Graz: Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Seit 1. April letzten Jahres leitet Prof. DDr. Wolfgang Zemann die Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Grazer Univ.-Klinik für Zahnmedizin und Mundgesundheit. ZMT führte mit ihm das folgende Interview.

Können Sie uns etwas über sich erzählen?

ZEMANN: Ich stamme ursprünglich aus Salzburg, habe in Graz Medizin studiert und auch die Ausbildung zum Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde gemacht. 1999 habe ich als Assistenzarzt an der MKG-Chirurgie-Abteilung begonnen. 2010 bin ich für dreieinhalb Jahre ans Universitätsspital Zürich gegangen und habe mich dort habilitiert. Zurück in Graz, habe ich 2014 umhabilitiert. Habilitationsthema war die Distraktionsosteo(neo)genese v.a. im Zahnbogen, bei Dysgnathien und LKG-Spalten. Seit 1. April 2019 bin ich nun Leiter der Abteilung.

Könnten Sie bitte Ihre Abteilung kurz vorstellen?

ZEMANN: Wir sind 15 Ärzte (mich eingerechnet) und insgesamt zirka 80 Mitarbeiter (Pflegekräfte, zahnärztliche Assistentinnen, Sekretärinnen, Zahntechniker, Logopädin, Fotograf …). Bei den Ärzten existiert ein gewisser Turn-over, schließlich ist der niedergelassene Bereich weiterhin attraktiv. Ich kann aber auf eine Stammmannschaft bauen, am längsten – länger als ich – ist Doz. Feichtinger an der Abteilung. Im Team sind fast alle Allrounder. Wir haben aber spezielle Arbeitsgruppen etabliert: onkologische Chirurgie und rekonstruktive Chirurgie, Fehlbildungschirurgie und Dysgnathien und einige mehr. Mein Spezialgebiet sind die Dysgnathien und die LKG-Spalten. Ausbildungsverantwortlicher Oberarzt (und damit mein Nachfolger und auch 1. Stellvertreter) ist Dr. Wallner.

Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?

ZEMANN: Hier gibt es bei den Bewerbungen Wellenbewegungen, einmal sind es viele, einmal weniger Bewerbungen. Derzeit befinden sich etliche Initiativbewerbungen auf meinem Schreibtisch. Im Humanmedizinstudium sind wir im Studienplan an sich leider nicht sehr präsent, was Lehrveranstaltungen betrifft. Wir haben dort nur eine Vorlesung, allerdings bilden sich nach der Vorlesung öfter Schlangen an interessierten Studierenden, die Fragen haben, etwa wegen Famulaturen. Etwas abschreckend sind sicher die beiden Eingangstests und die geforderte Doppelapprobation, die für unser Fach unerlässlich ist. Generell halte ich die Doppelapprobation für sinnvoll, es sollte aber etwas leichter gemacht werden, den MKG-Ausbildungsweg zu gehen.

Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Entwicklungen der letzten Jahre?

ZEMANN: In der rekonstruktiven Chirurgie haben wir heute feinere Techniken und kleinere Transplantate. Auch die Planungsstrategien haben sich geändert. Generell hat sich in der MKG-Chirurgie etwa durch die 3D-Technologie die Diagnostik geändert, virtuelle Planungstools wurden ermöglicht. Das erleichtert vor allem in der rekonstruktiven sowie in der orthognathen Chirurgie, aber auch der Traumatologie unser Vorgehen. Insgesamt kann man sagen, dass sich die Behandlungsqualität eklatant verbessert hat, zumal sich im letzten Jahrzehnt auch die Interdisziplinarität verbessert hat – ich denke hier zum Beispiel an die Tumorboards, Schlafmedizinboards usw.

Wie sieht Ihr Blick in die Zukunft aus?

ZEMANN: Ein Forschungsschwerpunkt in Graz ist „Augmented reality“, ich gehe davon aus, dass diese bald breite Anwendung in der MKG-Chirurgie finden wird. Man wird z.B. CT-Bilder als Hologramme während einer Operation über den Patienten legen können und entsprechend immer wissen, wo exakt sensible Strukturen liegen. Die Navigation wird immer besser, die Anwendungen im virtuellen Planungsbereich immer praktikabler, es passieren also spannende Dinge in unserem Bereich. Ich komme gerade vom österreichischen Jahreskongress für MKG-Chirurgie und sehe, dass auch die Robotic in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sicher an Bedeutung gewinnen wird. Auch die Onkologie ist dabei, sich zu verändern, durch Immuntherapie und Entwicklungen im Bereich der Radiotherapie.

Gibt es noch einen Punkt, der Ihnen besonders am Herzen liegt?

ZEMANN: Ein großes Anliegen ist mir, das Fach der MKG-Chirurgie bekannter zu machen und zu veranschaulichen, was wir tun. Häufig wird nur die zahnärztlich-chirurgische Komponente wahrgenommen, obwohl diese nur einen kleinen Bereich unseres Faches ausmacht. Das Gebiet der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie umfasst ja Gesichtstraumatologie, Fehlbildungschirurgie, Tumorchirurgie, ästhetische Gesichtschirurgie und so vieles mehr. Außerdem: Während die Bevölkerung und Kollegenschaft sofort weiß, was mit HNO gemeint ist, wissen die wenigsten, was die MKGChirurgie ist! Jeder sollte wissen, was hinter dem „Branding“ MKG steckt.

Herzlichen Dank für das Interview!

Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

Prof. DDr. Wolfgang Zemann