Körper und Seele: Kleine Ursache - Große Wirkung

Manchmal erscheinen Patienten in unserer Praxis, deren Leidensweg und Therapeutenliste schon so lang ist, dass wir uns fragen, ob es wirklich eine gute Idee ist, uns auch noch an ihnen zu versuchen. Immer wieder jedoch kann ich feststellen, dass sich manche zunächst riesig erscheinende Probleme mit Leichtigkeit lösen lassen, wenn wir sie nur ganzheitlich betrachten.

Ich begegnete neulich einer früheren Patientin von mir wieder. Zum Behandlungszeitpunkt vor drei Jahren war sie 53 Jahre alt und stellte sich eigentlich wegen einer zahnärztlichen Routinekontrolle vor. Da mir immer eine eingehende Anamnese wichtig ist, um mir ein umfassendes Bild über den Patienten machen zu können, erfuhr ich nicht nur, dass sie zahnärztlich keine Probleme hatte, ja noch nicht mal eine Füllung, sondern auch, dass ihr gesundheitliches Problem in ihren wechselnd auftretenden depressiven und aggressiven Phasen liegen würde. Zudem war eine Hyperthyreose festgestellt worden. „Aber dabei werden Sie als Zahnärztin mir ja nicht helfen können. An der Stelle bin ich eben einfach kaputt!“, war die Aussage der Patientin dazu. Die klinische Untersuchung ergab – genau wie von der Patientin angegeben – keinerlei pathologische Veränderungen in der Mundhöhle. Erst im Röntgenbild zeigte sich eine „okkulte“ Karies, die auch bei erneuter Nachfrage von der Patientin bis dahin nie bemerkt worden war. Trotz fortgeschrittener Phase waren nie Schmerzen aufgetreten. Auch bei einer erneuten optischen Kontrolle im Mund zeigte sich der Schmelz über der verdeckten Qualität
intakt. Sensibilität konnte an diesem Zahn im Kältetest nicht mehr festgestellt werden. Da solche Veränderungen ein Störfeld darstellen können, führte ich eine ganzheitliche Untersuchung mittels funktioneller Myodiagnostik bei der Patientin durch. Es zeigte sich im Test, dass wirklich ein Zusammenhang zwischen Psyche und Zahn herzustellen war. Inwieweit eine Behandlung des Zahnes nun jedoch ihre depressiv-aggressiven Phasen verbessern würde, darüber konnte ich keine Aussage machen. Da die Karies jedoch sehr weit fortgeschritten war und die Patientin keine guten Erfahrungen mit Wurzelfüllungen gemacht hatte, entschloss sie sich damals, den Zahn entfernen zu lassen. Nach entsprechender Vorbehandlung sowohl zur Unterstützung der Psyche mit Bachblüten als auch für die chirurgische Intervention mit getesteten Homöopathika und Phytotherapeutika sollte eine Woche später der Eingriff durchgeführt werden. Die Patientin saß jedoch bei diesem Versuch nur weinend auf dem Stuhl und breitete alle Leiden ihres Lebens immer wieder und wieder aus, sodass es unmöglich schien, die geplante Behandlung durchzuführen. Da ich keinerlei Druck auf die Patientin ausüben wollte, sprach ich zunächst mit ihr darüber, ob sie sich bezüglich der Zahnentfernung noch immer sicher sei. Sie bejahte, konnte sich jedoch aufgrund ihrer gesamten psychischen Belastung nicht entspannen. Ich führte deswegen mit dem Einverständnis der Patientin eine leichte Hypnoseinduktion durch. Sobald die Patientin entspannt war, erhielt ihr Unterbewusstsein den Auftrag, neue Wege zu finden, um in jedem Moment so gelassen zu bleiben, um Dinge, die gut für sie sind und sie unterstützen, durchzuführen. Sie erhielt den mentalen Auftrag, in ihren Gedanken so lange verschiedene Strategien auszuprobieren, bis sie jene gefunden hätte, die es ihr ermöglichen würde, sich jetzt für die Behandlung zu entscheiden, und dies dann durch das Öffnen der Augen mitzuteilen. Als die Patientin nach einigen Minuten die Augen öff nete, fing sie an zu lachen und sagte, wir sollten endlich loslegen. Als der Zahn extrahiert war, schien sich die Patientin in eine andere Person zu verwandeln. Ihr Gefühl war, so erzählte sie bei den nächsten Kontrollen, dass sie nach dem Eingriff plötzlich wieder ihr „normales Leben“ beginnen konnte. Das ist heute immer noch so, und jetzt hat sie berichtet, dass die Hyperthyreose in der Laboruntersuchung nicht mehr nachzuweisen sei. Die Wissenschaft kennt die Stressinflammations-Depression und auch den Zusammenhang zwischen Herdgeschehen und Psyche. Trotzdem gehört die eingehende zahnärztliche Untersuchung nicht zur Standarddiagnostik bei solchen Krankheitsgeschehen. Wir können als Zahnärzte das medizinische System nicht verändern. Aber durch eingehende fachübergreifende Anamnese und Gespräche mit dem Patienten können wir sehen, wie viel weitreichender unsere zahnärztliche Behandlung ist. So wird Ihnen jeden Tag die Verantwortung bewusst, die Sie als Zahnarzt haben, und gleichzeitig erkennen Sie welch große Bedeutung Ihre Behandlung für Ihre Patienten haben kann.

Dr. EVA MEIERHÖFER

FA für Oralchirurgie
Klagenfurt
praxis@meierhoefer.at