Im Dienst für die Menschen - Medizin für Körper und Seele

Am 26. September wurde Dr. Johannes Kirchner, Zahnarzt aus Wien, mit begnadeter Stimme und großer Liebe zum früheren Zahnmuseum, von Kardinal Christoph Schönborn mit zwölf anderen Weihekandidaten zum ständigen Diakon geweiht. Wir sprachen mit ihm über seine Beweggründe, seine Visionen und seine Ziele.

Herr Dr. Kirchner, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu diesem mutigen Schritt. In der heutigen Zeit wird es ja immer seltener, dass Menschen sich öffentlich trauen, ihren Glauben zu bekennen. Waren Sie schon immer ein gläubiger Mensch?

KIRCHNER: Ich hatte das große Glück, schon von klein auf immer auf Menschen zu treffen, die mir Gottes Liebe und Zuneigung glaubwürdig vermittelten. Wenn mir auch als Kind religiöse Zeremonien endlos und fad erschienen, haben diese Begegnungen dennoch in mir eine tiefe Sehnsucht geweckt, diesem mir unendlich fern scheinenden Gott nahe  zu kommen. Später hatte ich Erlebnisse, bei denen ich plötzlich den Eindruck hatte, Gott ganz nahe zu sein. Zwar waren diese Momente extrem kurz und schon nach wenigen Augenblicken war ich mir nicht mehr sicher, ob es nicht nur Einbildungen waren. Allein das Glücksgefühl, das sie in mir ausgelöst haben, war so schön, dass ich mich danach sehnte, sie immer wieder zu erfahren. Heute kann ich mich oft des Eindruckes nicht erwehren, dass ER ständig bei mir ist. Leider gibt er mir nicht wie Don Camillo die Möglichkeit, mit ihm zu sprechen, und dann bin ich oft ratlos, was er mir vielleicht hätte sagen wollen. Nicht selten passiert aber dann etwas, das man als Antwort deuten könnte. Das kann positiv oder negativ sein, beweisbar aber ist all das nicht. Ein Buch über Evolutionstheologie, geschrieben von einem Mediziner, der die Schöpfung sehr wissenschaftlich als ein gewaltiges Chaos darstellt, hat mich sehr verstört. Kurz darauf las ich ein Werk des berühmten Theologen und Mediziners DDr. Johannes Huber „Es existiert“. Darin beschreibt er, wie die unplanmäßig erscheinende Menschheitsgeschichte dazu führt, dass jedes Lebewesen ein einzigartiges, gar nicht „vorhersehbares“, Unikat ist, das sich stetig weiterentwickelt und verändert. Außerdem können wir einander über die Epigenetik verändern. Das bedeutet, dass wir in der Begegnung mit anderen zu Mitschöpfern oder besser Mitentwicklern werden. So kann jeder von uns für andere zum Heil oder Unheil werden. Dies war letzten Endes für mich der Anstoß, Diakon werden zu wollen.

Was ist ein „ständiger“ Diakon und welche Aufgaben übernimmt er?

KIRCHNER: Ständige Diakone sind geweihte Diener der Kirche. Es gibt sie hauptamtlich oder – so wie bei mir – ehrenamtlich. Früher als Vorstufe zum Priester, gibt es seit nunmehr 50 Jahren diesen Dienst auch für (meist) verheiratete Laien. Sie unterstehen im Gehorsamsversprechen dem jeweiligen Bischof und seinen Priestern, vor allem aber soll ihr Wirken den ihnen anvertrauten Menschen dienen. Dass die Ehefrauen ihre Zustimmung zur Weihe geben müssen, soll sicherstellen, dass nicht der diakonale Dienst die Ehe gefährdet oder gar in Frage stellt. Ein Diakon darf das Evangelium verkünden, predigen, bei der Messe dem Priester „zur Hand gehen“, taufen, bei Trauungen assistieren und Begräbnisse leiten.

Als engagierter Zahnarzt, vielbeschäftiger Sänger und großer Liebhaber der Geschichte der Zahnmedizin sind Sie ja nicht gerade unterbeschäftigt. Wie finden Sie noch Zeit für diese verantwortungsvolle Tätigkeit?

KIRCHNER: Eigentlich geht dieser Dienst nahtlos in mein Leben über. Ich habe schon früher als Lektor, Kantor, Kommunionspender, Pfarrgemeinderat und Liturgieausschussleiter, später auch als Wortgottesdienstleiter, das kirchliche Leben meiner Gemeinde mitgestalten dürfen.

Was sagt Ihre Familie dazu?

KIRCHNER: Ehrlich gesagt ist meine Familie mein größtes Regulans. Meine Frau hat schweren Herzens meinen Schritt mitgetragen, aus Angst, ich könnte dann noch weniger Zeit für die Familie haben, und unsere Kinder hinterfragen sehr oft und gerne das Tun ihres Vaters. Dafür muss ich aber sehr dankbar sein, denn so ist meine Familie für mich ein Sicherheitsnetz, damit ich nicht abgehoben oder weltfremd agiere und mich nicht allzu
wichtig nehme.

Wie haben Sie ganz persönlich die sehr feierliche Weihe im Wiener Stephansdom erlebt?

KIRCHNER: Eigentlich habe ich erwartet, dass bei der sehr feierlichen Handauflegung des Bischofs etwas PASSIERT! Da war aber nichts. Als ich jedoch in den Stephansdom einzog, den großartigen Raum spürte und die Menschen rechts und links stehen sah, da kamen mir die Tränen. Ich fühlte mich von diesen Menschen getragen. Das war der tollste Moment der Weihe.

Hat das neue Amt, oder besser, diese Berufung, auch Auswirkungen auf Ihren beruflichen Alltag?

KIRCHNER: Jeder, der mich kennt, weiß, wie gerne ich plaudere. Leider – wie meine Tochter erst kürzlich wieder vermerkte – oft monologisiere. Trotzdem habe ich festgestellt, wie sehr ich in letzter Zeit beim Gespräch mit meinen Patienten auf ihre persönlichen Befindlichkeiten zu sprechen komme, wie oft sie mir ihre Sorgen und Nöte anvertrauen und auch da spüre ich, dass mich meine Ausbildung verändert hat.

Was wollen Sie bewegen, wo sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer kirchlichen Arbeit?

KIRCHNER: Schon in den letzten Jahren habe ich mich vor allem darum bemüht, heiße Eisen anzufassen. In der Langen Nacht der Kirchen waren mir Themen wichtig wie: Humor in der Kirche, der interreligiöse Dialog mit Juden, Muslimen, Buddhisten und Hindus, gemeinsames Musizieren und Tanzen in unterschiedlichen Religionen oder „Die Frau in der Kirche“. Heuer war die Flüchtlingsthematik vorgesehen. Leider musste das Programm aufs nächste Jahr verschoben werden. Eine weitere wichtige Aufgabe sehe ich darin, jungen Menschen den Weg zu Gott zu zeigen, wobei mein Wahlspruch immer ist: Ich möchte Gott in seinem Bemühen, zu den Menschen zu kommen, möglichst nicht im Weg stehen. Auch den verschiedenen Formen des Musizierens und der künstlerischen Entfaltung von Jung und Alt in allen Variationen versuche ich Raum in unserer Kirche zu geben. Dabei bin ich bestrebt, durch möglichst wenige Vorgaben den Menschen zu ermöglichen, ihre eigenen Talente zu einzubringen.

Was ist für Sie ganz persönlich dabei besonders wichtig?

KIRCHNER: Immer ehrlich und weltoffen zu bleiben und den Menschen dort zu begegnen, wo sie gerade stehen.

Herzlichen Dank für das Gespräch, das Dr. Birgit Snizek führte.