheit der Mitarbeiter*innen sowie der Aufrechterhaltung der Patientenversorgung in Verantwortung. Na bumm, das trifft einen Veranstaltungsorganisator wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Fairerweise sei hier erwähnt, dass die Klinikleitung bereits im April auf die Gefahren, die von Corona ausgehen könnten, hingewiesen hat. Welch Weitblick, das hat ja zum damaligen Zeitpunkt keiner ahnen können. Und – auch das sei gesagt – man hat auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Zahnärztekongress als Hybridveranstaltung auszurichten. Eh kein Problem, bei insgesamt sechs parallel laufenden Fortbildungsschienen. Weder technisch noch wirtschaftlich, denn das leicht gerötete Budget, das eine Ausrichtung dieser Großveranstaltung nur durch die freundliche finanzielle Absicherung durch den Verband der ÖGZMK zuließ, hat ja nur auf weitere Ausgabenpositionen gewartet. Und gewartet hat auch die zahnärztliche Teilnehmerschaft, nach Monaten von hybrid, zoom, virtuell, distance etc. sich endlich einen in die Hofburg eingestreamten Vortrag zu Gemüte zu führen. Die Prunksäle der Wiener Hofburg sozusagen als Fortbildungskino umfunktioniert. Vielleicht war es die gerechte Strafe, die den ungehorsamen Kongresspräsidenten ereilt hat, dass er dem Wunsch der Universitätszahnklinikleitung nicht entsprochen hat. Es war doch klar, dass die Coronafallzahlen ansteigen würden, und da sind restriktive Schritte unerlässlich. Eigenartigerweise jedoch nicht für die Universitätszahnklinik Wien. Die Sensengasse muss so eine Art coronafreie Zone sein, denn während die Vortragenden der Wiener Zahnklinik „ersucht“ wurden, die Hofburg anlässlich des Zahnärztekongresses nicht zu betreten, war es offensichtlich kein Problem, dass klinikfremde Zahnärztinnen und Zahnärzte zeitgleich in das Gebäude der Universitätszahnklinik strömen, um dort einer kieferorthopädischen Fortbildung beizuwohnen. Und der eine oder die andere kamen womöglich direkt aus der Hofburg? Ach ja, da waren ja auch noch die Studierenden der Wiener Universitätszahnklinik, die gerne zum Kongress gegangen wären und sich gefreut hätten dort mitzuhelfen und die Veranstaltung miterleben zu können. Zahnärztekongress inside, sozusagen. Nur aus der Freude wurde leider nichts. Die Studierenden wurden ja auch „ersucht“ einen Respektabstand zur Hofburg zu wahren. Schade! Junge, hochmotivierte und interessierte Menschen, sympathisch, freundlich, die aus dem Wiener Nachtleben zwar direkt ungehindert in die Sensengasse torkeln könnten, nicht aber zu einer wissenschaftlichen Veranstaltung mit umfassenden Corona-Sicherheits-und Präventionskonzepten gehen dürfen. Oh Entschuldigung – ich vergreife mich schon wieder in der Wortwahl. Sie hätten ja gehen dürfen, sie wurden ja nur „ersucht“ nicht hinzugehen. Oder gab es doch ein Verbot oder eine Dienstanordnung, oder einen gefinkelten, mit der Rechtsabteilung ausgeklügelten Schachzug? Der Verfasser dieser Zeilen möchte nicht spekulativ erscheinen oder etwa mit subtilen Unterstellungen provozieren, nichts läge ihm ferner. Also bleiben wir bei den Tatsachen. Es gab zu keinem Zeitpunkt in der Kongressvorbereitungsphase ein diesbezügliches offizielles Schreiben, das dem Veranstalter vorgelegt worden wäre. Dies ist ein Faktum. Nun erscheint es aber doch legitim, sich wieder in den spekulativen Graubereich zu begeben. Denn wenn das Fernbleiben der gesamten Wiener Zahnkliniktruppe auf einem reinen Ersuchen der Klinikleitung basierte, dann fragt man sich, warum die werte Professorenschaft und der Mittelbau nicht entschieden haben, sich diesem Ersuchen zumindest teilweise zu widersetzen. Man hätte wohl einen Kompromiss eingehen können, z.B. „Ich halte meinen Vortrag, vertrete dadurch würdig meine Klinik, und danach verlasse ich die Hofburg umgehend wieder“. Dies erschiene unter den gegebenen Umständen als lebbarer Kompromiss. Aber hätte man in so einem Fall an der Wiener Universitätszahnklinik gar mit Repressalien durch den Vorstand zu rechnen gehabt, würde man sich seinem Ersuchen widersetzen? NEIN, also der Verfasser distanziert sich vehement von diesem Gedanken. Völlig ausgeschlossen in einer modernen, demokratisch zivilisierten und akademischen Welt. Völlig undenkbar von einem honorigen, hochgebildeten und hochdekorierten Mann. Aber was war es dann, was die Vortragenden der Wiener Universitätszahnklinik davon abgehalten hat, als wissenschaftliche Fahnenträger*innen das Ansehen ihrer Alma mater hochzuhalten und in den befruchtenden wissenschaftlichen Diskurs mit den Angehörigen ihrer Schwesteruniversitäten zu treten? Wir werden es wohl nie erfahren …

Was haben wir hingegen erfahren?

… dass jeder – auch die zahnmedizinische, wissenschaftliche Elite der Universitätszahnklinik Wien ersetzbar ist, und zwar in kürzester Zeit. … dass im akademischen Netzwerk in Österreich eine wohltuend hohe Solidarität besteht, wo gerne ausgeholfen wird, wenn es eng wird. … dass Veranstalter und Anbieter von zahnmedizinischen Fortbildungen gut beraten sind, bei der Planung mit Angehörigen der Universitätszahnklinik Wien vorsichtig zu sein – mit einer einzigen Ausnahme. … dass alle (wirklich alle?) froh waren, dass der 45. Österreichische Zahnärztekongress als Präsenzveranstaltung so erfolgreich stattgefunden hat. … dass die Hofburg ein sensationeller Veranstaltungsort ist.

Dipl.-Ing. Clemens Keil, Wildon