Ein Widerspruch? Implantate und Komplementärmedizin:

Anfangs haben Komplementärmediziner Implantate generell abgelehnt – Nichtmediziner wollen ja auch heute noch nur „natürliche" Ersatzmaterialien, selbst bei Füllungen.

Je umfassender die komplementär arbeitenden Zahnärzte gearbeitet haben, umso stärker haben sie Implantate befürwortet; Dr. Erich Wühr aus Kötzting oder Dr. Johann Lechner aus München implantieren durchaus.
Ein unschlagbares Argument ist, dass wir chronische apikale Entzündungen manchmal einfach nicht in den Griff bekommen – Wurzelbehandlungen, Revisionen (auch mit Mikroskop, Ultraschall und großem Zeitaufwand) oder Resektionen gelingen nur bei einer körpereigenen Abwehrmöglichkeit gegenüber Streptokokken und stellen eigentlich immer eine mögliche Zeitbombe dar. Ein Implantat gibt keine Giftstoffe ab und kann nicht von Streptokokken besiedelt werden, höchstens eine Periimplantitis bei mangelnder Pflege ist möglich.
Die von einigen ganzheitlichen Zahnärzten der ersten Stunde gewählte Versorgung der Patienten mit Kunststoffprothesen aus speziellen nicht allergenen Materialien und flexiblen Kunststoffklammern haben teilweise zur Lockerung der restlichen Zähne und relativ oft zu Kiefergelenksproblemen geführt. Eine festsitzende Versorgung bietet nicht nur hohen Komfort, sondern hat auch medizinische Vorteile.

Mein Kompromiss: Strenge Indikation, Ausschluss von Kontraindikationen.
Indikationen (für mich persönlich):
• zahnloser Kiefer, schlechter Kieferkamm
• Freiendsituationen, besonders einseitig – auch ein einziger fehlender 7er kann eine Asymmetrie im Gelenk bewirken
• Zahnlücken bei völlig unbeschädigten Nachbarzähnen, besonders bei jugendlichen Patienten

Viele Chirurgen sehen auch im Erhalt des Kieferknochens bei Einzelzahnlücken eine Indikation, da ziehe ich eher eine Brücke vor – vorausgesetzt, ich kann verträgliche Materialien bieten. Ich konnte in den letzten 35 Jahren nicht beobachten, dass eine Brücke die Nachbarzähne schädigt, ein paar Brücken sind noch intakt, obwohl sie mein Vorgänger angefertigt hat. Werden sie wirklich schäbig, kann man so gut wie immer eine Neuanfertigung durchführen. Auch Implantate halten nicht ewig, eine Erneuerung nach etwa zehn Jahren ist durchaus manchmal nötig, z.B. weil die Implantatschulter sichtbar wird.
Dann stehen wir vor dem Problem, dass ein nicht gelockertes Implantat sehr mühsam zu entfernen ist (die Fremdkörperreaktion produziert sehr dichten Knochen). Ist ein Implantat hingegen gelockert, kommt es zu lokalem Knochenverlust, ein neues Implantat muss an anderer Stelle sitzen oder ein Knochenaufbau wird nötig.

Beurteilung des Implantat- gebietes

Vorgeschichte:
Speziell bei langer chronischer Entzündung oder komplizierter Zahnentfernung sollte man eine Restostitis ausschließen – am besten durch Biotestverfahren, alle bildgebenden Verfahren werden durch Einlagerung von Schwermetallen, Zink, Eisen oder Kupfer verfälscht (Studien von Dr. Lechner, München). Therapie kann langwierig sein.

Meridiangebiet:
Soll vor allem bei Aplasien überprüft werden, die Meridianstärkung mit Kräutern oder Homöopathika kann helfen.

Knochenangebot:
Knochenersatzmaterialien sind problematisch. Die kleinen Tricalciumphosphatanteile wandern entlang der Lymphbahnen, die größeren gesinterten Partikel liegen meist inert in festem Bindegewebe. Während der Einheilphase testen alle problematisch – es findet eine Fremdkörperreaktion statt, die sich nach etwa 6–8 Wochen beruhigt, der bindegewebige Wall ist das Endstadium.
Wurde das Ersatzmaterial in ein noch bakteriell besiedeltes Gebiet eingebracht oder kommt es auf hämatogenem Weg zu einer Neubesiedelung, entstehen ausgedehnte Entzündungszonen, die in Röntgen oder CT absolut unsichtbar sind. Der Leidensweg der Patienten ist meist lang, niemand will ohne Röntgenbefund operieren. Diese Gebiete müssen aber operativ gründlich saniert werden – oft im Rahmen von zwei Eingriffen. Erst nach gründlicher Ausheilung ist eine neuerliche Versorgung möglich.
Wirklich bioverträglich wären Transplantate aus dem Kieferknochen, etwa dem Weisheitszahngebiet oder Kinnbereich. Eigenknochen etwa aus dem Darmbeinkamm haben eine andere Knochenstruktur und werden nie zu einem echten Kieferknochen. Einige Kollegen schwören auch auf Distraktionsosteosynthese, die allerdings doch einen größeren chirurgischen Eingriff darstellt.
Sinusliftoperationen kann ich nur wenigen Patienten empfehlen – viele leiden ohnehin an chronischer Sinusitis und sollten eine zusätzliche Reizung der Kieferhöhlenschleimhaut vermeiden.
Die schräg gesetzten Implantate erscheinen mir auch suspekt, der umgebende Knochen wird ganz atypisch belastet; ob dies Abbau oder Sklerosierung mit sich bringt, muss sich erst zeigen.

Materialprobleme:
Die Mehrzahl der Chirurgen bevorzugt Titanimplantate. Titan wird auch für Brillenfassungen oder Schmuck verwendet, auch in „selbstreinigenden" Keramiken … Reaktionen auf ein früher fast unbekanntes Metall nehmen daher zu.

Allergische Reaktion:
Nachweis mit Lymphozytentransformationstest, ist in einigen großen Labors durchführbar. Gemessen wird die Vermehrung der Lymphozyten bei Inkubation mit Metallsalzen. Nach Statistiken aus München (Labor Bieger) 4–6%, im Biotest gut erfassbar.
Eine toleranzerhöhende Therapie kann helfen, etwa Darmsanierung.

Titanstimulierungsreaktion:
Reaktion auf den Abrieb von Titan-oberflächen. Genetisch mitbedingt, mengenabhängig. Wird verstärkt durch die scharfkantigen Schraubenformen, die mit gewissem Druck durch Ratschen eingebracht werden müssen – die früheren Zylinderimplantate, die zart eingeklopft wurden, waren deutlich besser verträglich. Auch einige künstliche Gelenke sind aus Titan und geben beim Einbringen und in Funktion Titanpartikel ab. Gemessen werden Zytokine, die die Makrophagen (und Osteoklasten) stimulieren – nach Exposition gegen Titanoxidpartikel: Tumornekrosefaktor a, es gibt vier Grade der Empfindlichkeit gegenüber Titan. Gleichzeitig wird die Entzündungsbereitschaft (Interleukin 1 Beta) bestimmt.
Patienten mit hoher Stimulierungsreaktion und großer Entzündungsbereitschaft sollten keine Titanimplantate bekommen. Diese Reaktion ist im Biotest nicht erfassbar, im Labor aber auch vor einer Implantation nachweisbar. Als genetische Variation ist sie lebenslang unverändert, aber durch Reduktion aller Entzündungstrigger und möglichst geringer Exposition beeinflussbar. Wird dieser Typ bei schon vorhandenen Implantaten (kann auch einmal ein Knie sein...) festgestellt, kann man einen Therapieversuch mit antientzündlicher Therapie, Homöopathika und Immunmodulation wagen, um die Implantate zu erhalten, bei sehr ungünstiger Konstellation hilft nur Materialentfernung.
Labors: Institut für medizinische Diagnostik Berlin (Kurierdienst) oder Ganzimmun-Diagnostik in Wien.

Zirkonoxid:
Heilt ähnlich wie das Knochenersatzmaterial bindegewebig ein. Theoretisch bestechend, weil es heute auch schon Kronenaufbauten aus Zirkonoxid gibt und eine Versorgung aus einem Material möglich wäre. Bei vielen Implantologen und Prothetikern nicht beliebt. Manchmal kommt es zu Knochenabbau, besonders wenn nahe der Compacta implantiert wird – durch Materialhärte? Besonders empfindlich auf okklusale Fehler!
Obwohl immer mehr Fabrikate auf den Markt kommen, sind diese noch nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Die oft angeführte radioaktive Belastung ist minimal, liegt unter der normalen Umweltbelastung und ist vernachlässigbar, ich konnte sie auch im Biotest noch nie finden.

Zusammenfassung:
Mit einigen Vorsichtsmaßnahmen und Einschränkungen befürworte ich Implantate, derzeit am ehesten aus Titan. Eine perfekte Suprakonstruktion ist wesentlich für den Erfolg. Die Mundhygiene des Patienten trägt viel dazu bei, um Entzündungsreaktionen zu minimieren.

MR Dr.
EVA-MARIA HÖLLER
Zahnärztin und
Kieferorthopädin in Wien
Schwerpunkt: Komplementärverfahren
Gerichtlich beeidete Sachverständige
mit Zusatzbezeichnungen
Kieferorthopädie und
Komplementärverfahren
ordi.hoeller@aon.at

Panorama mit zwei Implantaten: Das ältere IMZ Implantat in Zylinderform ist gut verträglich, das
neuere Schraubenimplantat verursacht Beschwerden und testet schlecht