Ernährung - Medizin für den Alltag

„Frau Dr. Meierhöfer, Sie haben doch auch einmal Medizin studiert. Und das, was ich von Ihren operativen Arbeiten sehe, ist doch gut! Wieso, das frage ich mich wirklich, machen Sie nicht immer richtige Medizin?“

Es passiert mir selten, aber nach dieser telefonischen Ansage eines Kollegen war ich sprachlos. Was zu seiner Aussage, ich würde keine „richtige Medizin“ in meiner Praxis machen, geführt hatte, war eine Banalität. Ich hatte einem Patienten empfohlen, täglich ein bis zwei Esslöffel Leinöl in seine Ernährung zu integrieren und gleichzeitig auf die Reduktion von Transfetten zu achten. Ist das nun Medizin? Der Urvater der westlichen Medizin, Hippokrates, sagte: „Du bist, was du isst.“ Ist dieser Spruch heute wirklich veraltet? Der Arzt von Bill Clinton, Dr. Mark Hyman, ist auf der ganzen Welt unterwegs, um seine Botschaft zu verbreiten: „Ernährung ist das wichtigste Medikament, das wir haben.“ Aber vielleicht ist er einfach ein Spinner?
Transfette werden in der Forschung mit Krebs, Stoffwechselstörungen, Herzerkrankungen, Alzheimer und vielem mehr in Verbindung gebracht. Studien, aber auch das reguläre biochemische Wissen zeigen, dass Transfette überall im Körper Entzündungen triggern können. Aktuelle Studien legen nahe, dass den „höchsten Preis“ bei diesem „Ernährungsfehler“ unser Gehirn bezahlt, und zwar mit Gedächtnisverlust, Depression und reduzierter Kognition. Leinöl ist das Öl mit dem höchsten Omega-3-Spiegel, deshalb habe ich es empfohlen. Doch was macht Omega-3 im Gegensatz zu vielen anderen Fetten so besonders? Die Erkenntnisse sind nicht neu, aber sie haben ihren Weg von der Biochemie, so scheint es, kaum in die landläufigen Praxen geschafft. Omega-3-Fettsäuren sind großartig für die Zellen. Die Membrane der Zelle verliert ihre Geschmeidigkeit, wenn essenzielle Fette in der Nahrung fehlen, aber auch wenn große Mengen gesättigter Fette aus tierischen Lebensmitteln vorhanden sind. Sie wird starr und kann so die eigentliche Funktion der Zellen behindern. Essenzielle Fette wie das Omega-3 verschaffen uns also jüngere und agilere Zellen. Omega-3-Fettsäuren haben nachweislich positive Effekte auf viele Erkrankungen unserer Patienten.

Viele positive Effekte

Auswirkungen von Allergien wie Schuppenbildung, Juckreiz und empfindliche Haut können dadurch nebenwirkungsfrei reduziert werden. Auch bei Psoriasis waren diese Effekte feststellbar. Durch den Einfluss von Omega-3-Fettsäuren in der Entzündungskaskade können chronische, bei Asthma typische Entzündungen positiv beeinflusst werden. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arteriosklerose und Hypertonie kann die Therapie durch die zusätzliche Einnahme von Omega-3-Fettsäuren unterstützt werden. Omega-3 reduziert die Neigung zur Verklumpung von Blutplättchen, zur Bildung von Blutgerinnseln und Gefäßspasmen (Raynaud-Syndrom). Der Blutfettspiegel und der Blutdruck werden gesenkt. Migräne wurde durch die Substitution in Häufigkeit und Intensität der Anfälle reduziert, ebenso wie die Rückfallquote bei Morbus Crohn. Auch bei anderen Störungen des Immunsystems wie rheumatischen Arthritis, Kieferostitis oder Nico (Neuralgie induzierende hohlraumbildende Osteonekrosen), die mit Schmerzen, Entzündungen und Gelenkssteifigkeit einhergehen, kann den Patienten durch Omega-3-Substitution eine Milderung der Beschwerden zuteil werden. Auch in der Therapie der neuen Schrecken unter den Krankheiten wie MS und Alzheimer wird hochdosiert Omega-3, zusammen mit Enzymen und B-Vitaminen, in der ganzheitlichen Therapie erfolgreich eingesetzt. Bei Tierversuchen konnte sogar eine Auswirkung auf Krebs gefunden werden. Dabei wurde durch eine hoch Omega-3-haltige Nahrung das Tumorwachstum verlangsamt und die Überlebenszeit verlängert.

Die Omega-3-Quellen

Große Mengen Omega-3 sind, wie schon erwähnt, in gutem, kaltgepresstem Leinöl zu finden. Aber auch in Leindotteröl, Hanföl oder Walnussöl. Auch Wildfleisch, Fische, allen voran Lachs, aber auch Krill enthalten hier entsprechende Vorräte. Beim Fisch darf allerdings darauf geachtet werden, dass man sich hier nicht durch das im Meerwasser vorhandene Schwermetall gleichzeitig eine Belastung zuzieht. Wieviel Omega-3 jeder zu sich nehmen soll, ist vor allem davon abhängig, wie viele andere Fettsäuren wie z.B. Omega-6, ein Patient zu sich nimmt. Fettsäuren wie das Omega-6 sind ebenfalls überlebenswichtig. Es hilft dem Gehirn, gut zu funktionieren, den Muskeln zu wachsen und Hormone zu produzieren, kann allerdings gleichzeitig Entzündungen triggern. Deshalb ist es für die Gesundheit sinnvoll, auf ein ausgeglichenes Verhältnis der Fettsäuren zu achten. Für die meisten Menschen wird ein Verhältnis von 4:1 bei Omega-6 zu Omega-3 empfohlen.
Anti-Aging-Experten gehen sogar noch einen Schritt weiter mit ihrer Empfehlung, ein Verhältnis von 1:1 zu erzielen. Dies entspricht auch dem Verhältnis in unserem Gehirn. Untersuchungen zeigen allerdings, dass das Verhältnis in der üblichen Ernährung der westlichen Welt ungefähr bei 20:1 oder sogar 25:1 liegt.

Ist das vielleicht ein Faktor für die Zunahme bestimmter Erkrankungen?

Die bei uns vorwiegend in der Küche verwendeten pflanzlichen Öle aus Mais, Sonnenblumenkernen, Disteln usw. sind selbst bei kalter Verarbeitung weitgehend arm an Omega-3. Da sie aber kostengünstig zu produzieren sind, werden sie von der Lebensmittelindustrie auch zur Herstellung von Lebensmitteln eingesetzt, egal ob Süßigkeit, Keks, Pizza oder Margarine. Auch Sojaöl spielt hierbei eine wichtige Rolle und macht deshalb gemäß einer amerikanischen Studie ca. 20 % der täglichen Kalorienzufuhr durch Industrienahrung aus.
Omega-6-Öle sind allerdings bei Erwärmung instabil. Das Erhitzen dieser in Lebensmitteln verwendeten Öle führt demnach zur Oxidation des Fettes. Dies kann auch bei langer Lagerung von Ölen, gleich ob Omega-3 oder Omega-6, vorkommen. Dieses oxidierte Öl steht im Verdacht, Schaden an der DNA anzurichten, Herzentzündungen mitzuverursachen und bei vielen Arten von Krebs das Risiko einer Erkrankung zu fördern. Wenn die Lebensmittelindustrie diese Öle verwendet, stabilisiert sie – zur Verlängerung der Haltbarkeit – das Öl über Hydrogenation. Diese wandelt ursprünglich harmlose Fette in synthetische Transfette um. Diese sind so problematisch, dass die FDA die Lebensmittelindustrie für Amerika angewiesen hat die Verwendung dieser Fette in den nächsten drei Jahren zu stoppen.

Auf Empfehlung des Arztes

Wenn es mir möglich ist, durch die einfache Empfehlung, Transfette zu reduzieren und gute Omega-3-Fettsäuren durch den Konsum von Leinöl zu erhöhen, einen positiven und zeitgleich nebenwirkungsfreien Effekt auf die Gesundheit meiner Patienten zu erzielen, ist es dann nicht sogar meine Aufgabe als Arzt, hier eine Empfehlung auszusprechen? Sollte es nicht meine Aufgabe sein, dem Patienten einen Hinweis zu geben, wie er täglich etwas für sich tun kann?
Ich hatte das Glück, von einem meiner Lehrer für – wie er es nannte – „funktionelle Biochemie“ begeistert zu werden. Dabei wurde mir nicht nur etwas über Fettstoffwechsel und den Zitatzyklus erzählt, sondern es wurden die Zusammenhänge mit dem Menschen und den Abläufen im Körper – soweit bekannt – hergestellt.
Biochemie wird faszinierend, wenn wir begreifen, dass wir über Vitamine und Spurenelemente, gleich den Zahnrädern in einem komplexen Uhrwerk, wenn sie richtig ineinander greifen, unseren Körper positiv beeinflussen und so präventiv wie kausal therapieren können. Mein Wunsch wäre, dass Nahrungsergänzungsmittel genau als solche eingesetzt werden, Ergänzungsmittel zur Nahrung in Zeiten, in denen durch Belastung, Krankheit oder Mängel in den Lebensmitteln hier keine adäquate Versorgung gewährleistet ist, damit unser Körper optimal funktionieren kann.
Dazu ist es allerdings notwendig, meine Patienten darin zu schulen, wie sie sich gesund essen können. Wenn jedoch Ärzte überhaupt nicht wissen, welche Stoffe für welche Funktionen in unserem Körper notwendig sind, und ihren Auftrag in diesem Bereich nicht als Teil des Medizinsystems verstehen, werden wir weiterhin mit den Folgen einer Mangelernährung in Überflussländern leben müssen. Ich bin also wieder bei Hippokrates, Dr. Hyman und vielen anderen Kollegen.

Dr. EVA MEIERHÖFER
FA für Oralchirurgie
Klagenfurt
praxis@meierhoefer.at