Die komplexe Lebenswelt unsere Mundhöhle ZAHNALARM – das Buch für Patienten und das Zahnteam

Parodontitis und Gingivitis zählen zu den häufigsten Erkrankungen weltweit. Neben Schmerzen, Zahnfleischbluten und Mundgeruch droht bei Abbau des Kieferknochens eine Lockerung der Zähne und frühzeitiger Zahnverlust.

Zwar besteht, oft schon aus ästhetischen Gründen, der Wunsch nach möglichst langer Erhaltung der eigenen Zähne, dennoch werden chronisch verlaufende orale Entzündungen von vielen Patienten immer noch als ausschließliches „Zahnproblem“, das man im Notfall mit Extraktion und anschließender technischer Versorgung durch Brücken,
Implantate oder Prothesen beheben kann, betrachtet.

Wechselbeziehung zwischen Zähnen und Organismus

Die Mundhöhle ist keineswegs ein in sich abgeschlossener Bereich. Sie steht vielmehr in direkter Verbindung mit allen Bereichen unseres Körpers. Nahrung gelangt über den Mund in den Verdauungstrakt, Atemluft in die Bronchien und die Lunge. Die feinverästelten Gefäße, die unser Zahnfleisch versorgen, bringen bei Entzündungen der Gingiva und des Parodontiums mögliche Krankheitserreger auf direktem Weg zu den inneren Organen. Die Mundhöhle wird damit zu einer zentralen Drehscheibe für die Gesundheit des gesamten Organismus. Diese Tatsache ist leider den wenigsten Patienten bekannt. Zwar werden bei der ersten Konsultation eines neuen Zahnarztes im Anamnesebogen Fragen nach einigen wichtigen Systemerkrankungen gestellt, vielfach aber eher nachlässig beantwortet. Dem Patienten sind Zusammenhänge zwischen seiner mangelnden Mundgesundheit und Krankheiten wie Diabetes, Hyperlipidämie, Rheuma, Atherosklerose, kardialen Problemen und sogar der Alzheimerdemenz und der Parkinsonerkrankung oftmals in keiner Weise bewusst. Dabei waren einige der oft erstaunlich engen Wechselwirkungen zwischen Zahn und Körper bereits den Gelehrten antiker Hochkulturen bekannt. Durch die zunehmende Spezialisierung medizinischer Fachbereiche wurde in der Neuzeit diese interdisziplinäre Betrachtungsweise des Menschen vernachlässigt. Erst in den letzten Jahren rücken ganzheitliche Fragestellungen wieder in den Brennpunkt des Interesses.

Das Mikrobiom „spricht“ mit dem Körper

Ausgangspunkt der Zahn-KörperBeziehung ist das orale Mikrobiom, also die höchst artenreiche und individuell variable Lebensgemeinschaft von Bakterien, Pilzen, Viren, Phagen und sogar Einzellern, welche Zähne, Zahnfleisch und Mundschleimhaut besiedeln. Das Mikrobiom und die körpereigenen Zellen der Mundhöhle bilden ein Ökosystem, welches in seiner Funktion durchaus mit großen Lebensräumen wie Wald, Wiese, Fluss oder Meer vergleichbar ist. Veränderungen in der Zusammensetzung des Mikrobioms haben direkten Einfluss auf die persönliche Anfälligkeit oder Resistenz gegenüber Infektionen. Mikroben kommunizieren nicht nur miteinander, sondern treten über Botenstoffe und Stoffwechselprodukte auch mit unseren körpereigenen Zellen und Geweben in unmittelbaren Kontakt und können diese manipulieren und modifizieren. Der Grat zwischen einem gesunden „normalen“ Mikrobiom und einer krankmachenden Mundflora ist schmal. Pathologische Wechselwirkungen zwischen Systemerkrankungen und oralen Entzündungen führen zu einem regelrechten Klimawandel in der Mundhöhle. Ganz wie bei großen Ökosystemen ist dann eine Verarmung an beteiligten mikrobiellen Arten ein Zeichen der Destabilisierung des biologischen Gleichgewichts in unserem Mund. Aggressive Keime nehmen überhand, greifen Zahnfleisch und Schleimhaut an und lösen vor Ort eine massive Entzündungsreaktion aus. Dadurch könne sowohl die Keime als auch die Botenstoffe der Entzündung in die undicht gewordenen Blutgefäße eindringen und auf diesem Weg im Körper verteilt werden – mit entsprechend verheerenden Folgen für unsere Gesamtgesundheit.

Wissen stärkt das Gesundheitsbewusstsein

Der „Kleinkrieg der Bakterien in der Zahnfleischtasche“ als Ursache der Zerstörung des Zahnhalteapparates wird im Buch „Zahnalarm“ ebenso erläutert wie der Einfluss von Gingivitis und Parodontitis auf Erkrankungen, die der Patient in keiner Weise mit Zahnproblemen in Verbindung bringen würde. Gastritis und sogar Krankheiten des Auges wie Glaukom und Makuladegeneration haben Korrelationen zu oralen Entzündungen. Der Darm kann bei chronischen Erkrankungen ein „Spielplatz“ von Mundbakterien werden und aggressive Parodontitiskeime „nagen an unserem Herzen und an den Blutgefäßen“. Umgekehrt können Veränderungen des Hormonstatus, wie sie ganz natürlicherweise in der Pubertät, in der Schwangerschaft und im Wechsel auftreten, der Mundgesundheit schwer zu schaffen machen. Das Buch „Zahnalarm“ ist kein Lehrbuch. Es möchte seinen Lesern vielmehr die faszinierenden Verbindungen zwischen dem „Planeten Mundhöhle“ und dem „Universum unseres Körpers“ in anschaulicher und auch heiterer Weise nahebringen. Die Frage „Warum können meine Zähne mich krankmachen?“ und „Weshalb ist es so wichtig, auf meine Mundgesundheit zu achten?“ sind die zentrale Themen dieses vor allem für interessierte Laien geschriebenen Buches. Der Zahnarzt und das Prophylaxeteam sind die wichtigsten Ansprechpartner für die korrekte Einschätzung einer Erkrankung und verantwortlich für deren Therapie. Das persönliche Gespräch und die Kommunikation zwischen Arzt und Patient bilden dafür eine solide Basis. Das Buch soll auch Anregung und Diskussionsgrundlage für das Zahnteam sein.

DDr. CHRISTA EDER

FA für Pathologie und Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at