MKG in Innsbruck - Viel Neues im Westen

Prof. DDr. Andreas Kolk stammt aus Wuppertal, er studierte in Düsseldorf und München Humanmedizin und in Düsseldorf und Greifswald Zahnmedizin. Nach Tätigkeiten in Kanada, Düsseldorf (Pathologie) und Greifswald (Pharmakologie) begann er 1994 seine Ausbildung zum Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an der Klinik und Poliklinik für MKG-Chirurgie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. 1996 wechselte er nach München (Klinikum rechts der Isar, TU München). Dort war er zuletzt stellvertretender Leiter der Klinik. Seit 1. September des letzten Jahres leitet er die Klinik für MKG-Chirurgie der Innsbrucker Zahnklinik. Aus diesem Anlass sprach ZMT mit Prof. Kolk.

Was sind Ihre fachlichen Schwerpunkte?

KOLK: Wissenschaftliche Schwerpunkte sind die zellbasierte Knochenregeneration und die Virotherapie mit onkolytischen Viren. Die zellbasierte Knochenregeneration findet bei minderwertigen Knochenverhältnissen Anwendung, etwa nach vielen Voroperationen mit entzündlichen Veränderungen, bei schlechter Durchblutung oder reduziertem Stoffwechsel (nach Bestrahlung oder durch Medikamente bedingt). Ein weiteres Beispiel wäre eine Situation, in der Implantate verloren gegangen sind und Vernarbungen und minderwertige Knochenverhältnisse bestehen. Verwendet werden vor allem Zellen aus dem Knochenmark oder Fett in Verbindung mit Wachstumsfaktoren. Damit kann man z. B. Implantate beschichten. Früher wurde die zellbasierte Knochenregeneration vor allem bei jüngeren Patienten angewandt, dies trifft heute nicht mehr zu. Die Grundidee für die Tumortherapie mit onkolytischen Viren gibt es schon lange, und es existieren viele vergleichbare Verfahren für diverse Krebsformen Die Virotherapie hat den Vorteil, dass die Therapie wiederholbar ist. Der „Flurschaden“ ist nicht so groß wie nach Chemotherapie und Bestrahlung, wo das Gewebe „verbrannt“ ist und die Patienten nicht mehr erneut behandelbar sind. Das ist deshalb von Bedeutung, weil heute Krebs häufig eine chronische Erkrankung ist. Ein maligner Tumor war früher ein Todesurteil, heute können die Patienten noch lange leben, auch wenn man keine kurative Therapie mehr durchführen kann. Es besteht auch die Möglichkeit, die Virotherapie mit Checkpoint-Inhibitoren zu kombinieren. Den Grundstein für diese Immuntherapie legten Allison und Honjo, die für ihre bahnbrechenden Entwicklungen 2018 den Nobelpreis erhielten. Seither wird der Einsatz der Immuntherapie auch in der Kombinationstherapie mit anderen Verfahren ständig erweitert. Klinischer Schwerpunkt ist die Mikrochirurgie zur Wiederherstellung von Funktion und äußerem Erscheinungsbild von Weichgewebe und Knochen z. B. nach notwendiger Tumorresektion. Die Mikrochirurgie ermöglicht es, körpereigenes Gewebe zu transplantieren. Die Blutgefäße werden mitverpflanzt und an die entsprechenden Gefäße am Empfängergebiet angeschlossen, so dass das Transplantat unabhängig von den Empfängergewebeeigenschaften ist.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne an der Klinik aus?

KOLK: Ich möchte die Tumor- und Rekonstruktionschirurgie weiterentwickeln und vor allem in der Onkologie meine Forschung weiterführen. Die Traumatologie wird selbstverständlich ein Schwerpunkt bleiben. In der „Interregnums“-Zeit nach Prof. Rasse sind Patienten mit Fehlbildungen abgewandert, wir möchten dieses Feld unbedingt zurückgewinnen und unser Einzugsgebiet auf Südtirol ausweiten.

Was liegt Ihnen noch am Herzen?

KOLK: Die Sicherung des Nachwuchses. Chirurgische Fächer haben heute nicht selten Nachwuchsprobleme und in der MKG-Chirurgie kommt noch die lange Gesamtausbildungszeit auf Grund der Doppelapprobation hinzu. Es ist daher noch
wichtiger als in anderen Fächern, junge Kollegen frühzeitig zu binden. Dies soll etwa durch Anbieten von zusätzlichen Kursen auf studentischer Ebene (z.B. Operieren unter dem Mikroskop) oder von Hospitationen im OP erreicht werden. Ich bin ein Anhänger des kompletten Spektrums der MKG-Chirurgie und damit der Doppelapprobation. Nur mit entsprechender Ausbildung kann man beispielweise nach Tumoroperationen Patienten wieder rehabilitieren und am Ende auch die notwendigen Implantate setzen. Ohne Doppelapprobation besteht die Gefahr von Wissenslücken.

Wie viele ÄrztInnen gibt es derzeit an der Klinik?

KOLK: Mit mir sind es 24 Mitarbeiter, wobei sich zwei Ärzte eine Stelle teilen. Vorgegeben ist ein 1:1-Verhältnis zwischen der Zahl an Oberärzten und Assistenten. Mein 1. Stellvertreter ist ein habilitierter Oberarzt aus München, und es wird noch eine Kollegin für die Tumorforschung und studentische Lehre dazustoßen, gegebenenfalls noch weitere Mitarbeiter aus der ehemaligen Münchner Klinik.

Gibt es noch einen Punkt, den Sie erwähnen möchten?

KOLK: Ich finde es in Innsbruck sehr schön und motivierend, dass die akademischen Wege sehr kurz sind. Alles befindet sich auf einem Campus, und die Hierarchien sind sehr flach. Es geht deutlich weniger hierarchisch als in München zu. Dies alles erleichtert Gespräche und Kooperationen.

Herzlichen Dank für das Interview!

Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

Prof. DDr. Andreas Kolk