Spezialambulanz - Mundschleimhauterkrankungen im Fokus

Ing. DDr. Edelmayer, Abteilung für Orale Chirurgie, Universitätszahnklinik Wien, studierte in Wien Medizin und Zahnmedizin. Seit 2016 leitet er die Spezialambulanz für Mundschleimhauterkrankungen. 2019/20 war er ITI Fellow an der University of Connecticut, seit dem heurigen Jahr fungiert er als ITI Study Club Director Wien und ist in der Privatordination mit Schwerpunkt orale Chirurgie tätig. Edelmayer erhielt u.a. den Rudolf-Slavicek-Preis. ZMT sprach mit dem Experten über das Thema „Mundschleimhauterkrankungen“.

Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an unserer Mundschleimhaut?

EDELMAYER: Die Besonderheit der Mundschleimhaut liegt in der Vielseitigkeit der Aufgaben. Sie dient als Barriere und soll Mikroorganismen sowie Toxine vom Eindringen abhalten. Von Bedeutung ist hierbei sowohl die mechanische Barriere als auch der Speichel (IgA) sowie Langerhanszellen, T- und BLymphozyten. Der Geschmack ist ebenfalls eine einzigartige Aufgabe der Mundschleimhaut. Und alle diese Aufgaben werden bei einer hohen Dichte an residenten Bakterien (nur im Kolon ist sie höher) ausgeübt. Kommt es zu entzündlichen oder traumatischen Veränderungen, können diese Funktionen gestört sein, was zu Erkrankungen führen kann. Eine Besonderheit hierbei ist, dass im Laufe eines Lebens fast jeder Mensch betroffen ist. Die Aphthose ist eine weltweit stark verbreitete Erkrankung. Viele dieser Erkrankungen lösen vor allem einen hohen Leidensdruck aus und können die Lebensqualität stark beeinträchtigen.

Was sind die häufigsten Schleimhauterkrankungen/-veränderungen, die Sie an der Ambulanz sehen? Welche (weiterführenden) Untersuchungen werden am häufigsten durchgeführt?

EDELMAYER: Die häufigste Diagnose ist mit Abstand der orale Lichen planus, gefolgt von einer unspezifischen Gingivitis bzw. Stomatitis, Leukoplakie, Aphthose und dem „Burning-Mouth-Syndrom“ sowie Neoplasien aller Art (Fibrome, Papillome, Mukozelen usw.). Am häufigsten werden Biopsien für histologische Untersuchungen durchgeführt, gefolgt von direkter Immunfluoreszenz, ELISA für Antikörperbestimmungen, Abstrichen für bakteriologische oder mykologische Untersuchungen und Allergietests.

Wie ist der aktuelle Wissensstand betreffend Aphthen?

EDELMAYER: Die Ätiologie von Aphthen ist bis heute noch ungeklärt. Viele Vermutungen, wie bakterielle oder virale Beteiligungen, wurden bis dato nicht bestätigt. Aus meiner persönlichen Erfahrung spielen Mikrotraumata jeglicher Genese eine Rolle. Rezidivierende Aphthosen oder habituelle Aphthen können unterschiedlichste Hintergründe haben. Gehäuft kommen Aphthen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Immundefizienzen, Nährstoffmangel (Eisen, Folsäure, Vitamin B12), Allergien oder seltenen Erberkrankungen vor. Bei einem Teil der Patienten tritt die Aphthose auch idiopathisch auf. Die Behandlung erfolgt je nach Typ (Minor, Major, Herpetiform) und Beschwerden symptomatisch oder entzündungshemmend.

Was sind die wichtigsten Ursachen bzw. Risikofaktoren für Mundsoor? Wie kann man am besten vorbeugen? Kommt es häufig vor, dass die Nutzung eines (cortisonhaltigen) Asthmasprays zu Soor führt?

EDELMAYER: Mundsoor wird zum überwiegenden Teil durch ein Überwuchern von Candida albicans, einem Hefepilz, verursacht. Candida albicans kann in der Mehrheit der gesunden Patienten nachgewiesen werden. Der Mundsoor tritt daher als opportunistische Infektion auf, im Falle eines geschwächten Immunsystems. Die Risikofaktoren sind hierbei Alter, Erkrankungen, die zu einer Immundefizienz führen können (Diabetes, AIDS, Krebserkrankungen), akute Infektionskrankheiten, Medikamente (Antibiotika, Chemotherapeutika, cortisonhaltige Asthma-Sprays), Nährstoffmängel (Eisen, Folsäure, Vitamin B12) und Rauchen. Bei besonders jungen Patienten kann das noch nicht ausgebildete Immunsystem, bei besonders alten das schwächer werdende Immunsystem eine Pilzinfektion des Mundraums begünstigen. Für Ärzte und Zahnärzte gilt es weiters, auf eine reduzierte Speichelproduktion zu untersuchen sowie ein Augenmerk auf Prothesenträger zu legen. Die Prothesenstomatitis, bedingt durch Mikrotraumata, die durch schlecht sitzende und insuffizient gereinigte Prothesen entstehen können, ist eine ideale Eintrittspforte für eine Candidiasis. Vorbeugend hilft nur, das Immunsystem kompetent zu halten. Der Mundsoor bei der Anwendung von cortisonhaltigen Sprays tritt sehr häufig auf. Wichtig ist hierbei die richtige Inhalationstechnik (je nach Präparat), die Verwendung von Mundzwischenstücken, um die Ablagerung des Medikaments im Mundraum zu minimieren, und das Ausspülen des Mundes mit Wasser nach der Anwendung.

Welche Aspekte des Themas „Mundschleimhauterkrankungen“ liegen Ihnen noch besonders am Herzen?

EDELMAYER: Im Bereich der Mundschleimhauterkrankungen gibt es noch einen großen Bedarf an Forschung. Es gibt Erkrankungen, deren Pathomechanismen bis dato nicht vollständig geklärt und wodurch auch gezielte Therapien nicht vorhanden sind. Das Ziel für die Zukunft muss sein, hier mehr Forschungsarbeit zu leisten und neue Therapieansätze zu suchen. In der klinischen Forschungsgruppe der
Universitätszahnklinik Wien laufen hierzu Studien, die ich gemeinsam mit Fr. Dr. Janjic durchführe.

Herzlichen Dank für das Interview!

Priv.-Doz. Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

Ing. DDr. Michael Edelmayer