ZIV – der Zahnärztliche Interessenverband: Gestern, heute, morgen

Bereits während der Absolvierung des zahnärztlichen Lehrgangs 1989 bis 1991 war MR DDr. Claudius Ratschew standespolitisch aktiv und als Studentenvertreter in den zahnärztlichen Interessenverband ZIV und die Ärztekammer kooptiert. Heute ist er unter anderem Präsident des Zahnärztlichen Interessenverbandes und der Wiener Landeszahnärztekammer, Pressereferent der Österreichischen Zahnärztekammer und Vorsitzender des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds. Thema im Gespräch mit ZMT waren vor allem der ZIV und die Coronakrise.

Wann ist der ZIV entstanden und warum?

RATSCHEW: Der ZIV wurde 1954 gegründet. Die standespolitische Situation war damals schlimm, es gab für Zahnärzte weder Honorar- noch Kassenverträge, nur ein provisorisches Verrechnungsabkommen mit sehr niedrigen Tarifen, keine effiziente Abrechnungsstelle, nichts. Es ging dem ZIV von Anfang an um die Vertretung der beruflichen Interessen, die Förderung der beruflichen Tätigkeit und die entsprechende Fortbildung der österreichischen Zahnärzteschaft. Der ZIV kämpfte für die Emanzipation der Zahnärzte und -ärztinnen und die Stärkung in der Gesamtärzteschaft. Früher, ohne eigene Kammer, mussten wir ja immer kooperieren und koalieren. Der ZIV hat die Schlichtungsstelle erfunden, die Abrechnungsstelle, Auseinandersetzungen mit den Zahntechnikern und den Kassen geführt. Manche glaubten, dass mit der Gründung der Zahnärztekammer 2006 der ZIV überflüssig geworden wäre. Das war ein Irrtum. Wenn zum Beispiel seitens der Politik Gesetze geändert werden sollen, überlegt sich der ZIV in Arbeitsgruppen, welche Strategien und Positionen die Zahnärztekammer vertreten soll. Der ZIV ist Vorfeldorganisation und Kaderschmiede der Kammer, leistet hinter den Kulissen Vorarbeiten.

Was waren/sind für den ZIV die größten Herausforderungen in CoronapandemieZeiten? Manche Zahnärzte äußerten ja Enttäuschung, was die Unterstützung bei der Beschaffung von Schutzausrüstung betraf?

RATSCHEW: Der ZIV war schon immer ein Bollwerk für die Freiberuflichkeit. Unser primäres Ziel während der Pandemiezeit bestand daher von Anfang an darin, die Arbeitsfähigkeit und damit die wirtschaftliche Existenz der niedergelassenen Zahnärzte zu sichern. Während sich andere darauf beschränkten, die Nerven wegzuwerfen und in sozialen und sonstigen Medien einen völlig sinn- und nutzlosen „Shitstorm“ gegen die Standespolitik zu inszenieren, arbeiteten die Funktionäre des ZIV, auch im Rahmen ihrer Ämter in der ZÄK, buchstäblich sieben Tage die Woche daran, gemeinsam mit Gesundheitspolitik, Sozialversicherungen und Dentalhandel dafür zu sorgen, dass wir Zahnärzte weiterhin unserer Tätigkeit nachgehen konnten. Sehr bald stellte sich ja heraus, dass die ambulanten Versorgungseinrichtungen des Staates die ersten waren, die ihren Betrieb am Beginn der Pandemie entweder massiv einschränkten oder sogar ganz geschlossen wurden. Es waren also hauptsächlich die niedergelassenen Zahnärzte, auf die sich die Bevölkerung immer verlassen konnte. Der ZIV hatte angesichts der damaligen Rahmenbedingungen in erster Linie zwei Prioritäten zu verfolgen: Erstens bemühten wir uns gemeinsam mit Gesundheitspolitik und Dentalhandel erfolgreich darum, die vorerst weltweit völlig vergriffenen Hygieneartikel auf den verschiedensten Wegen und nach regionalen Möglichkeiten wieder verfügbar zu machen. Zweitens ist es uns im Dialog mit der Sozialversicherung gelungen, für die Kassenvertragspartner unabhängig vom tatsächlichen Kassenumsatz eine Fortsetzung der Akontozahlungen in Höhe jener des Vergleichszeitraumes im Vorjahr zu erreichen, worum uns im Übrigen viele Ärzte anderer Fachrichtungen beneiden. Zusätzlich bemühte sich der ZIV auch durchgehend darum, seine Mitglieder über den bewährten und beliebten elektronischen Newsletter über alle wichtigen Informationen am Laufenden zu halten.

Was liegt dem ZIV noch am Herzen?

RATSCHEW:
Unsere Fortbildungsveranstaltungen sollen praxisbezogen sein, man soll das neu Gelernte gleich am nächsten Tag anwenden können. Weiters spielt Komplementär-/Ganzheitsmedizin in der Fortbildung eine wichtige Rolle. Wir möchten auch nicht zu stark Wienzentriert sein und haben im Vorstand Vertreter aus den Bundesländern. Das Kärntner Seensymposium – zusammen mit der ÖGZMK Kärnten – ist ein typisches Beispiel für eine Veranstaltung mit ZIV-Beteiligung weitab von Wien, im Süden Österreichs. Sehr beliebt sind unserer Praxismanagement-Kurse. In den Kursteilen spielt die Praxisgründung eine wesentliche Rolle, der Kurs ist daher auch für junge Zahnärzte relevant. Wir möchten hier eine objektive Darstellung des beruflichen Lebens nach dem Studium bieten. Schließlich sind 90% der Zahnärzte freiberuflich tätig. Im Gegensatz dazu sind in der Ärztekammer die angestellten Ärzte in der Mehrheit. Die Freiberuflichkeit ist ein hohes Gut und muss bewahrt werden. Wir sind gegen Verhältnisse wie in Deutschland, wo Investoren, Fonds etc. Praxen aufkaufen und die Zahnärzte dann unter finanziellem und Verkaufsdruck in Zentren arbeiten müssen. Auf diese Weise kann man den Beruf nicht ethisch ausüben. Solche Verhältnisse sind nicht im Sinn der Ärzte und Patienten. Ich sehe hier Krankenanstalten als Keimzelle des Übels. Sehr wichtig ist uns auch das Heranführen der Studenten an die Standespolitik.

Seit wann Sind Sie Präsident des ZIV?

RATSCHEW: Seit 2011. Ich bin damit der 4. Präsident nach Dr. Brenner, Dr. Freiding und DDr. Westermayer und kann auf der jahrzehntelangen, wichtigen und wertvollen Arbeit meiner Vorgänger aufbauen.

Wie viele Mitglieder hat der ZIV?

RATSCHEW: Wir haben rund 2800 Mitglieder, also zwei Drittel aller Zahnärzte. Die Altersverteilung ist recht ausgewogen, wir ermuntern Pensionisten, Mitglied im ZIV zu bleiben, und haben im Vorstand einen engagierten Seniorenvertreter.

Sie sind ja auch Pressereferent der Zahnärztekammer?

RATSCHEW: Ja, seit 2011. Meine Beiträge in der ÖZZ verstehe ich als pointiert, nicht als polemisch. Man ist im Alltag ja immer wieder mit Dingen konfrontiert, die man am besten mit Humor nimmt.

Ihre zahlreichen standespolitischen Aktivitäten sind ein zweiter Full-Time-Job?

RATSCHEW: Ja, das ist richtig. Ich habe sicher eine 70-Stunden-Woche.

Gibt es noch einen Punkt, den Sie erwähnen möchten?

RATSCHEW: Die standespolitische Stärke der Zahnärzte ist ihre Einigkeit, und das kommt im ZIV zum Ausdruck. Einigkeit und ZIV helfen uns in der täglichen standespolitischen Arbeit.

Danke für das Interview!

Priv.-Doz.
Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und
Medizinjournalist

peter.wallner4@gmail.com

MR DDr. Claudius Ratschew