Parodontologie - Chronische Nierenerkrankungen und orale Gesundheit

Zahlreiche systemische Erkrankungen stehen in enger Wechselwirkung mit parodontalen Entzündungen. Dazu gehören Herz/Kreislauferkrankungen und Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus bzw. das metabolische Syndrom. 

Eine Reihe von Untersuchungen belegen sowohl Auswirkungen chronischer renaler Erkrankungen (renal kidney disease, CDK) auf oralen Strukturen, als auch die Rückwirkung parodontaler Erkrankungen auf die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) der betroffenen Patienten. Mehrere Studien ergaben eine positive Korrelation zwischen einer effektiven Parodontaltherapie und der Verbesserung der Nierenwerte der untersuchten Patienten.
Chronischen Nierenerkrankungen mit progressiver Zerstörung der Nephrone führen letztendlich zu vollständiger Niereninsuffizienz mit Notwendigkeit einer Dialyse oder einer Nierentransplantation. Häufig sind diabetische und vaskuläre Nephropathien die Ursache für ein Nierenversagen. Daneben können auch Glomerulonephritis, Pyelonephrits, heriditäre Nierenerkrankungen und interstitielle Nephritiden (vor allem medikamentös bedingte Nephropathien) zu chronischer Niereninsuffizienz führen. Die Folgen sind schwere Beeinträchtigungen des gesamten Organismus durch die Störung des Wasser- und Elektrolythaushaltes, des Säure/Basengleichgewichtes und die Retention von giftigen Stoffwechselprodukten. Das Ausmaß der Nierenfunktionsstörung wird durch die Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) ermittelt, über welche auch die Stadien der chronischen renalen Erkrankung definiert werden.

Schlechte Nierenfunktion fördert parodontale Entzündungen

Der Zahnarzt ist in der Praxis nicht selten mit nierenkranken Patienten konfrontiert. Immerhin beträgt die Prävalenz der Erkrankung fast 17%. Daraus ergeben sich eine Reihe von Konsequenzen für Prophylaxe und Therapie. Die meist irreversibel fortschreitende Grunderkrankung beeinflusst auf mehreren Ebenen erheblich die orale Gesundheit. Durch die gestörte Flüssigkeitsbilanz ist die Speicheldrüsenfunktion eingeschränkt; es kommt zu Xerostomie mit allen bekannten Folgen, wie vermehrter Vulnerabilität der oralen Mukosa, erhöhter Anfälligkeit für Karies und verstärkter Ansiedelung potenziell pathogener Bakterien und Hefen. Hämatologische Veränderungen führen zu renaler Anämie, daneben ist auch die Produktion und Funktion der Abwehrzellen und der Immunglobuline beeinträchtigt. Schlechte Gingivadurchblutung, vermehrte Plaquebildung und eine überschießende Entzündungsreaktion bedingen einen rasch fortschreitenden Abbau von Weichgewebe und Knochen. Durch die erhöhte Ausscheidung von Kalzium und die gleichzeitige Retention von Phosphat kommt es bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus. Die daraus resultierende Überproduktion des Parathormones bewirkt eine Entkalkung der Knochensubstanz. Im Kiefer- und Alveolarknochen stellen sich diese Demineralisierungen radiologisch als radiotransluzente Areale dar.

Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus

Besonders problematisch wird die Situation bei Niereninsuffizienz im Rahmen eines Diabetes mellitus. Die negativen Wechselwirkungen zwischen schlecht eingestelltem Diabetes und aktiven parodontalen Läsionen sind hinreichend bekannt. Zusätzlich scheint eine nicht oder unzureichend behandelte Parodontitis das Risiko einer diabetischen Nephropathie deutlich zu erhöhen. Die Inzidenz von Nephropathien bei Diabetikern mit schwerer Parodontitis ist gegenüber Diabetikern ohne aktive parodontale Läsionen bis 2,6-fach erhöht.

Der nierenkranke Problempatient in der Zahnarztpraxis

Zur Erhaltung der oralen Gesundheit und zur Prophylaxe generalisierter Komplikationen sind beim nierenkranken Patienten regelmäßige Zahnarztbesuche, häufigere Recalls und optimale professionelle Mundhygiene unabdingbar. Mit zunehmender Verschlechterung der Nierenfunktion treten weitere Ko-Morbiditäten auf, welche bei der zahnärztlichen Behandlung berücksichtigt werden müssen. So kann eine assoziierte Thrombozytopathie bei chirurgischen Interventionen, wie Zahnextraktion oder Wurzelbehandlung zu verstärkter Blutung führen. Es empfiehlt sich in solchen Fällen vorher eine Abklärung des Gerinnungsstatus, des Hämatokrits und der Thrombozytenzahl zu veranlassen. Die erhöhte Anfälligkeit für generalisierte Infektionen macht eine antibiotische Abschirmung bei allen Eingriffen, welche eine Bakteriämie auslösen könnten, notwendig. Im Idealfall ist hier einer gezielten Antibiogramm-basierten Begleittherapie gegenüber einer empirischen Antibiotikagabe der Vorzug zu geben.
Um eine situationsgerechte individuelle Therapie zu gewährleisten muss der Zahnarzt über das Stadium der chronischen Nierenerkrankung informiert sein. Die Gabe von Arzneimitteln wie Antibiotika und Schmerzmittel erfordert eine Dosierung entsprechend dem Status der Nierenfunktion. Da viele Medikamente über die Nieren ausgeschieden werden, kann es bei fehlender oder mangelhafter Dosis- und Dosisintervallanpassung zu einer Kumulation kommen. Besonders NSAR wie Diclofenac, Ibuprofen oder COX-2-Hemmer gefährden die Nierenfunktion; hier sollten eher Wirkstoffe wie Paracetamol bevorzugt werden. Bei Antibiotika sind ähnliche Vorgaben zu beachten, um eine durch mangelnde Ausscheidung bedingte überhöhte Plasmakonzentration zu vermeiden. Tetrazykline sollten wegen ihrer nephrotoxischen Wirkung wenn möglich nicht verabreicht werden.

Dialysepatienten benötigen Anpassung von Therapie und Medikation

Weitere Probleme ergeben sich bei bereits dialysepflichtigen Patienten. Sie haben durch ihren schlechten allgemeinen Immunstatus ein stark erhöhtes Infektionsrisiko. Rezidivierende orale/parodontale Infektionen wirken verstärkend auf die allgemein höhere Entzündungsbereitschaft. Besonders gefährlich ist eine Infektion der zur Durchführung der Hämodialyse gelegten Shunts (arteriovenöse Fistel) durch hämatogen gestreute orale Keime. Parodontalkeime können in solchen Fällen bis zur Sepsis mit septischen Embolien führen. Das Blut des Patienten muss am Tag der Durchführung der Hämodialyse heparinisiert werden, was bei zeitnahen zahnärztlichen Interventionen zu vermehrter Blutungsbereitschaft führt. Deshalb sollten entsprechende Eingriffe immer an den dialysefreien Tagen, also nach Abklingen der Heparinwirkung, durchgeführt werden.
Auch Patienten nach bereits erfolgter Nierentransplantation stellen spezielle Anforderungen an die zahnärztliche Behandlung. Sie stehen unter immunsuppressiver Therapie, meist mittels mit Cyklosporin A und/oder Steroiden. Neben einer erhöhten Infektanfälligkeit können die Nebenwirkungen dieser Arzneimittelgruppen zu Gingivahyperplasien führen. Vermehrte Plaqueretention in den so entstehenden Pseudozahnfleischtaschen erhöht wiederum das Risiko der Exazerbation parodontaler Erkrankungen.
In jedem Fall zählt der nierenkranke Patient aus zahnärztlicher Sicht zur Gruppe der Risikopatienten, welche vermehrter Überwachung und spezifischer Behandlung bedürfen.

Ch. Eder, L. Schuder

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at