MedUni Wien - Curriculum aktuell

Prof. Dr. Anita Holzinger leitet seit etlichen Jahren an der Medizinischen Universität Wien die Curriculumdirektion Zahnmedizin. ZMT führte mit ihr das folgende Gespräch.

Wie wird man als Sozialpsychiaterin eigentlich Curriculumdirektorin für die Zahnmedizin?

HOLZINGER: Vor ungefähr zehn Jahren wurde für die Curriculumdirektion jemand von außen gesucht, der nicht aus dem zahnmedizinischen Bereich kommt und einen anderen Blick auf das System hat. Ich habe mich beworben, da ich bereits das Doktoratsstudium der angewandten medizinischen Wissenschaft (N790) mit einem Kollegen auf die Beine gestellt und mich dabei mit der Frage „Wie sollte ein Curriculum aussehen?“ beschäftigt hatte. Man wird dann vom Vizerektor bzw. der Vizerektorin vorgeschlagen und vom Rektor bestellt.
Ich habe zwei Stellvertreterinnen von der Zahnklinik, Frau Prof. Nell und Frau Prof. Schmid-Schwap. Es geht um eine Strategie, wie Lehre grundsätzlich aussehen soll. Wir erarbeiten gemeinsam die Lern- und Ausbildungsziele, implementieren neue Lehr- und Lernmethoden bzw. Prüfungsformate und passen den Leistungskatalog an moderne Gegebenheiten an.

Wie sieht das Curriculum Zahnmedizin heute aus?

HOLZINGER: Es handelt sich um ein integriertes Curriculum mit Blöcken und begleitenden Lines (das sind Praktika und Seminare in Kleingruppen). Besonderes Augenmerk wird von Beginn an auf die Entwicklung entsprechender manueller Fähigkeiten gelegt. Diese spielen heute auch beim Eingangstest eine wichtige Rolle (30 Prozent).
Das Curriculum Zahnmedizin entspricht in den ersten beiden Studienjahren zu einem großen Teil dem Curriculum Humanmedizin. Allerdings gibt es heute gleich im zweiten Semester Lines mit zahnspezifischen Inhalten und Praktika. Generell geht es in den ersten Studienjahren auch um die Frage: Was muss ein Zahnarzt von Allgemeinmedizin wissen? Dies zu definieren ist nicht so einfach. Ganz vereinfacht könnte man sagen, der Zahn, das Gebiss, soll im Zentrum stehen und als „Leitorgan“ für den Körper rundherum dienen. Die Inhalte der Blöcke und Lines sollten in einem integrierten Curriculum immer horizontal (also zwischen den Blöcken eines Jahrgangs) und vertikal (über die Jahrgänge hinweg) miteinander verknüpft sein. Im 3. Studienjahr starten dann die eigentlichen zahnmedizinischen Inhalte, u.a. auch mit Problemstellungen, die einem in der Praxis begegnen können.
Im 4. Jahr steht den Studierenden ein sehr gut ausgestattetes Simulationszentrum zur Verfügung, in dem sie zahnärztliche Arbeiten an Phantomköpfen durchführen. Eine Line schult Studierende im Umgang mit Patienten mit besonderen Erfordernissen und erlaubt Assistenzen.
Das 72-Wochen-Praktikum im 5. und 6. Jahr wird fast ausschließlich am Patienten absolviert. Ein speziell entwickeltes System, das aus mehreren Home-Units besteht, wo Studierende einen Patienten durchgehend betreuen können, ist wohl einzigartig im zahnmedizinischen Lehrbetrieb. Neben der üblichen ärztlichen Supervision erhalten Studierende auch Unterstützung von Spezialisten der Klinik, die bei komplexen Fällen gerufen werden können. Hier kommt auch Peer-Teaching zur Anwendung, wo ältere, erfahrenere Studierende einfache Fälle von niedrigsemestrigen Studierenden begleiten.
Seitens der Curriculumdirektion möchten wir die Beurteilung der Leistung in Zukunft auf ein E-Logbuch umstellen. Dabei geht es nicht mehr um das Abhaken der entsprechenden Tätigkeiten, sondern um eine Kompetenzbeurteilung. Dies ist sicherlich ein großes Projekt.
Was die Didaktik betrifft, ist mehr E-Learning geplant. Derzeit gibt es bereits zwei Blöcke mit „fallbasiertem Lernen“ und Moodle-Einstiegstests in Seminare. Für einige Lines wurden auch schon jederzeit abrufbare Videos fertiggestellt.
Um die Qualität im Studium hoch zu halten, wird regelmäßig in enger Zusammenarbeit mit den Studierenden und Lehrenden jeder Block/jede Line gemeinsam besprochen, um kleinere Mängel sofort beheben zu können, wie etwa: Wo fehlen Lernunterlagen? Wo ist der Lernstoff zu viel? – usw. Außerdem können so auch Anregungen von Studierenden aufgenommen und, soweit es nicht größerer Umstrukturierung bedarf (da müsste man den Senat einschalten), komplikationslos eingeführt werden. Beispielsweise haben wir im 3. Jahr einen Erste Hilfe-Refresher, der auf Vorschlag der Studierenden, eingeführt wurde. Generell denke ich, dass wir sehr gut aufgestellt sind, es wird von den Studierenden normalerweise wenig kritisiert.

Welche Aufgaben hat die Curriculumdirektion noch?

HOLZINGER: Prof. Schmid-Schwap ist für die Nostrifikanten zuständig. Da in Graz und Innsbruck kaum nostrifiziert wird, kommen sehr viele zu uns. Für sie gibt es auch ein Peer Mentoring über die ÖH. Prof. Nell approbiert die Diplomarbeiten. Wir haben auch einen Qualitätszirkel, wo die geplanten Diplomarbeiten (nach erfolgter Begutachtung durch Ethik- und Datenschutzkommission) vorgestellt werden, um auch hier die Qualität laufend anzuheben.

Wie viele Personen nehmen jedes Jahr am Aufnahmetest teil?

HOLZINGER: Letztes Jahr hatten wir 580 Anmeldungen, 15–20 Prozent treten nicht an; Plätze an der Klinik gibt es 80.

Was liegt Ihnen sonst noch am Herzen?

HOLZINGER: Das Zahnmedizinstudium und die MKG-Chirurgie-Ausbildung sind zu wenig aufeinander abgestimmt, hier sollte es beim Doppelstudium Erleichterungen geben. Dafür ist aber die Zahnärztekammer zuständig. Wir möchten auch verstärkt auf das Feedback von Patienten im 72-Wochen-Praktikum eingehen und wie gesagt das E-Logbuch bald in die Gänge bringen.

Herzlichen Dank
für das Interview!

Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und
Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

 

Prof. Dr. Anita Holzinger