Besondere Erfordernisse: Neue implantologische Konzepte für ältere Patienten

In der Implantologie schwinden die Kontraindikationen doch gleichzeitig wächst die Zahl der – zumeist älteren – Risikopatienten, die eine Implantatversorgung wünschen. Worauf es dabei ankommt, vermittelte Prof. Dr. Dr. Stefan Schultze-Mosgau in einem Praxiskurs der DGI in Jena.

Noch vor wenigen Jahren rieten Experten von Implantaten eher ab, wenn Patienten an Diabetes mellitus, an Osteoporose oder schweren Herz- Kreislauf-Erkrankungen litten. Dies hat sich geändert. Entsprechend steigt die Zahl der Patienten, die von Implantaten profitieren. Diese positive Nachricht hat eine Kehrseite: Zahnärztinnen und Zahnärzte müssen sich auf eine steigende Zahl von Risikopatienten einstellen. Dafür sorgen der demografische Wandel, die Epidemiologie chronischer Krankheiten und komplexe medizinische Therapien. „Der demografische Wandel erfordert neue implantologische Konzepte für ältere Patienten mit Komorbiditäten“, sagte Prof. Dr. Dr. Stefan Schultze-Mosgau, Direktor der Klinik für MKGChirurgie/Plastische Chirurgie des Universitätsklinikums Jena.
„Etwa ein Drittel der Patienten über 25 Jahre, die sich in zahnärztlicher Behandlung befinden, tragen Risikofaktoren“, rechnet DGI-Präsident Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz (Wiesbaden) vor. Bei einem gut eingestellten Diabetes-Patienten spricht nichts gegen Zahnimplantate. Allerdings sind ausgeprägte Entzündungsprozesse oder die Auswirkungen eines metabolischen Syndroms auf die Blutgefäße bei Diabetikern relevante Risikofaktoren. Dies gilt auch für verschiedene medikamentöse Therapien, wie etwa eine Behandlung mit Antiresorptiva.
Was es zu beachten gilt, haben die Experten der DGI zusammen mit den Fachleuten anderer Gesellschaften in Leitlinien beschrieben. Es gibt Leitlinien der höchsten Qualitätsstufe S3 zu den Themen „Zahnimplantate bei Diabetes mellitus“ sowie „Zahnimplantate bei medikamentöser Behandlung mit Knochenantiresorptiva“, zu denen u.a. die Bisphosphonate gehören, die bei Osteoporose und onkologischen Erkrankungen eingesetzt werden. In der Phase der Finalisierung befindet sich die Leitlinie „Implantate bei Immunsuppression und Immundefizienz“.
Durch alle Empfehlungen zieht sich eine Botschaft: Die Implantat-Therapie muss dem jeweiligen Risikoprofil eines Patienten angepasst werden. Dieser Prozess beginnt bereits bei der Auswahl des Implantatsystems und bei der Planung des Eingriffs. „Wenn beispielsweise ein Patient mit Antiresorptiva behandelt wird und ein Implantat bekommen soll, profitiert er von einem vorgeschnittenen Gewinde. Bei Patienten mit einer Parodontitis in der Vorgeschichte geben Experten einem Implantat den Vorzug, dessen Schulter auf der Ebene des Weichgewebes endet“, resümiert Professor Grötz. Bei Patienten mit gestörtem Knochenstoffwechsel ist eine Sofortimplantation nicht angezeigt.
Nicht einfach ist auch die Therapieentscheidung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und anderen rheumatischen Erkrankungen. Bei diesen entzündlichen Erkrankungen gibt es eine wechselseitige Beziehung zur Parodontitis und es werden häufig Medikamente eingesetzt, die das Immunsystem unterdrücken. Klare Empfehlungen gibt es in diesem Bereich nicht, sondern nur den Rat, die Indikation sehr streng zu stellen.

DREI FRAGEN AN PROF. DR.DR. STEFAN SCHULTZEMOSGAU:

Wie verändert der demografische Wandel die Implantologie?

Der demografische Wandel erfordert neue implantologische Konzepte für ältere Patienten mit Komorbiditäten. Bedeutsam ist vor allem der Einfluss von Medikamenten auf die Osseointegration von Implantaten bei älteren Patienten. Erst in jüngster Zeit zeigt die Literatur, dass ein signifikanter Einfluss etwa von Protonenpumpenhemmern auf die knöchernen Einheilvorgänge eines Implantats nachgewiesen werden konnte. Darüber hinaus werden neue, minimalinvasive Implantationstechniken bei Risikopatienten dargestellt, die etwa mit Bisphosphonaten oder Antikörpern behandelt werden. Ein weiteres Thema ist die Möglichkeit der Sofortimplantation bei chronisch infizierten Alveolen nach entsprechender intraoperativer Vorbereitung der Aveole.
Die Anpassung operativer implantologischer Techniken bei älteren Risikopatienten wurde bisher ebenfalls nur unzureichend berücksichtigt. Im Kurs wurden die besonderen operativen Anforderungen bei einer Implantat-Therapie dieses Patientenkollektivs dargestellt. Insbesondere wurden atraumatische Augmentationsverfahren vorgestellt, die den veränderten Knochenstoffwechsel älterer Risikopatienten unter Medikation berücksichtigen und eine erfolgreiche kaufunktionelle Rehabilitation mit einem implantatgetragenen Zahnersatz gewährleisten.

Thematisierten Sie bestimmte Aspekte in Ihrem Kurs, denen oft nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird?

Neben minimalinvasiven Augmentationsverfahren bei älteren Risikopatienten spielt insbesondere das Management des Weichgewebes bei dieser Patientengruppe eine herausragende Bedeutung. Wichtig ist hier die Auswahl des Operationsverfahrens und das intraoperative Handling der bedeckenden Weichgewebe zur Schaffung einer keratinisierten Durchtrittsstelle im Bereich der Implantatschulter. Der Einsatz von 3D- Drucktechniken kann im Vorfeld die Planung von Rekonstruktionen und Implantationen perfektionieren, sodass die Operationszeit re
duziert und das Operationsergebnis reproduzierbar vorhergesagt werden kann.

Welche Aspekte sind für eine erfolgreiche und moderne Implantatbehandlung und Praxisführung heute entscheidend wichtig oder sogar unerlässlich?

Zur Reduktion von postoperativen Komplikationen und Komorbiditäten sind ein minimalinvasives Vorgehen unter Berücksichtigung einer entsprechenden Schnittführung nach einer vorausgegangenen, exakten Planung sowie einer präoperativen Konzepterstellung für die postoperative Nachsorge und die spätere prothetische Versorgung für den Erfolg einer Implantatbehandlung bei älteren Risikopatienten unerlässlich.

Deutsche Gesellschaft für Implantologie im Zahn-, Mund- und Kieferbereich e.V. www.dgi-ev.de