Offener Brief - Die Antwort von MR DDr. Ratschew

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Romanin!

Vielen Dank für Ihren offenen Brief an mich. Ich darf Ihre konkreten Fragen im Folgenden sehr gerne in deren Reihenfolge beantworten.

Zu Frage 1:
Der Beitrag zum Wohlfahrtsfonds in Höhe von € 28.000,– ist, wie Sie richtig sagen, ein Höchstbeitrag, der selbstverständlich nur dann fällig wird, wenn im betreffenden Bemessungsjahr auch ein dementsprechend hohes Einkommen aus ärztlicher Tätigkeit erzielt wurde. Da Beiträge und Leistungen im Wohlfahrtsfonds nach dem Äquivalenzprinzip berechnet werden, hat eine hohe Beitragszahlung auch einen entsprechend hohen Leistungsanspruch zur Folge. Angesichts der Tatsache, dass sich ein gut verdienender Arzt im Laufe seines Lebens in der Regel auch damit korrelierende Vermögenswerte schaffen kann, die er auch im Ruhestand weiterhin erhalten können soll, hat sich eine entsprechende Altersvorsorge erfahrungsgemäß als durchaus sinnvoll erwiesen.

Zu Frage 2:
Die Beiträge zum Wohlfahrtsfonds sind in den letzten Jahren sogar mehrmals reduziert worden, wobei hier vom Verwaltungsausschuss stets zwei Ziele verfolgt werden: Zum einen sind wir stets bestrebt, das Beitragssystem nach sozialen Aspekten im Hinblick auf die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Fondsmitglieds zu adaptieren, zum anderen wollen wir die Verrechnung permanent dahingehend optimieren, dass es durch die Akontozahlungen weder zu großen Guthaben, noch zu hohen und belastenden Nachzahlungen kommt. So haben wir allein in den letzten drei Jahren den vorläufigen Fondsbeitrag von ursprünglich 10,6% der Bemessungsgrundlage zunächst auf 10% und danach in einem zweiten Schritt nochmals auf derzeit 9% gesenkt. Zusätzlich wurde für den endgültigen Fondsbeitrag ein gestaffeltes Beitragssystem geschaffen, das gerade auf einkommensschwache Fondsmitglieder besondere Rücksicht nimmt und je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Beitragssätze von 0% bis, letztlich als Höchstbeitragssatz, die genannten 14% vorsieht.

Zu Frage 3:
Zu dem von Ihnen konkret genannten Fall darf ich aus Gründen meiner Verschwiegenheitspflicht keine öffentliche Aussage tätigen, ich möchte aber ganz allgemein ein paar Fakten betreffend die Beitragsordnung zum Wohlfahrtsfonds festhalten. Unsere Verwaltungspraxis erfordert eine korrekte Beitragsberechnung entsprechend dem Einkommen aus ärztlicher Tätigkeit. Grundvoraussetzung für diese Kalkulation ist die lückenlose Vorlage der Einkommensunterlagen aus dem betreffenden Bemessungsjahr. Wenn wir beispielsweise geschwärzte Einkommensunterlagen zur Verfügung gestellt bekommen, dann sind diese naturgemäß nicht dazu geeignet, korrekte Berechnungen durchzuführen. In solchen Fällen sieht die Beitragsordnung des Wiener Wohlfahrtsfonds so lange die verpflichtende Vorschreibung des Höchstbeitrages vor, bis die Einkommensunterlagen vollständig und lesbar nachgebracht wurden. Der Verwaltungsausschuss kann in solchen Fällen nicht anders vorgehen, allerdings liegt es ja stets im Verantwortungsbereich des jeweiligen Fondsmitgliedes, eine korrekte Beitragsabrechnung zu ermöglichen und zu erwirken.

Zu Frage 4:
Auch im Hinblick auf diese Frage verbietet mir meine Verschwiegenheitspflicht eine auf den Einzelfall bezogene Antwort. Ich darf daher auch dazu nur ganz allgemein festhalten, dass es sich beim Wohlfahrtsfonds keineswegs, wie Sie irrtümlich meinen, um eine „private Zusatzpension“, sondern um eine gesetzlich verankerte Pflichtversicherung handelt. Pfändungen offener Beiträge sind aber in jedem Fall erst der letzte Schritt, nachdem nach mehrfachen Erinnerungsschreiben und aufklärenden Kontaktaufnahmen mit den betroffenen Fondsmitgliedern nach anderweitigen Lösungen gesucht worden ist.

Zu Frage 5:
Ich kann mich nicht daran erinnern, damals, also vor etwa 12 bis 13 Jahren, solche kritische Stimmen aus den Reihen der Funktionäre gehört zu haben. Es war im Zuge der Gründung der Zahnärztekammern in Österreich immer klar, dass die Wohlfahrtsfonds der einzelnen Bundesländer künftig von beiden Kammern gemeinsam verwaltet werden.

Zur „ersten“ Frage 6:
Ja, aufgrund eines Rechtsgutachtens werden Einkünfte aus Funktionärsgebühren und Auslagenersätzen bis dato tatsächlich bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht berücksichtigt. Aufgrund der geänderten Rechtssprechung ist diesbezüglich aber demnächst eine Anpassung dieser Verwaltungspraxis zu erwarten.

Zur „ersten“ Frage 7:
Ja, aber nur wenn sie dies gesondert beantragen. Die entsprechende Regelung wurde bereits in den 1960er-Jahren in Anlehnung an die staatliche Sozialversicherungsgesetzgebung ohne Zutun der Ärztekammer in den Bestand des Wohlfahrtsfondsrechts übernommen. Auf Antrag können sich daher Ärzte in einem pragmatisierten Dienstverhältnis von der Mitgliedschaft im Wohlfahrtsfonds befreien lassen, verlieren dann aber auch selbstverständlich jeden Leistungsanspruch aus diesem Versorgungswerk. Aufgrund der in den letzten Jahren ständig sinkenden Anzahl pragmatisierter Dienstverhältnisse sind die entsprechenden Regelungen aus heutiger Sicht aber mittlerweile de facto totes Recht.

Zur „zweiten“ Frage 6:
Ich persönlich zahle selbstverständlich entsprechend der Höhe meines Einkommens aus zahnärztlicher Tätigkeit genau den gleichen Beitrag in den Wohlfahrtsfonds ein wie auch jedes andere Mitglied der Wiener Ärzte- und Zahnärztekammer. Da es sich beim Wohlfahrtsfonds, wie bereits gesagt, um eine gesetzliche Pflichtversicherung handelt, ist hierfür keine Freiwilligkeit meinerseits erforderlich.

Zur „zweiten“ Frage 7:
Um Ihnen diese Frage korrekt beantworten zu können, müssten Sie mir zur genauen Berechnung noch mehrere Parameter nachliefern, dazu ein kurzer Auszug: Ab welchem Lebensjahr nimmt der Kollege die Altersversorgung in Anspruch? In welchem Lebensjahr verstirbt er? Hat er während seiner Berufstätigkeit Wohlfahrtsfonds-Leistungen aus dem Titel der Invaliditätsversorgung in Anspruch genommen? Wenn ja, wie lange und in welcher Höhe? Hat er von seinem Zusatzkonto eine Leistung gemäß § 33 der Satzung in Anspruch genommen? Wenn ja, in welcher Höhe? Hinterlässt der Kollege Waisenkinder? Wenn ja, wie viele, wie alt sind sie zum Zeitpunkt seines Ablebens, wie lange hat der Wohlfahrtsfonds für sie aufzukommen und sind sie Halb- oder Vollwaisen? Hinterlässt der Kollege eine Witwe? Wenn ja, wie alt ist sie zum Zeitpunkt seines Ablebens, wie lange war sie mit ihm verheiratet und wie groß war der Altersunterschied der beiden Ehepartner? In welchem Lebensjahr verstirbt die Witwe? Sie sehen also, dass Ihre Frage nicht so einfach mit ja oder nein zu beantworten ist. Ganz allgemein darf ich zu einer Kalkulation in diese Richtung anmerken, dass die durchschnittliche Verweildauer eines Arztes im permanenten Leistungsbezug aus dem Wiener Wohlfahrtsfonds derzeit bei knapp 27 Jahren (!) liegt. Diese steigt im Übrigen jedes Jahr um mehrere Monate an, da unser aller Lebenserwartung durch die Fortschritte der modernen Medizin erfreulicherweise immer höher wird, den Wohlfahrtsfonds aber auch umso höher belastet.

Zu Frage 8:
Der Wohlfahrtsfonds wird von seinem Verwaltungsausschuss und der Erweiterten Vollversammlung der Ärztekammer laufend reformiert und adaptiert, siehe dazu auch meine Antwort auf Ihre Frage 2. Selbstverständlich bin ich dennoch immer ein Befürworter des direkten Dialoges mit der Kollegenschaft bzw. den „Beitragszahlern“, wie Sie es formulieren. Ich selbst war auch immer ein Vorreiter in diese Richtung, zumal ich seit Jahren im Rahmen des ZIV-Praxismanagementkurses einmal jährlich einen Informationsabend zum Thema Wohlfahrtsfonds gestalte. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass sich Ihnen viele der Fragen, die Sie mir nun stellen, gar nicht erst aufgeworfen hätten, wenn Sie selbst von diesem Informationsangebot Gebrauch gemacht hätten, wozu ich Sie nun hiermit ganz besonders herzlich einladen darf. Auch die Ärztekammer ist aber stets bestrebt, für die Kollegenschaft Informationsveranstaltungen zum Wohlfahrtsfonds anzubieten, die zum Teil vor Ort in den Wiener Krankenhäusern, zum Teil in den Räumlichkeiten der Ärztekammer für Wien und zum Teil im Rahmen von Bezirksärzteversammlungen stattfinden. Weiters haben wir in den letzten Jahren festgestellt, dass auch im Bereich mancher Steuerberatungskanzleien große Unwissenheit zum Thema Wohlfahrtsfonds besteht, die sich dann am Ende durch Fehlberatungen deren ärztlicher Klienten äußert. Daher sind wir neuerdings darum bemüht, auch spezifisch für Steuerberater konzipierte Informationsveranstaltungen anzubieten.

Zu Frage 9:
Noch einmal, weil es sich beim Wohlfahrtsfonds um keine private Zusatzpension, sondern um eine von der Republik Österreich gesetzlich verankerte Pflichtversicherung handelt. Im Übrigen muss der Wohlfahrtsfonds auch Verpflichtungen gegenüber Leistungsberechtigten wahrnehmen, die durch den verfassungsmäßig geschützten Vertrauensgrundsatz abgesichert sind. Ein nahtloser Umstieg in ein freiwilliges System würde diese Leistungsgarantie gefährden und wäre daher aus meiner Sicht rechtlich als äußerst problematisch zu betrachten.

Zu Frage 10:
Hier kann ich nur die wortidente Antwort geben wie auf Frage 9.

Ich hoffe nun, all Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet zu haben. Gestatten Sie mir aber gerade im Hinblick auf die Causa Dr. Fiala, die sie in Ihrem offenen Brief an mich ja konkret ansprechen, ein paar persönliche Bemerkungen. Die Wiener Ärzteschaft kann stolz darauf sein, in den letzten Jahrzehnten aus eigener Kraft und völlig unabhängig vom staatlichen Sozialsystem mit dem Wohlfahrtsfonds für sich selbst ein Versorgungswerk geschaffen zu haben, das wirtschaftlich bestens und zukunftssicher aufgestellt ist und das sie völlig autonom gestalten und verwalten kann. Ich weiß aus unzähligen Gesprächen mit den Angehörigen anderer Berufsgruppen, dass man uns um dieses Privileg, wenn ich das so sagen darf, beneidet. Wir Ärztinnen und Ärzte sind daher gut beraten, unseren Wohlfahrtsfonds mit Verantwortung, mit Respekt vor- und füreinander und im Sinne der Solidarität, die ein Generationenvertrag nun einmal erfordert, zu gestalten und zu verwalten, damit auch die nachfolgenden Generationen in vollem Umfang davon profitieren können. Laienhafte Polemik, oberflächlicher Populismus, Diffamierung jener Kolleginnen und Kollegen, die den Wohlfahrtsfonds gewissenhaft verwalten, und mediale Eigeninszenierungen von Einzelpersonen haben daher in diesem Umfeld mit Sicherheit keinen Platz.

Mit freundlichen, kollegialen Grüßen

MR DDr. Claudius Ratschew,
Vorsitzender des Verwaltungsausschusses
des Wohlfahrtsfonds der Wiener Ärzte

MR DDr. Claudius Ratschew