Bilanz - Gratis Zahnspange: Gute Idee schlecht umgesetzt

Umfrage unter Mitgliedern des Verbandes Österreichischer Kieferorthopäden: Kritik am massiv gestiegenen bürokratischen Aufwand, bei 81% der Vertragskiefer-orthopäden sind die Neu-anfänge gestiegen.

Ein Jahr nach der Einführung der Gratiszahnspange in Österreich zieht der Verband Österreichischer Kieferorthopäden (VÖK) eine zwiespältige Bilanz. Grundlage ist eine Mitgliederbefragung zur Krankenkassen-Zahnspange, die von trigger research durchgeführt wurde. 221 Kieferorthopäden (66% der VÖK-Mitglieder) nahmen an der Befragung teil. „Fast 60% unserer Mitglieder halten die Krankenkassen-Zahnspange für eine gute Idee, die aber schlecht umgesetzt wurde“, zitiert VÖK-Vizepräsidentin Dr. Doris Haberler eines der zentralen Ergebnisse aus der Umfrage. So gaben 71% der Ärzte an, dass die Einführung chaotisch verlaufen sei.

Hoher bürokratischer Aufwand, IOTN-Einstufung nicht einwandfrei

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt: 91% der Befragten klagen, dass der bürokratische Aufwand seit Juli 2015 massiv gestiegen sei. Darüber hinaus fühlen sich nur 26% zu allen Details der Krankenkasse-Zahnspange bestens informiert. Lediglich 38% sagen, dass die IOTN-Einstufung einwandfrei funktioniere. Auch die Genehmigung der Anträge und die Abrechnung der Krankenkassen-Zahnspange werden laut der Befragung kritisch bewertet. Auf die Frage, ob Patienten durch die Krankenkassen-Zahnspange einen deutlichen Mehrwert erhalten, antworteten nur 29 Prozent der Mitglieder mit Ja.
Profitiert haben von der Einführung der Krankenkassen-Zahnspange neben den betroffenen Patienten auch die Vertragskieferorthopäden: Bei  81% von ihnen sind die Neuanfänge seit Juli 2015 gestiegen, während nur 18% der Kieferorthopäden ohne Vertrag über mehr Behandlungsstarts berichteten. Die Neuanfänge lagen allerdings insgesamt unter den Erwartungen der VÖK-Mitglieder.
Dr. Haberler: „In Summe hat die Einführung der Krankenkassen-spange positive wirtschaftliche Aus-wirkungen auf unsere Mitglieder, wird aber sehr kritisch gesehen.“
Ein zusätzlicher Wermutstropfen ist die fehlende soziale Staffelung. Generalsekretärin DDr. Silvia Silli: „Die Leistung erfolgt nur nach medizinischen Kriterien. Unser Vorschlag für eine Bezuschussung mit Staffelung nach medizinischen und sozialen Kriterien wurde nicht aufgenommen.“ Bedauerlich sei zudem, dass die Altersgrenze mit 18 Jahren auch bei Patienten mit ausgeprägten Wachstumsstörungen angewendet werde. Denn diese Behandlungen können oft nicht vor dem 18. Lebensjahr begonnen werden.
Und: Da es in Österreich keine ausgewiesenen KFO-Spezialisten gibt, wurden im Vertrag deutlich unterschiedliche Kriterien für die Vertragsvergabe bzw. Akkreditierung als Wahlkieferorthopäde festgelegt. Patienten haben nach wie vor keine Sicherheit bei der Suche nach Spezialisten.



VÖK-Vizepräsidentin Dr. Doris Haberler und Generalsekretärin
DDr. Silvia Silli