Parodontitis und Lebererkrankungen - Zusammenhänge zwischen oraler Gesundheit und metabolischer Funktion

Die Leber ist das zentrale Stoffwechselorgan unseres Körpers. Sie erfüllt zahlreiche Funktionen wie die Synthese von Proteinen, Hormonen und Blutgerinnungsfaktoren. Sie reguliert den Glukosemetabolismus, die Produktion von Galle für die Fettverdauung und die Speicherung von Glykogen und Vitaminen.

Gemeinsam mit den Nieren dient die Leber dem Abbau und der Entgiftung von Schadstoff en und regelt das Renin-Angiotensin-System. Beeinträchtigungen dieses lebenswichtigen Organs wirken auf alle Bereiche des Gesamtorganismus. Ebenso können aber auch chronisch entzündliche Erkrankungen anderer Organe Verlauf und Aggressivität von Lebererkrankungen triggern. Parodontitis gehört bekanntlich zu den häufi gsten mikrobiell verursachten, chronisch entzündlichen Erkrankungen weltweit. Sie ist durch progredienten Abbau von Weich- und Knochengewebe gekennzeichnet und geht mit schubweisen Erosionen und manchmal sogar Ulzerationen der gingivalen Schleimhaut einher. Das durch die bakteriellen Toxine und die überschießende lokale Immunabwehr hoch vulnerable Gewebe ist unmittelbar zu den mikrobiellen Biofi lmen in den Zahnfleischtaschen exponiert. Durch geringe mechanische Manipulationen wie etwa Zähneputzen und besonders bei Eingriffen wie deep scaling oder Zahnextraktionen werden Bakterien und deren Stoffwechselprodukte in die gingivalen Blutkapillaren eingeschwemmt. In der Folge entsteht so eine zumindest transiente Bakteriämie, welche dann unweigerlich einen systemischen Respons auslöst. Die Assoziation von Parodontitis und zahlreichen Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus, kardiovaskulären Erkrankungen und Erkrankungen der Atemwege war und ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen.

Erkrankungen von Leber und Parodontium treten häufig gemeinsam auf 

Neue Studien belegen nun auch die wechselseitige Beeinflussung von Lebererkrankungen und parodontalen Entzündungen. Die Mechanismen und Pathogenitätsfaktoren variieren je nach Art und Ausmaß der Leberschädigung. Prinzipiell können infektiöse Hepatitiden, vor allem durch HBV und HCV, alkoholische und nicht alkoholische Fettleber und Fettleberhepatitis sowie fibrotische Umbauten des Leberparenchyms bis hin zur Zirrhose mit ihren unterschiedlichen Ursachen unterschieden werden. Übereinstimmend ergaben Untersuchungen an Patienten mit infektiösen und nicht-infektiösen Leberkrankheiten einen deutlich schlechteren oralen Status als bei gesunden Vergleichsgruppen. Sowohl parodontale Infektionen als auch orale Candidiasis und Karies traten gehäuft auf und zeigten schwerere Verlaufsformen. Einen spezifischen Zusammenhang scheint es zwischen chronischer Hepatitis C und Lichen planus der oralen Mukosa zu geben. Lichen planus manifestiert sich auf der Schleimhaut als plaqueartige oder netzig-streifige, hyperkeratotische Veränderung. In manchen Fällen treten auch atrophe erosive Läsionen mit Pseudomembranbildungen auf, welche dann als Präkanzerosen eingestuft werden. Die Ätiologie ist nicht vollständig geklärt. Neben dem Zusammenhang mit viraler Hepatitis können auch Autoimmunkrankheiten die Entstehung eines Lichens begünstigen. Man nimmt eine direkte Interaktion des HC-Virus durch Replikation der viralen RNA in den Epithelzellen und eine durch die hohe Mutationsrate des Virus übermäßige Aktivierung der Immunzellen an.

Porphyromonas gingivalis ist ein Risikofaktor für NAFLD

Ein weiterer interessanter Zusammenhang besteht zwischen der Genese und Progression einer nicht alkoholischen Fettleber (NAFLD) und der nicht alkoholischen Fettleberhepatitis (NASH) mit parodontalen Erkrankungen. Hier spielt der parodontal-pathogene Keim Porphyromonas gingivalis eine Schlüsselrolle. Besonders ein Genotyp des anaeroben Bakteriums (P. gingivalis mit invasivem Fimbrientyp) ist bei NAFLD und NASH-Patienten mit gleichzeitig bestehender Parodontitis mit fast 47% signifi kant häufi ger im Sulkus nachweisbar als bei Parodontalpatienten ohne Lebererkrankung (22%). Bei entsprechender Therapie mit Keimeradikation oder zumindest Reduktion kommt es parallel auch zu einer Verbesserung der Leberparameter. Die erhobenen Daten aus einschlägigen Studien bestätigten damit P. gingivalis als zusätzlichen Risikofaktor bei der Entstehung und Progression einer NAFLD oder NASH. Auch über andere parodontale Pathogene kann eine Verschlechterung bestehender Lebererkrankungen ausgelöst werden. Besonders gramnegative anaerobe Bakterien wie z.B. Prevotella intermedia, Tannerella forsythia oder diverse Keime der Bacteroidesgruppe setzen Endotoxine frei. Diese alterieren über den Blutweg direkt das Leberparenchym oder induzieren die Freisetzung von Tumornekrosefaktor (TNFa). Durch die nun allgemein erhöhte Entzündungsbereitschaft werden Zucker und Lipidmetabolismus der Leber gestört. Zusätzlich kommt es in den Gefäßen zu endothelialer Dysfunktion. Umgekehrt werden die parodontalen Gewebe durch die Verschlechterung der Stoff wechselfunktion der Leber nicht ausreichend mit Nährstoff en und Vitaminen versorgt, Wundheilung und Epithelregeneration sind reduziert. Im Prinzip gilt: Je fortgeschrittener die Lebererkrankung, desto schlechter wird auch die Mundgesundheit. Bei bereits manifester Zirrhose haben Patienten eine vergleichsweise stärkere sub- und supragingivale Plaqueakkumulation und Zahnsteinbildung, einen höheren Gingivablutungsindex und einen vermehrten Bedarf an notwendigen Zahnextraktionen. Bei Zirrhosepatienten findet man einen ansteigenden Level von Serum-Zytokinen. Da auch bei Parodontitis Zytokine in das Entzündungsgeschehen involviert sind, schaukeln sich beide Krankheiten gegenseitig auf.

Übermäßiger Alkoholgenuss schädigt Leber und Gingiva

Bei alkoholischer Fettleber bzw. Leberzirrhose kommt zu den durch die herabgesetzte Organfunktion verursachten Schäden am Parodontium noch die direkte toxische Wirkung des Alkohols auf die Gewebe des Zahnhalteapparates hinzu. Alkohol senkt die Komplementfunktion und beeinträchtigt die Phagozytoseaktivität der lokalen Abwehrzellen an der Gingiva. Er erhöht die Durchlässigkeit der Epithel-Bindegewebs-Schranke für Schadstoffe, besonders für Nikotin. Cholestatische Lebererkrankungen verursachen Störungen im Knochenstoff wechsel und damit auch den Abbau am Kiefer. Besonders schlechten oralen und parodontalen Status zeigen auch Patienten mit autoimmunen Leberzirrhosen wie der „Primär biliären Zirrhose“. Hiervon sind vor allem Frauen im mittleren Lebensalter betroffen. Die Erkrankung geht mit einem Siccasyndrom mit mangelnder Speichelbildung durch Hypofunktion der Speicheldrüsen einher. Manchmal finden sich auch Kombinationen mit dem Sjögren-Syndrom. Die daraus resultierende Xerostomie begünstigt Karies, gingivale Entzündungen und orale Pilzinfektionen. Besonderes zahnärztliches Augenmerk und intensivierte Betreuung benötigen Patienten vor geplanter und auch nach erfolgter Lebertransplantation. Da danach eine lebenslange immunsuppressive Therapie durchgeführt werden muss, ist es unerlässlich, vor der Transplantation sämtliche mögliche infektiöse Streuherde zu eliminieren. Durch Einschwemmung von Bakterien in das periphere Blut kann es zu metastatischen Absiedelungen der Keime und zu Leberabszessen kommen. Ebenso können floride dentale Infektionen zu einer Peritonitis durch Streptococcus viridans führen. Andererseits wird durch die Immunsuppression auch die Abwehrsituation in der Mundhöhle verschlechtert. Die Berücksichtigung der wechselweisen Auswirkungen zwischen oralem Status und Lebererkrankungen ermöglicht durch Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Allgemeinmediziner bzw. Internisten eine optimierte Therapie für die betroffenen Patienten.

Ch. Eder, L. Schuder

DDr. CHRISTA EDER

FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at