Universitätszahnklinik - Neue Leitung der Kinderzahnheilkunde in Wien

Die neue Fachbereichsleiterin Prof. Dr. Katrin Bekes ist in Hattingen an der Ruhr aufgewachsen, studierte an der Martin-Luther-Universität in Halle und war nach dem Staatsexamen als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universitätspoliklinik für Zahnerhaltungskunde tätig. Nach sechs Jahren wechselte sie in die Sektion Kinderzahn-heilkunde. Seit April 2015 leitet sie den Fachbereich Kinderzahnheilkunde an der Universitätszahnklinik Wien.

Was sind Ihre Arbeitsschwerpunkte?

Bekes: Meine klinischen Arbeitsschwerpunkte liegen natürlich im Bereich der Kinder- und Jugendzahnheilkunde. Zu den Aufgaben dieses Querschnittsfachs, in dem wir  den Altersbereich ab der Geburt bis zum Erwachsenenalter betreuen, zählen neben der Prophylaxe, der Kariestherapie, den restaurativen und prothetischen Versorgungen und der Therapie traumatischer Verletzungen auch die Betreuung von Kindern mit Allgemeinerkrankungen, Behinderungen, Strukturstörungen und Schädigungen des Mund- und Kieferbereichs. Eine Desensibilisierung und das kindgerechte Heranführen an die Behandlungssituation sind dabei immer obligat.
Ich selbst möchte speziell die Kinder mit Strukturstörungen und Mineralisationsstörungen im Milch- und bleibenden Gebiss betreuen. Hier sei vor allem das Krankheitsbild der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation genannt. Meine forschungsbezogenen Schwerpunkte liegen bei der zahnmedizinischen Lebensqualitätsforschung. Unsere Arbeitsgruppe konnte jüngst ein deutschsprachiges Instrument zur Erfassung der mundgesundheits-bezogenen Lebensqualität (MLQ) bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 11 bis 14 Jahren entwickeln und evaluieren. Des Weiteren widme ich mich im Rahmen meiner Forschungstätigkeit u.a. der Epidemiologie der Karies, der Dentinhaftung zahnärztlicher Füllwerkstoffe im Milchgebiss und den Möglichkeiten des Einsatzes computergestützter Simulationssysteme in der zahnmedizinischen Ausbildung.

Welche Bedeutung hat die Erhebung der MLQ und was ist das Besondere am CPQ-Fragebogen?

Bekes: In der Zahnmedizin stellt die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität (MLQ) ein neues Kriterium zur Beurteilung oraler Erkrankungen sowie von Therapieeffekten dar. Sie ergänzt die klinischen Parameter um den subjektiv erlebten Mundgesundheitszustand des Patienten. Während für Erwachsene seit mehreren Jahren die Messung der MLQ mittels geeigneter Fragebögen sehr gut möglich ist, hinkte die Entwicklung adäquater Instrumente für das Kindes- und Jugendalter lange Zeit hinterher.
Seit einiger Zeit gibt es nun die Möglichkeit, bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 11 bis 14 Jahren MLQ nicht nur international, sondern auch im deutschsprachigen Raum mit Hilfe des Child Perceptions Questionnaire (CPQ) zu messen.
Der Fragebogen beinhaltet 35 Fragen, die sich auf vier Domänen/Sub-skalen verteilen: orale Symptome; funktionelle Einschränkungen; emotionales Wohlbefinden; soziales Wohlbefinden. Alle Fragen sind in folgendem Format gestellt: „In den vergangenen drei Monaten, wie oft hattest Du ...?“. Die Antwortmöglichkeiten lauten: nie = 0, kaum = 1, ab und zu = 2, oft = 3, sehr oft = 4.  Aus den 35 Fragen und 4 Schweregraden resultiert somit ein Gesamt-score von 0 bis maximal 140. Insgesamt gesehen trägt das Konzept der MLQ zu einer umfassenderen Bewertung oraler Erkrankungen bei. Die Anwendung des CPQ in der zahnärztlichen Praxis hilft bei der Einschätzung der Prognose oraler Gesundheitszustände, der Auswahl von Therapiealternativen, der Erfolgsbewertung und Patientenzufriedenheit und dem Monitoring zahnärztlicher Therapien.

Wie sehen Ihre Pläne für den Fachbereich Kinderzahnheilkunde an der Universitätszahnklinik Wien aus?

Bekes: Im Bereich der Krankenversorgung möchte ich das gesamte Spektrum der modernen Kinderzahnheilkunde vertreten und eine spezialisierte, ambulante zahnärztliche Betreuung anbieten. Parallel ist es das Ziel, ein Kompetenzzentrum für Patienten mit Mineralisationsstörungen im Milch- und bleibenden Gebiss aufzubauen. Eine erweiterte Konsiliartätigkeit und Kommunikation der für die Kinderzahnheilkunde relevanten Erkenntnisse für niedergelassene Zahnärzte ist ebenfalls intendiert.
Auf dem Gebiet der Lehre strebe ich an, in kooperativer Form ein kompetenzorientiertes Curriculum im Bereich der klinischen Kinderzahnheilkunde zu entwickeln und neue Lehrformen zu etablieren. In der Forschung möchte ich den schon erwähnten Schwerpunkt der Lebensqualitätsforschung etablieren. Gerade auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendzahnheilkunde besteht hier noch großer Bedarf.

Gibt es noch einen Punkt, der Ihnen besonders wichtig ist?

Bekes: Die Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen ist in den letzten Jahren mit Hilfe zahlreicher Prophylaxeprogramme verbessert worden, jedoch wissen wir, dass die Kariesreduktion im Milchgebiss deutlich geringer und die Karies selbst stärker polarisiert ist. Insbesondere die frühkindliche Karies hat sich zu einem „Public-Health-Problem“ entwickelt. Die Wichtigkeit der Zahngesundheitsförderung und die Prävention oraler Erkrankungen müssen zukünftig im Mittelpunkt der zahnärztlichen Therapie, der Curricula des Zahnmedizinstudiums und der  Forschung stehen. Mit dem neuen Fachbereich Kinderzahnheilkunde ergeben sich hier insbesondere für Wien und Österreich Möglichkeiten. Es ist eine wunderbare Aufgabe, im Rahmen der hier vorgefundenen Voraussetzungen aufbauen und gestalten zu dürfen.
Darüber hinaus empfinde ich es als großes Glück, in einer Stadt wie Wien arbeiten zu dürfen – mit ihren angenehmen Lebensverhältnissen, der guten Infrastruktur und dem breit gefächerten Angebot an kulturellen Veranstaltungen.

Danke für das Interview!

Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und
Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com



Prof. Dr. Katrin Bekes