Alte Weisheit: Rhythmus steuert die Lebensfunktionen

Stress ist für Zahnärzte fast ein Normalzustand. Erst wenn mehr Symptome darauf hindeuten, dass ein Burn-out drohen könnte, versuchen wir gegenzusteuern. Dann ist der Einzelne aber meist schon überfordert, von selbst aus diesem verhängnisvollen Kreislauf herauszufinden.

Wir neigen dazu, Burn-out als Modeerscheinung abzutun, eventuell als Überforderung durch eine rigorose Leistungsgesellschaft. Allerdings: So leicht war es für frühere Generationen auch nicht! Kriege, Seuchen, Überleben in Zeiten von Wirtschaftskrisen – ständige Gefahr, drei schlecht bezahlte Jobs gleichzeitig, posttraumatische Belastungen und Bewältigung von Verlusten gab es auch für unsere Vorfahren. Natürlich gab es auch Zusammenbrüche, Depressionen und Freitod, aber eigentlich scheinen die „Alten“ robuster gewesen zu sein als wir heute.
Wer sich den Luxus leistet, den Eltern und Großeltern genau zuzuhören, erkennt ein großes Muster in ihrem Leben, das im Wesentlichen auf Tradition, Brauchtum und Gewohnheiten fußt. Altmodisch, mag sein, aber heute erkennen wir langsam, dass doch ein tiefer Sinn dahintersteckt. Alle Religionen schreiben einen gewissen Rhythmus vor: einen Ruhetag in der Woche (zur Besinnung), Feiertage und Fastenzeiten.
Die Tradition wollte gemeinsame Mahlzeiten für den Familienverband, es gab Zeiten zum Reden (statt Psychotherapie) und geruhsame Feierabend- oder Winterarbeiten, zu denen Nachbarn zusammenkamen.
Beim heurigen Herbstsymposium des Zahnärztlichen Interessenverbandes in Altaussee haben wir einige Antworten bekommen. Dr. Harald Stossier arbeitet in den VIVA-Hotels mit schwerkranken Patienten, die nicht mehr zur Ruhe kommen, erschöpft sind, an Nahrungsunverträglichkeiten leiden. Die Kurgäste sollen drei Wochen lang wieder einen normalen Tagesablauf erleben, eine weitere Woche noch nicht arbeiten und dann die wesentlichen Maßnahmen im Alltag weiterführen.

Organismus braucht Pausen

Der Rhythmus zwischen Aktivität und Erholung reguliert die Körperfunktionen. Dieser Rhythmus ist nicht starr, er passt sich der Situation an, er reguliert. Ein gutes Maß für die Regulationsfähigkeit der Patienten sind unsere Biotestverfahren, besonders modern ist die Herzfrequenz-Variabilität (Hartrate-Variability HRV). Folgen die Herzschläge in immer gleichem Abstand aufeinander, kann der Proband nicht mehr regulieren, über längere Zeit führt das zum Tod, das wussten schon die alten Chinesen (Shu-Ho im 3. Jahrhundert). Die haben uns ja auch die Organuhr überliefert – es hat einen Sinn, dass die Leber zwischen 1 und 3 Uhr morgens hochaktiv ist, da hat sie im Normalfall Zeit zum Entgiften. Der Dickdarm arbeitet besonders effektiv zwischen 5 und 7 Uhr früh, dann folgt die morgendliche Darmentleerung, wenn man sich auch Zeit dafür nimmt.
Ignoriert man die natürlichen Bedürfnisse des Körpers längere Zeit, geht der normale Rhythmus verloren – auf Kosten der Funktion. Leber und Darm arbeiten nicht dann, wenn wir glauben, für Nebensächlichkeiten wie die Verdauung Zeit zu haben, sondern wenn die übliche Zeit dafür gekommen ist. Rhythmus spart Kraft (Stossier bringt als Beispiel das Getreidestampfen afrikanischer Frauen) und kann Resonanz schaffen.

Endogene Spontanrhythmen

Rhythmen bestimmen Herzschlag, Atmung, Blutdruck, Nervenimpulse, den Menstruationszyklus und die Aufnahme/Ausscheidung.
Extern:
Umweltrhythmen, etwa Tageslicht
Extern-endogen:
körpereigene Rhythmen, synchronisiert durch Umweltreize.
Wir haben von Natur aus einen Zirkadianrhythmus von etwa 24,8 Stunden, bei gleich bleibendem Tagesablauf schüttet der schlafende Organismus bereits vor dem Aufwachen Cortisol aus.
Bei Dunkelheit erzeugt die Epiphyse Melatonin. Der Schlafbereich sollte deshalb wirklich abgedunkelt sein. Mangel führt zu Desynchronisation, zu viel zu unflexiblen Rhythmen. Im Schlaf ist die Frequenzabstimmung besonders intensiv, es entsteht ein Verhältnis von 1:4 bei Puls : Atmung : Blutdruck : Durchblutung. Im ersten Tiefschlaf wird STH ausgeschüttet, dann Cortisol. Damit ist ein Schlaf-Wach-Rhythmus auch die Voraussetzung für ein funktionierendes Immunsystem. Elektromagnetische Strahlung (Handy, Wecker) stört die Regulation, es kommt zu Melatoninmangel. Krebszellen haben charakteristischerweise keinen Rhythmus, Melatonin kann daher Krebsentstehung verhindern.
Melatonin entsteht aus Serotonin, dieses stammt zu 90% aus dem Verdauungstrakt. Bei Parasitenbefall ist die Aufnahme vermindert, bei Allergien, Histamin- oder Fruktoseintoleranz entsteht ein Überschuss.
Gesunder Schlaf ermöglicht Erholung. Bei Stress nimmt man das Chaos mit in die Nacht, es kommt zur Beeinträchtigung des Immunsystems. Die Produktion von Killerzellen wird gehemmt. Freie Radikale und damit die Oxidation steigen an, Alterungsprozesse sind die Folge. Der Wasserbedarf steigt, Magnesium wird bis zu 10-mal mehr verbraucht. Ohne Magnesium gibt es keine Energieproduktion (ATP). Verdacht auf Magnesiummangel: Fibrillieren der herausgestreckten Zunge und seitliche Impressionen.
Überfordern ist sinnlos, ohne Regenerationsphase gibt es keine Leistungssteigerung. Es ist auch sinnlos, die normale Müdigkeit zu überlisten. Im VIVA-Hotel gibt es daher keinen Kaffee, Schwarztee oder Alkohol. Auch keine Säfte, die gelten als flüssige Nahrung.
Häufige Flüge in andere Zeit- und Klimazonen sowie Schichtarbeit sind belastend. Es gibt eine Studie, dass Krankenschwestern mit Nachtdienst ein erhöhtes Brustkrebsrisiko haben. Ein Verlust der Synchronizität der körpereigenen Rhythmen fördert die Krebsentstehung.

Wiederherstellung des Rhythmus:
• Regelmäßiger Schlaf, gleichmäßige Essenszeiten
• Idealer Arbeitsrhythmus: 75 Minuten Arbeit/15 Minuten Pause
• Körpereigene Rhythmen respektieren (Morgen- oder Abendmensch)
• Tiefenentspannung durch Atem-übungen, autogenes Training, Yoga, QiGong, Musiktherapie
• Orthomolekulare Theraie, z.B. Melatoningabe, Omega-3-Fettsäuren
• Säure-Basen-Haushalt: ein optimaler pH-Wert bedeutet geringsten Energieaufwand für optimale Leistung. Auch der Säuregrad unterliegt einem Rhythmus; fehlt dieser, ist auch die Verdauung gestört.
Als „Reset“ geeignet: Fieber, Hyperthermie, heiße Bäder, Infrarot, Mistelpräparate. Diese Maßnahmen sind auch geeignet zur Virusbekämpfung. Die Erwärmung ebnet die Rhythmen ein, beim Abkühlen beginnen sie neu und synchron.

Die richtige Esskultur

Drei Mahlzeiten täglich, dazwischen mindestens fünf Stunden Pause. Die früheren Empfehlungen mit mindestens fünf kleinen Mahlzeiten haben sich als falsch herausgestellt. Nur mit genug Pausen können die Verdauungsenzyme sinnvoll generiert werden und kann sich die eigene Regulation wieder normalisieren, z.B. Insulin und Glukagon.
Beim Daueressen und Nahrungs-überschuss kommt es zu Rückstauphänomenen, zu Gärung (toxische Alkohole) und Fäulnis (biogene Amine, auch Histamin, übler Geruch).
Wichtig ist langsames, bewusstes Essen mit gutem Kauen (50-mal pro Bissen). Durch diese fast meditative Tätigkeit werden Speichelenzyme aktiviert, die Aufschließung der Mahlzeit beginnt bereits. So wird etwa zum Dinkelweckerl keine Butter gereicht, die verführt zu schnellem Runterschlucken. Und natürlich gibt es weder Morgenzeitung noch Frühstücksfernsehen.
Im Kurbetrieb soll die Nahrung monoton sein, eine Mischung verschiedenster Bestandteile wird bewusst vermieden, der Darm soll ja geschont werden. Die Abendmahlzeit soll besonders leicht bekömmlich sein und früh eingenommen werden. Getrunken soll reichlich werden: Quellwasser, Kräutertee, Gemüsebrühe (basisch) – und das nicht direkt zu den Mahlzeiten, um die Verdauungsenzyme nicht zu verdünnen, eine langsame Nahrungspassage zu erzielen und auch wieder ein Sättigungsgefühl zu erreichen.
Geht alles nicht, schon gar nicht im Ordinationsbetrieb? Wer kennt nicht das Bedürfnis nach einer süßen Kaffeejause – zuerst das Zuckerhoch, dann die extreme Müdigkeit –, abgesehen von Gewichtszunahme und Diabetestendenz ist man nicht so leistungsfähig. Die Zeit für ein bisschen vernünftigere Ernährung kann man leicht wieder einarbeiten!

MR Dr. EVA-MARIA HÖLLER
Zahnärztin und Kieferorthopädin in Wien
Schwerpunkt: Komplementärverfahren
Gerichtlich beeidete Sachverständige
mit Zusatzbezeichnungen
Kieferorthopädie und
Komplementärverfahren
ordi.hoeller@aon.at

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