Graz: Zahnerhaltung, Parodontologie, Zahnersatz

Seit fast 30 Jahren ist Prof. Dr. Martin Lorenzoni an der Abteilung für Zahnerhaltung, Parodontologie und Zahnersatzkunde der Grazer Univ.-Klinik für Zahnmedizin und Mundgesundheit tätig. Mit 1. Juli dieses Jahres wurde er zum supplierenden Leiter der Abteilung bestellt. Aus diesem Anlass sprach ZMT mit Prof. Lorenzoni.

Herr Professor, können Sie uns Ihre Abteilung vorstellen?

LORENZONI: Im Sinne einer ganzheitlichen medizinischen Versorgung werden Patientinnen und Patienten unserer Abteilung in den Bereichen Zahnerhaltung, Parodontologie und Zahnersatzkunde behandelt. Wir sehen uns dabei als ein aktives, interdisziplinäres Team. Seit dem Umzug in das neue, hochtechnisierte Gebäude 2015 sowie durch personelle Veränderungen im Bereich der Klinikleitung haben sich einige Innovationen ergeben: Die Etablierung der Spezialambulanzen bietet sowohl für Kollegen/Kolleginnen aus dem niedergelassenen Bereich als auch klinikintern die Möglichkeit der Zuweisung bei speziellen Fragestellungen. Eine wegweisende Neuerung an der Abteilung ist die Implementierung einer separaten Parodontal-Unit. Dort werden Prophylaxemaßnahmen, funktionelle sowie parodontal-plastische Chirurgie nach aktuellem Stand der Wissenschaft durchgeführt. Derzeit erarbeiten wir ein Konzept für eine weitere Spezialambulanz „Alterszahnmedizin, Defektprothetik und Patient*innen mit Behinderung“, um den Herausforderungen einer sich ändernden Gesellschaft aktiv zu begegnen. Die Behandlung von Patienten soll immer im Konnex mit Forschung und Lehre stehen. Derzeit sind an der Abteilung 17 Ärzte und Ärztinnen für den klinischen Bereich, Forschung und Lehre inklusive Betreuung von ca. 70 Studierenden in den praktischen Kursen verantwortlich. Aufgrund der vorangegangenen Pensionierungswelle renommierter Kollegen kam es zu einer Übernahme und Neugestaltung verschiedener Lehrveranstaltungen durch die „Next Generation“. Dies alles bietet Mitarbeitern und Studierenden die Chance, innovative Konzepte mit tradiertem Know-how in Theorie und Praxis zu leben und zu erlernen.

Was tut sich im Bereich der Digitalisierung?

LORENZONI: Mit der Gründung der Spezialambulanz für „Restaurative Zahnmedizin und CAD/CAM-Technologien“ an unserer Klinik haben wir bereits vor Jahren den Grundstein dafür gelegt, die entsprechenden Fortschritte bei uns zu implementieren und mit anderen Spezialgebieten zu verknüpfen. In der restaurativen Zahnmedizin werden dabei die Möglichkeiten intraoraler und extraoraler digitaler Abformung sowie computergestützte Herstellungsmethoden keramischer und metallischer Materialien weitreichend ausgeschöpft. Stabilisierungsschienen werden großteils gedruckt, ebenso Abformlöffel. Wir verfügen auch über einen Metalldrucker, den wir z.B. für Stege, Gerüste, Kronen und Stiftaufbauten einsetzen. Es handelt sich hier um ein komplexes Feld, Schwächen bestehen teilweise in der Präzision und bei der Nachbearbeitung. Für die Herstellung von Stiftaufbauten ist der Drucker aber nahezu perfekt. Plattform-Innenverbindungen können wir allerdings noch nicht selber machen. Jedenfalls suchen wir derzeit IT-Techniker, die diese Anwendungen optimieren sollen. In Kooperation mit der „Klinischen Abteilung für Orale Chirurgie“ werden 3D-gedruckte Modelle und Hilfsmittel für die prächirurgische Planung sowie den intraoperativen Gebrauch hergestellt – sei es im Sinne von Zahn-Replikationen für Zahntransplantationen oder Operationsschienen für die navigierte Implantatchirurgie. Unser Ziel für die nächsten Jahre ist es, bereits bewähre Arbeitsabläufe in der digitalen Zahnmedizin weiter zu festigen und zu verbessern sowie die synergistischen Kräfte der einzelnen zahnmedizinischen Fachdisziplinen im Bereich der computergestützten Zahnheilkunde zu bündeln und in den klinischen Alltag zu führen. Nicht zuletzt sollen auch laufend neue Möglichkeiten auf dem Gebiet der digitalen Technologien in der Forschung, Lehre und klinischen Anwendung erarbeitet werden, um als Universitätsklinik weiterhin an vorderster Front der modernsten technischen Methoden zu stehen.

Wie sehen Ihre Erfahrungen mit der Sofortbelastung von Implantaten aus?

LORENZONI: Ich traue mich zu sagen, dass sie heute „state of the art“ ist und sich in der Praxis sehr bewährt hat. Bei Augmentationen sollte man sie nur mit Vorsicht anwenden, hier empfehle ich sie nicht. Neben Knochenquantität und -qualität ist auch die Auswahl der Patienten von großer Bedeutung. Es kommt stark darauf an, ob sie die entsprechenden Hygienemaßnahmen einhalten, ob sie auf Veränderungen achten etc. Bei uns laufen derzeit Studien über den Einfluss der Primärstabilität, die Korrelation mit der Knochenqualität sowie klinische Anwendungen der Sofortbelastung im Unterkiefer.

Wie sieht Ihr Blick in die Zukunft aus?

LORENZONI: Eines meiner Hauptziele ist es, den wissenschaftlichen Nachwuchs der Abteilung zu fördern und jede(n) Mitarbeiter(in) nach seinen/ihren Qualitäten und Präferenzen so zu positionieren, dass sie/er sich in der jeweiligen Aufgabe wiederfindet. Teamspirit sehe ich gerade bei den jüngeren Kollegen als essenzielles Instrument für eine universitäre Karriere an. Trotz der steigenden Studentenzahlen und den daraus resultierenden Umstrukturierungen bzw. Adaptierungen in den Praktika ist es mir ein großes Anliegen, das „Handwerk Zahnmedizin“ an die nächsten Generationen weiterzugeben. Unsere gemeinsame Anstrengung soll es sein, die Abteilung für die Übergabe an einen jungen, dynamischen Nachfolger in der nahen Zukunft optimal vorzubereiten. Trotz der zunehmenden Digitalisierung sollte ein ergebnisorientiertes Miteinander, in dem Ausgeglichenheit und Menschlichkeit gepaart mit Motivation und Einsatz zum Erfolg führen, das Leitbild der Abteilung sein.

Herzlichen Dank für das Interview!
Priv.-Doz. Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

Prof. Dr. Martin Lorenzoni