Hepatitis - Das Infektionsrisiko in der Zahnarztpraxis

Der Zahnarzt und das zahnärztliche Personal sind bei ihrer Tätigkeit täglich in unmittelbarem und engem Kontakt mit ihren Patienten. Die mit Schleimhaut ausgekleidete Mundhöhle und der Speichel sind einerseits Reservoir zahlreicher Keime wie Pilze und Bakterien, andererseits kommt man auch bei der Verabreichung von Injektionen, bei kleinen invasiven Maßnahmen wie Extraktionen, Wurzelbehandlungen und vor allem bei kieferchirurgischen Eingriffen in Kontakt mit dem Blut des Patienten. Das Risiko der Übertragung von pathogenen Viren ist in dieser Berufsgruppe daher gegenüber der Durchschnittsbevölkerung durchaus als erhöht zu betrachten.

Den viralen Hepatitiden kommt aufgrund der Häufigkeit dieser Infektionskrankheiten eine besondere Bedeutung zu. Während die meist fäkal-oral übertragenen Hepatitis-A und Hepatitis-E-Infektionen in der zahnärztlichen Praxis keine große Rolle spielen, stellen die oft chronisch verlaufenden Krankheiten Hepatitis B, C und D eine weit größere Gefahr dar. Immerhin ist Hepatitis B mit weltweit etwa 2 Milliarden und europaweit immerhin 14 Millionen infizierten Personen laut WHO die häufigste Infektionskrankheit überhaupt. 5% der Weltbevölkerung sind chronisch infiziert und somit potenzielle Überträger der Infektion. Etwa 5% der HBV Infizierten sind zusätzlich Träger des HD-Virus, welches zu schwereren Verlaufsformen der Erkrankung führt. Hepatitis C ist etwas weniger häufig, weltweit sind etwa 130 Millionen Menschen chronisch infiziert. Die genannten Viren gehören trotz ähnlicher verursachter Krankheitsbilder unterschiedlichen Gruppen an. HBV gehört zur Gruppe der Hepadnaviren, weist als Genom eine doppelsträngige DNA auf, welche in einem Kapsid (HBV-Core-Antigen) umhüllt von Oberflächenproteinen (HBsAg), liegt. Bei Befall der Hepatozyten der Leber wird das Virusgenom in die Zellkerne eingebracht und verbleibt dort nach der akuten Phase. Nur bei etwa 1/3 der Infektionen entsteht eine klassische akute Hepatitis mit Ikterus, Erbrechen und Durchfall. Viel häufiger sind subklinische oder sogar asymptomatische Verläufe. Zur Chronifizierung kann es entweder primär oder auch sekundär nach akutem Verlauf in etwa  5–10% der Fälle kommen.
Das HDV ist ein unvollständiges RNA-Virus ohne eigene Hüllproteine und daher nur bei gleichzeitiger Anwesenheit des HBV, welches sein HBsAg zur Verfügung stellt, überlebensfähig. Dann allerdings führt die Kombination zu schweren und komplizierten Krankheitsverläufen. Die chronischen Hepatitiden gehören zu den häufigsten Verursachern von Leberzirrhose und Leberzellkarzinomen.

Infektionsgefahr steigt mit Virusload

Sämtliche drei Virusformen können in der Arztpraxis vor allem parenteral über den Blutweg übertragen werden. Für die Infektion mit HBV reichen dabei schon geringe Virusmengen aus, so kommt es etwa bei Nadelstichverletzungen bei HBsAg-positiven Indexpatienten bei mehr als 10% zu einer Infektion. Bei hoch virämischen Patienten finden sich auch vermehrt Viren im Speichel, hier besteht besonders die Gefahr einer Verteilung und Verwirbelung durch rotierende Instrumente wie Bohrer. Zudem sind HB-Viren sehr stabil gegenüber Umwelteinflüssen; sie vertragen Austrocknung und persistieren langfristig auf kontaminierten Gegenständen außerhalb des Wirtsorganismus. Ein Virentransfer  zwischen Patienten ist bei mangelhafter Desinfektion von zahnärztlichen Werkzeugen und Ordinationsflächen nicht auszuschließen. Hinzu kommt eine relativ hohe Resistenz gegenüber vielen Desinfektionsmitteln. Daher ist bei der Auswahl letzterer unbedingt auf die nachweisliche Wirksamkeit gegenüber HBV zu achten.
Die Übertragung von HCV und HDV ist nur über eine größere Virenanzahl möglich, hier liegt die Infektionshäufigkeit nach Verletzung mit spitzen Gegenständen und bei Nadelstichverletzungen bei etwa 5%. Die Viren bleiben außerhalb des Körpers nur wenige Stunden aktiv.
Die Gefahr einer Übertragung ist bei allen drei Spezies von verschiedenen Faktoren abhängig: An erster Stelle steht dabei die Virusbelastung der übertragenden Person. Je niedriger, desto geringer wird das Übertragungsrisiko. Weitere Faktoren sind die Tiefe der Verletzung, die Virulenz der Erreger und der Immunstatus des Infizierten. Von größter Bedeutung  ist selbstverständlich die Vorgangsweise nach erfolgter Verletzung. Die Wunde muss in jedem Fall ausreichend ausgeblutet und anschließend antiseptisch gespült werden. Weiters muss bei bekannt positivem Indexpatient sofort eine medikamentöse Expositionsprophylaxe durchgeführt werden.

Impfschutz ist die beste Prophylaxe

Die Gefahr der Ansteckung der zahnmedizinisch tätigen Mitarbeiter erfordert entsprechende Schutz- und Hygienemaßnahmen durch den praxisführenden Zahnarzt. So ist allen Mitarbeitern eine aktive Hepatitis-B-Immunisierung dringend zu empfehlen. Bei gefährdeten Personengruppen überwiegen die Vorteile des Impfschutzes in jedem Fall die Gefahr möglicher Nebenwirkungen. Zudem kommt auch die Verantwortung gegenüber den Patienten, nicht selbst eine mögliche Infektionsquelle darzustellen. Die HB-Impfung ist eine dreiteilige Immunisierung. Nach der dritten Impfdosis muss ein Anti-HBs-Wert von zumindest 100IE/l erreicht werden, bei niedrigeren Werten muss eine weitere Dosisgabe mit anschließender Überprüfung des Titers erfolgen. Die Immunisierung gegen HBV ist zugleich auch ein Schutz gegen das allein nicht infektionsfähige HD-Virus.

Gefahrenschutz und Hygiene vermeiden Infektion

Für HCV liegt leider bis dato kein Impfschutz vor. Die Gefahr einer Übertragung kann jedoch durch Einhaltung basaler präventiver Maßnahmen minimiert werden. Zur Vermeidung von Nadelstichverletzungen muss ein Recapping vermieden und gebrauchte Instrumente in verletzungssicheren Behältern abgelegt werden. Zahnärztliche Instrumente müssen vor der mechanischen Reinigung desinfiziert werden. Abformungen aus dem Mund des Patienten werden vor dem Versand an ein zahntechnisches Labor mit aldehydhaltigen Präparaten tauchdesinfiziert, um mögliche Viren und andere Keime abzutöten.
Von größter Wichtigkeit ist die Händehygiene mit dem obligaten Tragen und Wechseln von Handschuhen, jeweils kombiniert mit Händedesinfektion. Die persönliche Schutzausrüstung umfaßt Kittel, Mund-/Nasenschutz und Schutzbrille, vor allem um bei der Arbeit mit rotierenden Instrumenten Kontaminationen mit belasteten Aerosolen zu vermeiden. Zur basalen Praxishygiene zählen auch die Abdeckung patientennaher Flächen, Flächendesinfektion und sichere Abfallentsorgung. Für virusbelastetes Material ist eine Sterilisation im Autoklaven in jedem Fall einem alleinigen chemischen Desinfektionsverfahren vorzuziehen.
Die Einhaltung präventiver Maßnahmen dient letztendlich sowohl dem Selbstschutzes der Mitarbeiter der Zahnarztpraxis als auch dem Schutz der behandelten Patienten.

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at